Hoi Chummers,
der Himmel hat ein wenig die Farbe eines Bluescreens, findet ihr nicht auch?
Nachdem ich bei meiner letzten Einführung in die Welt von Shadowrun "Neuromancer" außen vor ließ und damit Louis' Herz brach, möchte ich bei diesem zweiten Beginn dort einsetzen, denn auch wenn zwischen beiden Systemen keine innerweltliche Kontinuität besteht, nutzt doch dieser "Ursprung des Cyberpunk-Genres" viele Strukturen, an denen sich Shadowrun bediente.
Die Neuromancer-Trilogie entsprang in den Achtzigern der Feder des William Gibson (zeitgleich/parallel mit Blade Runner) und folgt dem "Per Anhalter durch die Galaxis"-Format mit einem ersten zentralen Roman und Folgewerken, die darauf aufbauen (oder, böse gesagt, ihn wiederkäuen). Sie verschlagen mit ihrer Handlung in eine nahe, technologisch weiterentwickelte, aber heruntergekommene Zukunft, in der vor allem das Geld regiert. Darin wird ein Habenichts mit verbrecherischer Vergangenheit von einem Großen Fisch angeheuert/erpresst, mit anderen zwielichtigen Gestalten ein Team zu bilden und einen illegalen Auftrag auszuführen, der die Geschicke der Welt verändert. Im zweiten Teil kommen Voodoo-Geister hinzu und im dritten... ähhm... geht es auch um irgendwas.
Um meine vielleicht böse Einschätzung gleich loszuwerden: Auch wenn die Neuromancer-Trilogie heute als Klassiker gilt, handelt es sich bei ihr doch um Trivialliteratur. Ihre Stärken liegen in ihrer Atmosphäre, ihren Bildern und ihren Szenen, leiden aber an schwachen Charakteren (besonders der Protagonist des ersten Teils ist so gesichtslos, dass ich bereits zweimal seinen Namen vergaß) und einer schwer greifbaren Handlung und weisen Typisches wie Traumfrauen-Beischlaf und Drogen-Erfahrungen auf. Sie sind mehr Style als Substance und es heißt, dass dieses Markenzeichen auch das ganze Genre plagt.
Dieser Stil wurde viel kopiert und um sich von seinem Konkurrenten "Cyberpunk 2020" abzusetzen, entschied sich das Pen&Paper-Rollenspiel "Shadowrun" dazu, diese nahe Zukunft einer heruntergekommenen, vom Geld beherrschten Welt mit dem im fernen Jahr 2011 geschehenen Rückkehr der Magie zu verbinden. Dies halbierte zwar den gesellschaftskritischen Kommentar, verstärkte jedoch den bunten Stil und sorgte für ein Alleinstellungsmerkmal, welches sicher zum Erfolg des Systems beitrug.
Meine eigenen Erfahrungen mit dem P&P begannen im Rahmen meiner Cliquen-Runde, als ich um die sechzehn Jahre alt war. Es war die gleiche Gruppe, mit der ich bis dahin und weiterhin DSA spielte, und doch bedeutete es für mich zwei Welten: Während ich mit DSA am Spieltisch nie so recht warm wurde und erst groß darin einstieg, als ich in dieser Welt schrieb, wurde Shadowrun zu "meinem" System und ich würde schon kurze Zeit später mit einem Haufen veralteter und damit günstiger Quellenbücher am Spielleiterplatz heimisch.
So fehlen mir die markanten DSA-SCs (Fräulein Zauberin, diese konvertierte Geschichtenfigur, kam am Spieltisch gerade einmal auf drei Einsätze) und auch die markanten SR-SCs, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Ich komme von Letzteren auf zwei - und den anderen neben Darquie lernt ihr nun kennen.
Damals las ich auch eine Menge Shadowrun-Romane - und das ist mit ein Grund, warum ich Neuromancer gegenüber zu hart bin. Auch diese Romane übernahmen Gibsons Stil, sodass mir diese große Stärke weder neu noch besonders vorkommt.
Doch wen interessiert die Farbe des Himmels?
Ich wünsche euch und mir eine gute Zeit.
Christian / Ghaldak
ps: Ein ganz großes Dankeschön geht an -Kai-, die mir erlaubte, ihr Bild "Stadt in der Nacht" zu nutzen; das nicht zugeschnittene Original findet ihr ]hier. Sie ist wirklich eine beeindruckende Aquarell-Zeichnerin.