Ich denke ja, dass der negative Eindruck aus dem Augsburg-Spiel den Gesamteindruck etwas zu heftig überschattet. Gehen wir die Spiele doch mal im Einzelnen durch. Ich habe diese Saison nicht alle Spiele komplett sehen können (aber viel gelesen und gehört), weswegen ich vielleicht unbeabsichtigt etwas unter den Tisch fallen lasse. Man möge mich bitte an entsprechender Stelle berichtigen.
In Dortmund:
Auswärtsspiel beim derzeitig übermächtig erscheinenden Doublesieger. Jeder erwartet eine deftige Klatsche. Werder schlägt sich jedoch beachtlich und verliert nur knapp. Dortmund ist abgezockter und gewinnt daher nicht unverdient, aber es sind sich hinterher auch (fast) alle einig, dass zumindest ein Punkt für Werder auch nicht unverdient gewesen wäre.
HSV:
Souveräner Sieg gegen schwachen HSV. Man kann es sich sogar erlauben einen Elfer zu verschießen. Spieler des Spiels: Rene Adler. „Bewahrte seine Elf mit Glanzparaden vor einem Debakel.“ Kicker.
H96:
Habe ich nicht komplett gesehen. Auswärts bei den heimstarken Hannoveranern (siehe letzten Sonntag). Ausgeglichenes und rasantes Spiel in dem Werder einen 0:2 Rückstand kassiert, aber auch aufholt (die Moral scheint also noch zu stimmen). In der 83. Minute macht Werder ein reguläres Tor zum 3:2, welches jedoch aberkannt wird. Die junge Elf rennt weiter an und lässt sich in der Nachspielzeit auskontern und fängt das 3:2. Manchmal muss man auch mit einem Punkt zufrieden sein. Brutaler Tiefschlag.
Stuttgart:
2:2 gegen schwach gestartete Stuttgarter. Werder beginnt gut und geht mit einer verdienten 2:0 Führung in die Pause (Spieler des Spiels ein weiteres Mal der gegnerische Torhüter). Erste Möglichkeit nach der Pause hat wieder Werder, doch Arnautovic vergibt. Kurz danach kann Stuttgart quasi mit der ersten Chance verkürzen und die Werderaner fangen schwer an zu wackeln. Danach gelang es der jungen Mannschaft nicht das Spiel gegen nun aufstrebende Stuttgarter wieder in den Griff zu bekommen und man kassierte noch das 2:2. Die zweite Halbzeit war die bis dahin schwächste Leistung der Saison.
Freiburg:
Eine extrem unter Druck stehende Werdermannschaft muss in Freiburg was holen, will sie nicht nach der zu erwartenden Niederlage am Wochenende gegen die Bayern ganz unten drinstehen. So spielen sie auch: Engagiert, aber mit unzähligen Fehlern im Spiel. Die Nervosität ist nicht zu übersehen. Freiburg geht dann auch nicht unverdient mit einer Führung in die Pause. Nach dem Wiederanpfiff spielt Werder mutiger, wenn auch lange noch nicht fehlerfrei und kann das Spiel, sicher nicht ohne das nötige Glück, drehen. Eine verunsicherte Bremer Elf fährt einen dreckigen Sieg gegen defensivstarke Freiburger ein. Eine spielerische Glanzleistung wäre sicher allen lieber gewesen, aber man muss ja bekanntlich auch mal solche Spiele gewinnen.
München:
Konnte ich nicht sehen, weil dieser bekloppte Laden in NY an seinem Oktoberfest-Day kein Fußball zeigt…
Klare Rollenverteilung: Gegen die in Überform in die Saison gestarteten Bayern wäre ein Punkt ein voller Erfolg. So spielten sie dann auch: Nicht sonderlich mutig aber defensiv erstaunlich sicher („der taktische Anzug passte bei den Hanseaten, die zielgerichtete Anspiele aus dem Bayern-Mittelfeld Richtung Spitze mit hoher Laufintensität und guter Organisation schon im Keim zu ersticken wussten“ Kicker). In der zweiten Halbzeit wird das Spiel dann etwas offener und es ergeben sich für beide Teams mehr Chancen. Die höhere individuelle Qualität auf Seiten der Münchner, insbesondere in den Personen Ribery und Shaqiri, ist dabei jedoch unübersehbar. Zum Ende des Spiels können die Bremer der (zum Teil noch eingewechselten) Offensivpower der Bayern dann immer weniger entgegensetzen und sie fangen sich noch zwei, nicht unverdiente, aber dennoch ärgerliche weil späte, Gegentore. Unterm Strich bleiben zwar 0 Punkte, aber auch die Erkenntnis das vielleicht mit etwas mehr Mut mehr drin gewesen wäre, man aber auch die erste Mannschaft war, die solange die Null gegen die Bayern halten konnte.
Augsburg:
Eine schläfrige, überhebliche und lauffaule Mannschaft verliert beim Tabellenletzten verdient 3:1. Offensichtlich dachte man, vielleicht weil man gegen die Bayern so gut mithalten konnte, dass man die schwachen Augsburger im Vorbeigehen schlägt. Klarer Fall von Gegner unterschätzt. Soll nicht vorkommen, tut es aber, gerade bei jungen unerfahrenen Teams, immer wieder.
Für mich bleiben also vor allem 3 richtig schlechte Halbzeiten (2 gegen Augsburg und eine gegen Stuttgart), die deutlich unter meinen Erwartungen lagen zwei durchgewurschtelte, aber in der Summe erfolgreiche gegen Freiburg und relativ viel Fußball der zumindest nicht deutlich unter den Erwartungen, zum Teil sogar deutlich darüber lag. Natürlich müssen jetzt Punkte her, damit die Mannschaft nicht ganz unten reinrutscht und noch mehr Selbstvertrauen verliert, aber Stand jetzt finde ich es noch zu früh ALLES schlecht zu reden. Bei dem Umbau einer Mannschaft gibt es Rückschläge und die fühlen sich in der Regel so an wie in Augsburg.