Sie waren über Veii gezogen, hatten dort einige Tage auch verbracht. So konnten Boten nach Rom eilen um die Rückkehr des Tiberius Macintus anzukündigen.
So erhob sich ein großes Freudengeschrei unter dem Volke als Tiberius und sein Gefolge in die Stadt einzogen. Alle Fenster waren geschmückt und die Menschen standen am Rande der Straße, bildeten Spalier. Da sie die Erschöpfung von dem langen Marsch bereits in Veii abgestreift hatten marschierten sie stramm voran, durch die Gasse die das Volk ihnen bot. Links und rechts winkend genossen sie diesen euphorischen Empfang. Ein kleines Mädchen löste sich aus der Masse des Volkes, stürmte auf Tiberius zu und lies sich von ihm auf den Arm nehmen. Freudig streifte sie ihm einen Kranz aus frisch gepflücktem Lorbeer über, küßte ihn auf die Wange, zappelte dann so daß Tiberius sie wieder auf den Boden setzte, und verschwand wieder, untergetaucht in der jubelnden Masse. Und so schritten sie voran, dem großen Versammlungsplatz entgegen. Schließlich, da sie ihn erreichten hatten, wurden sie auch von den Patriziern empfangen. Eine Ehrenwache der neu gebildeten Phalanxen war angetreten. Und als sie in den Kreis traten schlugen diese ihre bronzene Speere laut gegen ihre Schilde, die ebenfalls aus Bronze gefertigt waren und wunderbare Reliefs zeigten.
So trat Tiberius vor den Rat und berichtet von seiner Reise, seinem Treffen mit der ägyptischen Herrscherin und den Verhandlungen. Berichtete von den Tempeln, von denen er erfahren hatte, und der Baukunst, Mauern aus Stein zu errichten, und das alle Gebäude in den ägyptischen Städten so gebaut seien. Berichtete von dem Austausch der Symbole und auch über den Preis von 92 Goldstücken, den er noch zu entrichten hatte, dafür das die römischen Gelehrten das Wissen der ägyptischen Gelehrten erfahren durften.
Was Tiberius aber verschwieg war, daß er auch sein Herz verschenkt hatte, eben an die ägyptische Herrscherin.
„Tiberius, mein Sohn“ der alte Janus Macintus lag auf seiner Liege im Atrium des Hauses derer zu Macintus und schaute zum Himmel empor. „Deine Reise war erfolgreich wie ich vernahm?“. dabei wandte er sich seinem Sohn zu, nahm einen tiefen Schluck aus dem kunstvoll gegossenen bronzenen Becher und schaute schließlich seinen ältesten Sohn voller Erwartung an, und nicht ohne Stolz. Und ein zweites Mal berichtete Tiberius also von seiner Fahrt, von den Verhandlungen und von der ägyptischen Herrscherin. Tiberius verstand es, sehr lebhaft zu erzählen und so kam es, daß bald sich der gesamte Hausstand versammelt hatte. Tiberius stand in der Mitte des Atriums, nahe des steinernen Beckens zum Auffangen des Regenwassers und erzählte mit weit ausholender Gestik alle Abenteuer, die er bestanden hatte. Denn er wußte, über die politischen Ergebnisse war sein Vater schon längst informiert. Hier und jetzt ging es um das familiäre. Und so erwähnte er auch einmal mehr als es schlau war die ägyptische Herrscherin, denn sein Herz brannte. Schließlich, als er geendet hatte, und sich Familie und Sklaven wieder ihrer täglichen Arbeit zugewandt hatten, erhob sich sein Vater, schritt auf Tiberius zu.
„Gehen wir in den Hortus“ sprach Janus und legte seinen rechten Arm um die Schulter seines Sohnes, mit leichtem Druck die Schritte in Richtung Garten lenkend.
„Mein Sohn, oft erwähntest Du diese Herrscherin, diese ägyptische Frau. Und ich habe Dich angesehen wenn Deine Worte von ihr berichteten. Ein Feuer in Deinen Augen, es war nicht zu übersehen. Wie war doch ihr Name gleich?“
„Hatschepsut, Tochter des Thutmosis“ antwortete Tiberius „nie erblickte ich eine Frau wie diese. Ihre Anmut sucht ihresgleichen, ihre Klugheit übertrifft die vieler Gelehrter unseres Volkes“.
„Soso" murmelte Janus, um dann in die Offensive zu gehen „Und Du liebst sie, Sohn?“
„Ja, Vater“ Tiberius blieb stehen, ergriff eine der Blüten. Eine gelbe war es, ähnlich der Farbe des Zeltes, ihres Zeltes, dort in der Wildnis, vor einigen Monaten.
„Und, Sohn, liebt sie auch Dich“ erkundigte sich Janus weiter.
„Sie schenkte mir einen Kuß, Vater, in meine offene Hand. Noch heute spüre ich wo ihre Lippen mich berührten.“ erwiderte Tiberius „wann immer ich an sie denke, spüre ich ihre Lippen in meiner Hand als wäre es eben wieder dieser Moment"
Seufzend lies sich Janus auf einer der steinernen Bänke nieder, senkte seine Hände in das nebenbei stehende kleine Becken mit klarem, kalten Wasser und verschaffte sich so etwas Kühlung. Obwohl es längst Herbst war und die Bäume ihr Kleid ablegten.
Schließlich sah er seinen Sohn an, lange, prüfend. Tiberius hielt dem Blick aber stand.
„So willst Du nun Rom den Rücken kehren, nach Ägypten gehen, zu ihr?“
Oh wie hatte Tiberius diese Worte ersehnt. „Ja, Vater, das will ich“
Tief einatmend stand Janus wieder auf, schritt den Weg weiter hinab zu dem Apfelbaum, der die Mitte des Gartens markierte. „Vor drei Wochen haben wir ihn abgeerntet. Die Frucht war süß und wohlschmeckend“ berichtete Janus, fast beiläufig. „Gehe in die Culina, vielleicht sind noch einige übrig für Deinen Proviant“ mit diesen Worten entlies er Tiberius, daß dieser seine Reisevorbereitungen treffen könne. Denn die Reise ging ja hauptsächlich gen Norden, so daß ein Warten auf den nächsten Frühling kaum notwendig erschien. Tiberius nachschauend, der sich in Richtung Küche zurückzog, wanderten seine Gedanken an Marcus, den jüngeren Bruder des Tiberius. Marcus war erst dreizehn, doch war es nun wohl an diesem, einmal den Sitz derer zu Macintus im Rat der Familien einzunehmen, wenn er selbst diese Aufgabe nicht mehr wahrnehmen würde können.
Tiberius aber zog noch in der selben Woche wieder aus Rom aus, mit einer kleinen Gefolgschaft, in Richtung der ägyptischen Hauptstadt, dem Sehnen seines Herzens entgegen.