Nein, glücklich sahen sie ganz und gar nicht aus. Vielmehr wirkten sie wie... tot. Und erinnerten dadurch Felb an das, was ihm schwer auf der Seele lastete. Er legte seine Handfläche gegen den Stein und holte tief Luft. Eine bessere Gelegenheit würde sich wohl nicht mehr bieten - wenn sie Erfolg hatten, und er recht, wenn nicht.
„Ich liebe dich Norayk“, sagte der junge Lichtschmied unvermittelt ohne sich ihr zuzudrehen. „Aber - liebst du mich auch?“
Die Schattenfrau trat von hinten an ihn heran und legte ihre Hand zärtlich auf seine. „Ist das wichtig?“ So sanft ihre Berührung auch war, so sehr traf ihn diese Gegenfrage. „Nun, für mich schon“, stellte er leise fest. Er hörte die Schattenfrau in seinem Rücken seufzen: „Du bist auf jeden Fall etwas Besonderes, Felb.“
„Was soll das denn bedeuten? Liebst du mich, oder nicht, Norayk?“ Felbs Antwort fiel schärfer aus, als er beabsichtigt hatte und er biss sich auf die Zunge. Die Schattenfrau blieb ihm weiterhin eine Antwort schuldig, ließ ihre Hand aber noch eine Weile auf seiner liegen, sodass
die Perlenkette um ihr Handgelenk matt vor seinen Augen glitzerte. Sie hatte eine neue Perle aufgeschnürt, stellte er fest. Ein schwarzer Turmalin, den sie noch nicht getragen hatte, als er sich in sie verliebt hatte. Damals, im Zelt. Er wirkte geradezu winzig neben dem großen, grauen Hämatit, der auch die übrigen Steine an Größe weit überragte. Ein grob geschliffener - Riese!
Der Schrecken lähmte einige Augenblicke lang seinen Verstand. Endlich löste er seinen Blick von den Perlen, befreite seine Hand und starrte Norayk an. „Hast du... hast du vielen gezeigt, was du mir gezeigt hast?“ Seine Stimme zitterte, überschlug sich wie die eines aufgeregten Kindes und er hasste sich für seine weinerliche Reaktion. Außerdem wusste er nicht, ober die Antwort wirklich hören wollte.
Auch Norayk zog ihre Hand zurück. „Nicht so vielen“, meinte sie und schüttelte die Hand, wodurch die Steine an ihrem Armband leise gegeneinander klapperten. Eine Träne stahl sich in Felbs Augenwinkel und er drehte sich um, damit sie es nicht sehen konnte. „Es tut mir leid, Felb, ich wollte...“
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter, wollte ihn zu sich drehen, aber er schüttelte sie ab und blickte stur geradeaus zur Wand. Es war naiv gewesen, zu glauben, dass gerade er...
„Wenn du älter bist, wirst du verstehen. Dann wirst du es sein, der...“
„Schon gut!“, unterbrach er sie unwirsch, versuchte, sich nichts anmerken lassen. Keine Tränen! Nur gegen das Zittern seiner Stimme konnte er nichts ausrichten. „Wir haben Wichtigeres zu erledigen!“, entschied er und trat von der Wand weg. Ganz Sonnweiler hing von ihrem Erfolg ab. Zumindest dort würde er Leute finden, die ihn brauchten. Und denen er mehr als einen schwarzen Turmalin bedeutete.
„Du hast recht“, sagte Norayk. „Lass uns reden, wenn wir das hier erledigt haben.“
Sie wandte sich ebenfalls von den Kritzeleien ab, um stattdessen die Höhlenwände nach kleinen Spalten und Vorsprüngen abzusuchen, entlang derer sie später nach oben zum Stein klettern konnte.
„Wie viel Zeit bleibt uns noch?“, fragte sie über die Schulter. Felb schluckte weitere Tränen herunter und prüfte kritisch den Zeitsack. „Zeit für dich die Käfer zu holen“, entgegnete er mit gepresster Stimme, „und für mich, um mich mit Toriphor auf den Weg zu machen.”