Noch nie zuvor war sie mit solch gemischten Gefühlen nach Hause zurückgekehrt. Die in Troja herrschende bedrückende Stimmung konnte sie ihren Untertanen von den Gesichtern ablesen, als sie dieses Mal durch die Straßen zog. Viele schauten sie verängstigt oder auch hoffend an. Denn wer sollte die Situation sonst bereinigen können, wenn nicht sie?
Das Volk hat Angst vor dem, was noch kommen wird. Dabei waren die letzten Monate so erfreulich verlaufen. Ferons Beitritt zum Römischen Wirtschaftsraum, die Aussöhnung mit Mirtan und und das Abkommen mit Phönizien. Wobei auch letzteres einen gewissen Beigeschmack hinterließ und noch in Gold Peak die schlechten Nachrichten mit dem Tod ihres Schwiegervaters Sarapion ihren Lauf nahmen. Auf der Beerdigung in Konstantinopel erhielt sie dann auch noch die Hiobsbotschaft vom Zusammenbruch des Goldmarktes.
Die darauffolgenden Gegebenheiten waren noch gut in ihrem Gedächtnis geblieben. Ihr Gemahl Prometheus trank so viel, wie seit ihrer Hochzeit nicht mehr und sie befürchtete schon er würde irgendetwas peinliches machen, aber nichts dergleichen geschah. Er verhielt sich so ruhig, dass sie sich schon beinahe gewünscht hätte er würde etwas Aufsehenerregendes machen oder erzählen. Im Anschluss an die offiziellen Trauerfeierlichkeiten unterhielt sie sich noch mit dem neuen König Tremedius, der nicht minder vom Tod des Vaters betroffen war, als sein jüngerer Bruder, aber er versuchte gefasster zu reagieren. Schließlich ist er jetzt der König. Nun Prometheus war wirklich gut abgefüllt und sie musste ihn zusammen mit Sidon ins Bett tragen. Irri half ihr dabei ihn zu entkleiden und danach benötigte er noch mehr Aufmerksamkeit als Rhaenys. Die Kleine schlief überraschend schnell ein und sogar durch, was eher selten der Fall ist.
Vielleicht lag es auch am Klima. Prometheus hingegen lag trotz des vielen Weins die halbe Nacht hindurch wach und sie als liebende Ehefrau versuchte ihn so gut es ging zu trösten. In einer vergleichbaren Situation hätten sie wohl einfach Sex gehabt, aber nicht da. Eigentlich lag er nur in ihren Armen, sie strich ihm durchs Haar und sie erzählten sich von ihren Vätern...
So verging ihre letzte Nacht in Byzanz und schon am darauffolgenden Morgen bestieg sie zusammen mit Rhaenys ihren Flieger nach Troja und Prometheus blieb zurück, um familiäre Dinge zu klären.
Nun, während Tremedius und Prometheus etwas versäumte gemeinsame brüderliche Zeit nachholten, konnte sie sich wieder mit den Ratssitzungen herumschlagen und dieses Mal ging es um eine äußerst heikle Angelegenheit.
Varis wirkte zwar gelassen wie immer, aber Troilos und Antonius gerieten heftig aneinander, bis die Kaiserin schließlich eingriff und beide zur Raison brachte.
„Die Lage ist ernst, das wissen wir jetzt.“ schnaubte der römische Konsul.
„Und leider nicht so einfach zu lösen. Ihr könnt es machen, gewiss, aber der halbe Adel wird sich erheben.“
Dany blickte ihre Ratgeber ernst an.
„Haben wir Alternativen? Bevor ich so etwas drastisches beschließe, möchte ich erst einmal alles andere durchgehen.“
„Die Alternativen sind unser Problem.“ warf Baelisch ein.
„Die Entlassungen im Goldabbau sind nur der Anfang. Es werden noch weitaus mehr folgen.“
Anspannung machte sich in ihr breit.
„Wie viele?“ fragte Dany gereizt.
„Jedenfalls eine Zahl im zweistelligen Millionenbereich.“ Baelischs Stimme klang ungerührt, so als wäre dies eine bedeutungslose Zahl, aber keinesfalls entging ihm der Ernst der Lage.
Dany schlug die Hände über den Kopf zusammen.
„So viele, was können wir nur tun?“
„Leider herzlich wenig. Wir können nur die Folgen abfedern. Mittels sozialer Fürsorge.“
„Mit welchen Mitteln, werter Troilos?“ Baelisch schaute ihn herausfordernd an.
„Ihr seid der Meister der Münze, Ratsherr. Die Mittel zu beschaffen fällt in euren Aufgabenbereich.“
„Nun wir werden derzeit nur schwer an Kredite kommen. Selbst den Cuivinern dürfte das Geld nicht mehr so locker sitzen.“ Er fixierte mit seinen Blicken Antonius, der im Rat gewissermaßen der Tribun des einfachen Soldaten war.
„Aber wir könnten die Vorratskammern des Militärs etwas plündern und in Kasernen und Kastellen Schlafplätze für Obdachlose einrichten.“
„Seid ihr des Wahnsinns, ihr münzenzählender Linsenzähler?!?!“ Wie erwartet reagiert der Konsul auch hier ungehalten.
„Nun, es wäre wohl die beste Alternative und wir müssen den sozialen Frieden wahren, wenn wir nicht wollen, dass Pergamon sich wiederholt.“
Niemand wollte das, am allerwenigsten Dany. Heute morgen noch reagierte sie rasend vor Wut auf die Neuigkeiten aus Pergamon. Fürst Tysites hatte die streikenden Arbeiter tatsächlich von seinen Truppen auseinandertreiben lassen. Es gab zahlreiche Tote und Verletzte. Für dieses brachiale Vorgehen wollte sie ihn zur Befragung an den Hof zitieren, wo er ihr Rede und Antwort stehen und die Verantwortung für dieses Massaker übernehmen sollte. All ihre Ratgeber rieten von diesem Schritt ab, weil sie aufkeimende Revolten befürchteten, wenn mit dem Löwen von Pergamon ein Stabilitätsanker weggerissen wird. Also wurde er nur zu einer persönlichen Unterredung nach Troja geladen, ein Verfahren wird es hingegen nicht geben.
Aber er wird sich mir erklären müssen und ich werde dafür Sorge tragen, dass die Hinterbliebenen nicht alleine gelassen werden. Zumindest das kann ich noch tun... Sie fragte sich wirklich, warum selbst sie als Kaiserin defacto so wenig tun konnte, wenn es um mächtige Adlige ging.
„Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Greift zur Versorgung der Arbeitslosen auf Armeevorräte und Kapazitäten zurück.“
„Eine weise Entscheidung, euer Gnaden.“
Sie erhob sich und lief langsam den Ratstisch ab.
„Ich bin nur ein junges Mädchen und kann vieles noch gar nicht wissen. Dafür habe ich Ratgeber, Ratgeber wie euch. Erklärt mir, warum ihr das nicht habt kommen sehen?“ Sie überflog die ganze Runde und ließ ihre Blicke über jeden einzelnen von ihnen schweifen. Nachdem sich kollektives Schweigen breit machte, stellte sie ihre Frage erneut mit dem Zusatz, dass sie eine Antwort erwarte.
„Nun, lange Zeit war es so, dass wir die Goldnachfrage kaum bedienen konnten und deshalb unsere Kapazitäten stetig erweiterten. Dabei entging uns vor lauter Enthusiasmus der schleichende Nachfragerückgang, euer Gnaden.“ Natürlich brachte Troilos als erster den Mut auf ihr zu antworten. Obgleich er zuvor einen Becher Wein in einem Zug leerte.
„Auch schien es sehr verlockend mittels des hohen Goldoutputs unsere Staatsschulden abzubauen.“ Baelisch folgte damit Troilos' Beispiel.
„Gut mitgedacht und jetzt befindet sich mein Reich am Rande des Kollapses. Wie können wir das abwenden?“
„Nun, ich habe während eurer Anwesenheit einen Teil der Goldmünzen einziehen lassen und mit eurer Genehmigung würde ich diese Maßnahme ausweiten.“
„Das war doch das, was ich wollte. Warum geht ihr mich so an, ihr kl..“ Antonius schluckte die Worte hinunter, aber jedem einzelnen im Raum war es klar, was er sagen wollte. -...kleiner Zwerg- In der Tat ist Troilos nicht gerade der größte ihrer Ratgeber. Sogar sie überragte ihn und das auch ohne Absätze.
Sicherlich entging dem scharfen, wenn auch betrunkenen Verstand des Troilos nicht die angedeutete Schmähung
„Weil ihr Betonkopf von einem Landsknecht viel zu weit geht. 10 bis 20 % sind okay. Bei mehr wird der Adel rebellieren. 50 %, ihr wollt wohl das Reich mit Vollgas gegen die Wand fahren?!“ und er hatte wie immer eine gekonnte Replik auf Lager.
Die Farbe von Antonius Gesicht nahm eine rötliche Tönung an und Dany glaubte zu sehen, wie Dampf aus seinen Ohren aufstieg, aber er hielt sich zurück.
Zum Glück, sonst müsste ich ihn zu viel maßregeln für einen Tag.
Sie stützte sich auf der Tischplatte mit beiden Händen ab.
„Wir ziehen ein Viertel aller Goldmünzen ein. Unsere Edelleute müssen verstehen, dass es oberste Priorität hat den Zerfall unserer Währung zu stoppen.“
„Wir könnten die Auswirkungen etwas abmildern?“
Daenerys schaute ihn neugierig an. „Und wie Baelisch?“
„Mir kam da so eine Idee. In vielen Ländern fußt die Währung auf Banknoten, Papiergeld. Bisher weigerten wir uns entsprechendes als Zahlungsmittel zuzulassen, aber vielleicht sollten wir es doch tun und als Ausgleich den quasi-Enteigneten Banknoten ausstellen.“
Dany überlegte kurz, um abzuwägen.
„Was haben wir noch zu verlieren? Ich beauftrage euch alles Notwendige in die Wege zu leiten.“
„Euer Gnaden, ihr mögt an Jahren gemessen die Jüngste an unserer Tafel sein, aber eure Entscheidung beweist wieder einmal, dass unter eurem hübschen Kopf ein wacher Geist haust.“ Ein rastloser Geist würde es auch treffen. „Verzeiht mir, Baelisch. Heute bin ich nicht in Stimmung für Schmeicheleien. Sagt mir, was von Nöten ist?“ Sie wirkte genervt und konnte es kaum noch verbergen.
„Nun, wir werden eine kaiserliche Zentralbank gründen, die befugt ist Banknoten zu drucken und auch neues Münzgeld. Dann legen wir den Umtauschkurs fest, wobei wir uns da versuchen sollten an der cuivinischen Währung zu orientieren. Eine 10-Sesterzenbanknote, vom Wert der Silbermünzen hergeleitet wäre dann...“
„Wir haben verstanden, ihr habt viel zu tun.“ unterbrach Varis' hohe Stimme ihn.
„Aber warum prägen wir nicht gleich mehr Silbermünzen?“
„Ihr seid ein begnadeter Spion, aber die Finanzen überlasst besser mir. Momentan bleibt uns dank den stabilen bzw. steigenden Silber- und Kupferpreisen der völlige Währungszerfall erspart. Wenn wir jetzt anfangen die Menge an Silber- und Kupfermünzen erheblich zu erhöhen, entwerten wir auch sie. Der Genickbruch für unsere Währung. Papiergeld ist da die weitaus bessere Variante.“
„Ich habe vollstes Vertrauen in eure Fähigkeiten als Finanzexperte, werter Lord Baelisch. Euer Gnaden.“ Er wendet sich direkt an die Kaiserin.
„Abseits dieses Dramas um das liebe Gold habe ich auch ein unwichtiges Thema zur heutigen Sitzung beizutragen.“
„Fahrt fort, Varis. Ich bin mir fast sicher, dass ihr mich nicht mit Belanglosigkeiten belästigen würdet.“ Dany wollte schon ihre Augen verdrehen.
„In Akmora haben sie die ersten Verdächtigen festgenommen die wohl auch in den Giftanschlag auf euch und euer Kind verwickelt sind oder zumindest Verbindungen zu den Verantwortlichen haben. Die akmorischen Behörden ersuchen uns um eine enge polizeiliche Zusammenarbeit zur vollumfänglichen Aufzuklärung des Falles.“
Sie ballte die Finger ihrer rechten Hand zur Faust zusammen.
„Sichert ihnen jegliche Unterstützung zu und sorgt dafür, dass die Schweine endlich zu mir gebracht werden.“ Sie werden die Gnade des Drachen kennen lernen.
„Ich habe schon alles wichtige und wohl auch unwichtige an die Akmor weitergeleitet. Außerdem befinden sich Agenten eures Geheimdienstes bereits in Gesprächen mit Baron Thagira. Dem Chefermittler.“
„Ich habe mir schon gedacht, dass ihr so vorausschauend gehandelt habt.“
Danach gab es nicht mehr viel zu besprechen und schließlich endete auch diese Sitzung, aber leider noch nicht Danys Arbeitstag. Zusammen mit Troilos ging sie all die Berichte und Dokumente durch, die sich in ihrer eigentlich nur kurzen Abwesenheit auf ihrem Schreibtisch gestapelt haben. Es dauerte bis in die Arbeitsstunden hinein, bis sie endlich fertig war und nach einem Besuch bei ihren Drachen, wobei ausgerechnet Drogon jagen war, konnte sie endlich etwas Zeit mit ihrer Tochter verbringen. Sie neben sich liegen zu haben und in ihre kleinen violetten Augen zu schauen, sie zu füttern und ihren Mund abzuwischen - das war alles was ihr diesen Tag noch einigermaßen erträglich machte. Es stimmt wirklich, dass Kinder selbst der unglücklichsten Frau etwas Freude in ihrem Leben bescheren können. Auch nachdem Rhaenys eingeschlafen war, stand Dany noch eine Zeitlang vor ihrer Wiege und betrachtete sie einfach nur.
Sie ist so süß. Jetzt noch ein heißes Bad und dann ins Bett Morgen erwartete sie ein straffes Programm. Vormittags und Nachmittags muss sie Hof halten und in Anbetracht der angespannten wirtschaftlichen Situation würden wohl viele Bittsteller mit dementsprechend gearteten Anliegen vor sie treten. Direkt im Anschluss steht die Einweihung des neuen Staatstheaters an, welches ihrem Willen nach auch für die unteren Schichten zugänglich sein soll und um 20 Uhr folgt dann die Eröffnung der diesjährigen imperialen Meisterschaften im Wagenrennen. Vor allem letztere dienten auch zur Zerstreuung des einfachen Volkes.
Wie sagte Troilos immer? - Brot und Spiele halten die Masse bei Laune, andernfalls suchen sie sich Zerstreuung in dem sie unser einer umbringen. Obwohl diese Aussage von einem der wohl größten Hedonisten Trojas stammte, war sie nicht von der Hand zu weisen.