Rebekka stand stramm und schweigend in der Ecke der privaten Gemächer von Atalja und schaute in die lodernden Flammen des Kamines. Ihr Fehler war ihr durchaus bewusst und die Tragweite dessen konnte sie nur erahnen. Vielleicht ist sie für die Politik auch einfach zu emotional und dadurch in manchen Situation, blind genaue politische Strukturen zu erkennen. Rebekka fühlte einfach mit dem angmarischem Volk und als sie die Meldung erhielt, dass in den Provinzkonflikt nun auch noch die Cuvinische Republik mit modernsten Kriegsgeräten sowie tausenden an Soldaten gegen das angmarische Volk vorzugehen drohte, da konnte sie nicht anders als ihre Stimme zu erheben.
Auf die Idee, dass nicht die Regierung sondern eine Firma hinter der ganzen Geschichte steckt kam sie einfach nicht und auch jetzt noch, wo ihr Fehler zu Tage getragen wurde, kann sie es sich einfach nicht vorstellen wie eine Firma solche Macht hat, scheinbar auch über die Regierung.
Nun sei es drum, sie hatte einen Fehler begangen und ihre Mutter würde und musste sie nun bestrafen. Einst auf Pandora hatte sie die Peitschenschläge die eigentlich Rebekka gebührten selbst eingesteckt, Rebekka wusste also, dass es ihrer Mutter nicht leichtfallen würde sie angemessen zu bestrafen doch es gebührt sich nun einmal unter den Scharronitern so.
„Hast du eigentlich eine Ahnung wie wir nun Außenpolitisch da stehen?“ schrie Lady Vermillion ihre Tochter an.
„Und welcher Clown in der Presse hat diesen bescheuerten Artikel überhaupt geschrieben? Provokanter kann man einem Staat nicht gegenüber treten. Und es ist ja nicht so, dass wir hier bei uns nicht selbst genug zu tun hätten das wir aus reiner Langeweile mal ein paar Staaten verärgern können.“ Ataljas Stimme wich in den Sarkasmus, ein deutliches Zeichen dafür, dass sie außer sich vor Wut war. Die große schlanke Frau blieb vor dem Kamin stehen. Durch das schwache und einseitige Licht wirkte ihr sonst so strahlend silbernes Haar eher grau. Sie atmete tief durch.
„Was soll ich jetzt mit dir machen?“ fragte sie dann ruhig Rebekka doch ohne einen Blick auf sie zu werfen. Rebekka selbst stand immer noch in der Ecke und war etwas überfordert mit der Frage. Sollte sie jetzt selbst entscheiden welche Strafe sie ertragen müsse?
„Ich bin nicht mehr würdig deine Tochter zu sein.“ Sprach sie leise aus und senkte dabei ihren Kopf.
„Das denkst du?“ Atalja drehte sich zu ihr hin, ging bedächtig auf sie zu, packte mit ihren Händen Rebekkas Schultern.
„Schau mich an.“ Rebekka hebte sachte ihren Kopf und blickte in die strahlend blauen Augen ihrer Mutter. Sie wusste darum, dass in ihr ein anderes Blut floss als in Atalja. Sie wusste darum, dass Atalja damals, vor so vielen Jahren, auf der Erde eine Leihmutterschaft gemacht hatte um an Credits zu kommen. Sie kannte auch das Leben davor und danach mit allen Schattenseiten. Und sie kannte auch die tiefe Liebe von Atalja zu ihr, die seelische Bindung die die fehlende Blutsbindung überwog.
„Das denkst du wirklich?“ fragte ihre Mutter noch einmal.
„Ja, das denke ich.“
Atalja presste Rebekka an ihre Brust, so fest, dass sie beinah keine Luft mehr bekam.
„Du bist mein geliebtes Kind hörst du. Es gibt nichts zwischen Himmel und Erde, in der sichtbaren und in der unsichtbaren Welt, dass dir Anspruch auf meine bedingungslose Liebe entreißen kann.
Du bist meine Tochter, Rebekka Vermillion, Erbin Pandoras, die erste unter den Heiligen Kriegerinnen und meine Vertraute.“ Heiß spürte Rebekka den Atem ihrer Mutter im Nacken. Heiß auch die Tränen der Mutter und heiß auch ihre eignen Tränen. Eigentlich sollte es zurück gehen zur Erde um ein Leben in der Schwesternschaft zu genießen, fernab von Politik und Überlebenskampf, einfach und endlich mal nur Familie sein. Wie sehr sehnten sie sich alle danach. Atlaja, Rebekka ja auch Scharron die Kleinste von ihnen die auf dem Sofa vor dem Kamin eingeschlafen war.
Eine halbe Ewigkeit hielt diese vertraute liebevolle Umarmung an und doch reicht selbst eine halbe Ewigkeit nicht aus um das an Zuneigung nachzuholen was durch die Politik ihnen bisher verwehrt war. Dann löste sich die Umarmung. Die beiden Frauen standen dicht voreinander und schauten in das tränenreiche Gesicht des Gegenübers und mussten einfach lachen. Atalja küsste die Stirn ihrer ältesten Tochter.
„Rebekka ich schicke dich in die neu befreiten Provinzen GL 23 und GL 24. Ich will das du den Goloren und Menschen dort hilfst. Du sollst so leben wie sie leben und das essen was sie essen bis du ihre Ländereien weitestgehend wieder aufgebaut hast. Lerne von diesen armen Geschöpfen denn sie sind es die das Leid ertragen müssen was wir Großen über sie bringen und doch sind auch sie unsere Schwestern und Brüder. Vor unserer Gott Mutter sind wir alle gleich. Lerne Demut und Liebe und komme dann alsbald zu mir zurück.“
Rebekka nickte ihrer Mutter zu. Das sollte also ihre Strafe sein. Es war eher eine Erlösung, mehr Urlaub. Rebekka war im Aufbau, in der Volksnähe, in handwerklichen Dingen und im Kampf einfach besser aufgehoben, fühlte sich dort wohler, als in dieser Politik.
„Doch eines noch zuvor. Reise nach Feron zu Königin Irina und überbring ihr persönlich die besten Wünsche und den Segen von uns allen für ihr neues Kind. Feron steht uns in Zeiten der Not zur Seite, doch dürfen wir nicht vergessen auch in Zeiten der Freude füreinander da zu sein.“
Rebekka nickte abermals wobei ihr diese zweite Aufgabe schon wieder Bauchschmerzen verursacht. Sie war einfach nicht so gewandt auf der politischen Bühne wie ihre Mutter. Was wäre nur, wenn sie der Königen ins Gesicht niesen würde? Oder wenn sie sich eben nicht hinkniet, oder ein falsches Wort sagt?
Ihre strudelnden Gedanken wurden von einer Bewegung auf dem Sofa unterbrochen.
„Mama?“ sprach Scharron die grade aufgewacht war und sich die Augen rieb.
„Ja mein Engel, was ist?“
„Wann besuchen wir eigentlich endlich Tante?“
Atalja war etwas verwirrt. Welche Tante meinte sie und wie kam sie nur darauf.
„Scharron weißt du, ich habe keine Schwester.“
Atalja nahm ihr kleines Ziehkind auf den Arm und streichelte ihr über den Kopf.
Obwohl sie grade eben erst aufgewacht war strahlte sie über beide Ohren.
„Doch doch Mama, ich habe sie im Traum gesehen, meine Tante mit den Silbernen Haaren.“
Atalja hielt inne. Hatte Scharron eine Vision gehabt? Einen Traum der die bisher unsichtbar verwobenen Schicksale beleuchtet, wenn auch kurz nur? Doch es war unmöglich, Atlaja war ein Einzelkind, sie hatte keine Geschwister und erst recht nicht hier auf einen für sie fremden Planeten.
Und als ob Scharron ihre Gedanken lesen konnte fügte sie hinzu:
„Weißt du Mama, neben der Blutsverwandtschaft gibt es auch eine Seelenverwandtschaft.“