Militair-Konvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Württemberg vom 21 ./25. November 1870
Seine Majestät der König von Preußen im Namen des Norddeutschen Bundes und Seine Majestät der König von Württemberg, in der Absicht, die Bestimmungen der zwischen Ihnen vereinbarten Verfassung des Deutschen Bundes über das Bundeskriegswesen den besonderen Verhältnissen des Königreichs Württemberg anzupas-sen, haben Unterhandlungen eröffnen lassen und zu Ihren Bevollmächtigten ernannt
Seine Majestät der König von Preußen:
Allerhöchstihren Staats-, Kriegs- und Marineminister, General der Infanterie Albrecht von Roon;
Seine Majestät der König von Württemberg:
Allerhöchstihren Kriegsminister, General-Lieutenant Albert von Suckow,
von welchen Bevollmächtigten, nach Vorlegung und gegenseitiger Anerkennung ihrer Vollmachten, die nachstehende Militair-Konvention verabredet und geschlossen ist.
Art. 1. Die Königlich Württembergischen Truppen als Theil des Deutschen Bundesheeres bilden ein in sich geschlossenes Armeekorps nach der anliegenden Formation nebst der entsprechenden Anzahl von Ersatz- und Besatzungstruppen nach Preußischen Normen im Falle der Mobilmachung oder Kriegsbereitschaft.
Art. 2. Die hierdurch bedingte neue Organisation der Königlich Württembergischen Truppen soll in drei Jahren nach erfolgter Anordnung zur Rückkehr von dem gegenwärtigen Kriegsstand auf den Friedensfuß vollendet sein.
Art. 3. Von dieser Rückkehr an bilden, beginnend mit einem noch näher zu bestimmenden Tage, die Königlich Württembergischen Truppen das vierzehnte Deutsche Bundes-Armeekorps mit ihren eigenen Fahnen und Feldzeichen und erhalten die Divisionen, Brigaden, Regimenter und selbstständigen Bataillone des Armeekorps die entsprechende laufende Nummer in dem Deutschen Bundesheere neben der Nummerirung im Königlich Württembergischen Verbande.
Art. 4. Die Unterstellung der Königlich Württembergischen Truppen unter den Oberbefehl Seiner Majestät des Königs von Preußen als Bundesfeldherrn beginnt ebenfalls an einem noch näher zu bestimmenden Tage und wird in den bisherigen Fahneneid in der Weise aufgenommen, daß es an der betreffenden Stelle heißt:
„daß ich Seiner Majestät dem Könige während meiner Dienstzeit als Soldat treu dienen, dem Bundesfeldherrn und den Kriegsgesetzen Gehorsam leisten und mich stets als tapferer und ehrliebender Soldat verhalten will. So wahr mir Gott helfe.“
Art. 5. Die Ernennung, Beförderung, Versetzung u.s.w. der Offiziere und Beamten des Königlich Württembergischen Armeekorps erfolgt durch Seine Majestät den König von Württemberg, diejenige des Höchstkommandirenden für das Armeekorps nach vorgängiger Zustimmung Seiner Majestät des Königs von Preußen als Bundesfeldherr. Seine Majestät der König von Württemberg genießt als Chef Seiner Truppen die Ihm Allerhöchst zustehenden Ehren und Rechte und übt die entsprechenden gerichtsherrlichen Befugnisse sammt dem Bestätigungs- und Begna-digungsrecht bei Erkenntnissen gegen Angehörige des Armeekorps aus, welche über die Befugnisse des Armeekorps-Kommandanten, beziehungsweise des Königlich Württembergischen Kriegsministeriums hinausgehen.
Art. 6. Unbeschadet der dem Bundesfeldherrn gemäß der Bundesverfassung zustehenden Rechte der Disponirung über alle Bundestruppen und ihrer Dislocirung soll für die Dauer friedlicher Verhältnisse das Württembergische Armeekorps in seinem Verband und in seiner Gliederung erhalten bleiben und im eigenen Lande dislocirt sein; eine hiervon abweichende Anordnung des Bundesfeldherrn, sowie die Dislocirung anderer Deutscher Truppentheile in das Königreich Württemberg soll in friedlichen Zeiten nur mit Zustimmung Seiner Majestät des Königs von Württemberg erfolgen, sofern es sich nicht um die Besetzung Süddeutscher oder Westdeutscher Festungen handelt.
Art. 7. Über die Ernennung der Kommandanten für die im Königreiche Württemberg gelegenen festen Plätze, welche nach Art. 64 der Bundesverfassung dem Bundesfeldherrn zusteht, sowie über die Demselben gleichermaßen zustehende Berechtigung, neue Befestigungen innerhalb des Königreichs anzulegen, wird sich der Bundesfeldherr eintretenden Falls mit dem Könige von Württemberg vorher in Vernehmen setzen; ebenso wenn der Bundesfeldherr einen von Ihm zu ernennenden Offizier aus dem Königlich Württembergischen Armeekorps wählen will.
Um der Beurtheilung dieser Ernennungen eine Grundlage zu gewähren, werden über die Offiziere des Königlich Württembergischen Armeekorps vom Stabsoffizier aufwärts alljährlich Personal- und Qualifikationsberichte nach Preußischem Schema aufgestellt und Seiner Majestät dem Bundesfeldherrn vorgelegt.
Art. 8. Zur Beförderung der Gleichmäßigkeit in der Ausbildung und dem inneren Dienst der Truppen werden nach gegenseitiger Verabredung einige Königlich Württembergische Offiziere je auf 1-2 Jahre in die Königlich Preußische Armee und Königlich Preußische Offiziere in das Königlich Württembergische Armeekorps kommandirt.
Hinsichtlich etwa wünschenswerther Versetzung einzelner Offiziere aus Königlich Württembergischen Diensten in die Königlich Preußische Armee oder umgekehrt haben in jedem Spezialfalle besondere Verabredungen stattzufinden.
Art. 9. Der Bundesfeldherr, welchem nach Artikel 63 das Recht zusteht, sich jederzeit durch Inspektionen von der Verfassung der einzelnen Kontingente zu überzeugen, wird die Königlich Württembergischen Truppen alljährlich mindestens einmal entweder Allerhöchstselbst inspiziren, oder durch zu ernennende Inspekteure, deren Personen vorher Seiner Majestät dem Könige von Württemberg bezeichnet werden sollen, in den Garnisonen oder bei den Übungen inspiziren lassen.
Die in Folge solcher Inspizirungen bemerkten sachlichen und persönlichen Mißstände wird der Bundesfeldherr dem Könige von Württemberg mittheilen, welcher Seinerseits dieselben abstellen und von dem Geschehenen alsdann dem Bundesfeldherrn Anzeige machen läßt.
Art. 10. Für die Organisation des Königlich Württembergischen Armeekorps sind - so lange und insoweit nicht auf dem Wege der Bundesgesetzgebung anders bestimmt wird - die derzeitigen Preußischen Normen maaßgebend.
Es kommen demgemäß in dem Königreiche Württemberg, außer dem Norddeutschen Gesetz - über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 9. November 1867, nebst der dazu gehörigen Militair-Ersatzinstruktion vom 26. März 1868, insbesondere alle Preußischen Exerzier- und sonstigen Reglements, Instruktionen und Reskripte zur Ausführung, namentlich die Verordnung über die Ehrengerichte vom 20. Juli 1843, die für Krieg und Frieden gegebenen Bestimmungen über Aushebung, Dienstzeit, Servis-, Verpflegungs- und Invalidenwesen, Mobilmachung u.s.w., über den Ersatz des Offizierkorps und über das Militair-Erziehungs- und Bildungswesen.
Ausgenommen sind von der Gemeinsamkeit in den Einrichtungen des Königlich Württembergischen Armeekorps mit denjenigen der Königlich Preußischen Armee:
die Militair-Kirchenordnung, das Militair-Strafgesetzbuch und die Militair-Strafgerichtsordnung, sowie die Bestimmungen über Einquartierung und Ersatz von Flurbeschädigungen, worüber in dem Königreiche Württemberg die derzeit bestehenden Gesetze und Einrichtungen vorerst und bis zur Regelung im Wege der Bundesgesetzgebung in Geltung verbleiben.
Die Gradabzeichen, sowie die Benennungen und der Modus der Verwaltung sind in dem Königlich Württembergischen Armeekorps dieselben wie in der Königlich Preußischen Armee. Die Bestimmungen über die Bekleidung für das Königlich Württembergische Armeekorps werden von Seiner Majestät dem Könige von Württemberg gegeben und es soll dabei den Verhältnissen der Bundesarmee die möglichste Rechnung getragen werden.
Art. 11. Im Falle eines Krieges steht von dessen Ausbruch bis zu dessen Beendigung die obere Leitung des Telegraphenwesens, soweit solches für die Kriegszwecke eingerichtet ist, dem Bundesfeldherrn zu.
Die Königlich Württembergische Regierung wird bereits während des Friedens die bezüglichen Einrichtungen in Übereinstimmung mit denjenigen des Norddeutschen Bundes treffen, und insbesondere bei dem Ausbau des Telegraphennetzes darauf Bedacht nehmen, auch eine der Kriegsstärke Ihres Armeekorps entsprechende Feldtelegraphie zu organisiren.
Art. 12. Aus der von Württemberg nach Artikel 62 der Bundesverfassung zur Verfügung zu stellenden Summe bestreitet die Königlich Württembergische Regierung, nach Maaßgabe des Bundeshaushalts-Etats, den Aufwand für die Unterhaltung des Königlich Württembergischen Armeekorps, einschließlich Neuanschaffungen, Bauten, Einrichtungen u.s.w. in selbstständiger Verwaltung, sowie den Antheil Württembergs an den Kosten für die gemeinschaftlichen Einrichtungen des Gesammtheeres - Central-Administration, Festungen, Unterhaltung der Militairbildungs-Anstalten, einschließlich der Kriegsschulen und militairärztlichen Bildungs-Anstalten, der Examinations-Kommissionen, der militairwissenschaftlichen und technischen Institute, des Lehrbataillons, der Militair- und Artillerie-Schießschule, der Militair-Reitschule, der Central-Turnanstalt und des großen Generalstabs. Ersparnisse, welche unter voller Erfüllung der Bundespflichten als Ergebnisse der obwaltenden besonderen Verhältnisse möglich werden, verbleiben zur Verfügung Württembergs.
Das Königlich Württembergische Armeekorps partizipirt an den gemeinschaftlichen Einrichtungen und wird im großen Generalstabe verhältnismäßig vertreten sein.
Art. 13. Die Zahlung der von Württemberg nach Artikel 62 der Bundesverfassung aufzubringenden Summe beginnt mit dem ersten Tage des Monats, welcher auf die Anordnung zur Rückkehr der Königlich Württembergischen Truppen von dem Kriegszustande auf den Friedensfuß folgt. In den Etat und die Abrechnung des Bundesheeres tritt das Königlich Württembergische Armeekorps jedoch erst mit dem 1. Januar 1872 ein.
Während der im Artikel 2 verabredeten dreijährigen Übergangszeit wird für den Etat des Königlich Württembergischen Armeekorps die Rücksicht auf die, in dieser Periode zu vollziehende neue Organisation maaßgebend sein, und zwar sowohl in Beziehung auf die in Ansatz zu bringenden Beträge, als auch in Beziehung auf die Zulässigkeit der gegenseitigen Übertragung einzelner Titel und der Übertragung gleichnamiger Titel aus einem Jahre ins andere.
Art. 14. Verstärkungen der Königlich Württembergischen Truppen durch Einziehung der Beurlaubten, sowie die Kriegsformationen derselben und endlich deren Mobilmachung hängen von den Anordnungen des Bundesfeldherrn ab. Solchen Anordnungen ist allezeit und im ganzen Umfange Folge zu leisten. Die hierdurch erwachsenden Kosten trägt die Bundeskasse; jedoch sind die Königlich Württembergischen Kassen verpflichtet, insoweit ihre vorhandenen Fonds ausreichen, die nothwendigen Gelder vorzuschießen.
Art. 15. Zur Vermittelung der dienstlichen Beziehungen des Königlich Württembergischen Armeekorps zu dem Deutschen Bundesheer findet ein direkter Schriftwechsel zwischen dem Königlich Preußischen und dem Königlich Württembergischen Kriegsministerium statt und erhält letzteres auf diese Weise alle betreffenden zur Zeit gültigen oder später zu erlassenden Reglements, Bestimmungen u.s.w. zur entsprechenden Ausführung.
Nebendem wird die Königlich Württembergische Regierung jederzeit in dem Bundesausschuß für das Landheer und die Festungen vertreten sein.
Art. 16. Die gegenwärtige Konvention soll nach erfolgter Genehmigung durch die legislativen Organe ratifizirt und es sollen die Ratifikations-Urkunden gleichzeitig mit den Erklärungen über die Ratifikation der am heutigen Tage vereinbarten Verfassung des Deutschen Bundes in Berlin ausgetauscht werden.
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten die gegenwärtige Konvention in doppelter Ausfertigung vollzogen und untersiegelt.
So geschehen Hauptquartier Versailles, den 21. November 1870 / Berlin, den 25. November 1870
gez. v. Roon
v. Suckow