Wow, Mongke. 3 Kapitel in weniger als 24 Stunden...das ist wohl dein aktueller Rekord!
Dabei gibt es bei deinem gestrigen Kapitel 32 noch so viel Erwähnenswertes. Wir lasen das Lied des Mose in Kapitel 32. Gerade die Lieder im alten Testament gehören laut Gelehrtenmeinungen oft zu den ältesten Passagen der Bibel. Einige von Ihnen entstanden wohl bereits vor der Zeit schriftlicher Aufzeichnungen, wie viele vermuten. Dazu gehört zb auch das Deboralied aus Richter Kapitel 5.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/DeboraliedZitat von Wiki
Und auch das Lied des Mose enthält viele Erinnerungen aus älterer Zeit. Sehen wir uns nur einmal einige interessante Passagen aus dem Lied genauer an:
Hier wird uns also in einem alten Volkslied überliefert dass der Gott Israels, oder wie das Volk hier sogar genannt wird "Jeschurun" (womöglich eine sehr alte (ehrenvolle) Bezeichnung für Israel lt. Bibelwissenschaft.de) ) von einem Gott, der hier "Der Fels" genannt wird gefunden und geführt wurde. Das sind eigentlich etwas seltsame Gedanken für heutige Bibelleser, die ja eigentlich die Endfassung des Pentateuchs mit den Schöpfungsberichten kennen. Ist der Gott Israels denn nicht JHWH, derselbe der auch die ganze Welt erschaffen hat? Der einzige Gott den es laut der monotheistischen Religion der Juden nur gibt? Wieso wird hier davon berichtet, dass er das Volk in der Wüste fand, und es damit dann sein Erbbesitz wurde? Wie kann der Herr der Welt oder des Universums überhaupt einen Erbbesitz erhalten oder verlangen? Gehört ihn nicht sowieso alles...auch alle Völker und Menschen der Erde? Kein fremder Gott half ihm dabei? Gibts im jüdischen Monotheismus überhaupt andere Götter?
Fragen über Fragen die in christlichen aber auch jüdischen Ohren seltsam klingen. Erschwerend kommt hinzu dass hier die Übersetzung sehr problematisch ist. Tatsächlich gibt es zb für den Vers 8 beinahe in jeder Bibelübersetzung eine andere Deutung des Originaltextes.
In Mongkes Übersetzung lasen wir:
Ist das aus der Lutherbibel, Mongke?Zitat von Mongke Khan
Sehen wir uns den selben Text doch einmal in verschiedenen deutschen Bibelübersetzungen an:
Zitat von Hoffnung für AlleZitat von Gute Nachricht BibelZitat von EinheitsübersetzungQuelleZitat von Einheitsübersetzung - ältere Fassung
Die ersten 3 Übersetzungen enstammen der Seite: https://www.bibleserver.com/EU/5.Mose32%2C8, die letzte habe ich unter der genannten Quelle gefunden.
Was fällt auf? Der Text ist deutlich unterschiedlich übersetzt worden. Klar ist nur irgendwo, dass der "höchste Gott" das Land für die Völker verteilt hat zu Anbeginn. Aber wer hat sie erhalten? Während viele Übersetzungen auf den massoretischen Text oder die Septuaginta zurück gehen, wo von den "Söhnen Israels" gesprochen wird, bezieht man sich darauf. Es gibt aber noch andere Quellen, die von vielen Gelehrten als älter eingeschätzt werden, wie zb die Schriftrollen vom toten Meer, und einigen anderen Fundstücken, und dort wird alternativ von den "Söhnen EL´s" gesprochen. Und EL ist ja die nordisraelitische Version des Gottesnamens. Wir erinnern uns, es gab schon zu Beginn der Bibel in 1. Mose zwei verschiedene Schöpfungsgeschichten. In der einen wird EL als Schöpfer genannt (heute als Gott übersetzt) und in der 2ten wird er im alten Text JHWH (heute mit HERR übersetzt) genannt. Darüber hinaus war EL aber auch der Hauptgott des kanaanitischen Pantheons. Dort wird von einem Hauptgott EL berichtet, der 2 Götter-Frauen hatte, und mit diesen 70 Söhne zeugte. Interessanterweise nennt die Bibel 70 Völker die aus Noahs Nachkommen entstanden. Der kanaanitische Gedanke dahinter ist also womöglich dass der höchste Gott EL (in den alten Schriftrollen EL Eljon genannt) die Völker der Welt an seine 70 Göttersöhne weiter gibt. Jeder Sohn erhält ein Erbteil in Form eines Volkes. Dieser Gedanke spiegelt sich auch noch oft in der Bibel. Selbst in der christlichen Offenbarung des Johannes wird von Engeln oder Dämonen berichtet, die die Fürsten der Völker wären. Selbst der Prophet Daniel (Daniel 12,13) berichtet einmal dass er vom Engels/Dämomenfürsten der Perser aufgehalten wurde, aber der Engel Michael als Fürst der Israeliten/Juden ihm zuhilfe gekommen wäre.
Man sieht also woher dieses alte Gedankengut kommt. Es ist schon im alten Moselied tief verwurzelt. Natürlich war diese Auslegung, den späteren jüdischen Monotheisten unangenehm. Wer davon berichtet dass nur 1 Gott alles geschaffen hat, und über die Welt herrscht, und das Volk Israel im Besonderen beschützt, der möchte keine anderen Götter, ja noch nicht einmal Engel (die ja auch als Söhne des JHWH galten) als Fürsten der Völker anerkennen. Deswegen wurde der ältere Text irgendwann schon einige Jahrhunderte vor Chr. von "Söhne EL´s" in "Söhne Israels" umgeschrieben. Dennoch haben aber anscheinend manche Schreiberschulen und religiöse Gruppen, wie zb die Essener diese ältere Fassung bewahrt. Und so ist diese alternative Fassung auch an uns überliefert worden. Sieht man sich die zahlreichen Fussnoten bei den einzelnen Übersetzungen an, wird man sehr deutlich darauf gestossen.
Zitat von Fußnote der Einheitsübersetzung zu 5. Mose 8Zitat von Fußnote der Gute Nachricht Bibel
Liest man sich das ganze Lied durch, macht natürlich die ältere Fassung viel mehr Sinn. Ein Hauptgott, oder der Göttervater EL verteilt die Völker an seine Söhne. Der Sohn EL´s JHWH nimmt sich das Volk Jeschurun aus der Wüste, und behütet es wie seinen Augapfel, und führt es zu großem Reichtum. Dann als Jeschurun fett wird, vergisst es seinen Gott. Womöglich wurde der Gott Jeschuruns in diesem alten nordisraelitischen oder sogar kanaanitischen Lied nur "der Fels" genannt. Die Gleichsetzung mit JHWH könnte bereits eine Erklärung der deutoromistischen Schreiber sein. Das Lied war zumindest so alt, dass man es nicht unter den Tisch fallen lassen konnte. Es war womöglich seit langer Zeit als Ursprung der eigenen Gottheit des Volkes überliefert.
Interessanterweise hatte man im Nordreich Israel ja auch immer nur "EL" angebetet. JHWH war die Bezeichnung des Gottes des Südreichs Juda. Der seit dem 1400 Jahrhundert v. Chr. bekannte Gott EL aus Kanaan und den ugaritischen Texten beschreibt den Gott EL als einen freundlichen Gott, mit dem Aussehen eines Stieres. Es gab sogar Bezeichnungen wie " freundlicher Stier-EL". Er galt auch als Schöpfer der Welt. Wenn dann die Bibel davon berichtet dass die nördlichen Brüder vom JHWH Glauben abgefallen wären, und deren erster König sogar zwei goldene Stiere oder Kälber zur Anbetung aufstellen ließ, dann erkennt man hier schon sehr deutlich dass womöglich der alte Glaube des Nordreiches Israel stärker kanaanitisch geprägt war, als dies der Pentateuch anerkennen will.
Zumindest gibt das Mose-Lied ein beredtes Zeugnis darüber, dass der Monotheismus nicht schon immer der Glaube der Israeliten war. Es gab henothistische oder gar polytheistische Vorformen in Israel. Auch die archäologisch ausgegrabenen vielen großbusigen Göttinen-Figurinnen zeigen deutlich auf, dass es zusätzlich auch einen Glauben an Mutter-Gottheiten gegeben haben muss. Oder die gefundene Schrift: "JHWH und seine (Frau) Aschera". Es ist also nur eine Darstellung, frühestens aus der Zeit der Könige Hiskias oder Josias im 7. Jahrh. v. Chr. (die in Form des Deuteronomiums behauptet) die Israeliten wären seit der Zeit Mose im 15/14 Jhr v. Chr. bereits Monotheisten unter JHWH gewesen. Viele Teile der ersten 4 Bücher Mose und der Abschluss des 5. Buches Mose sind vermutlich sogar erst im babylonischen Exil entstanden. Nicht wenig Gelehrte heute halten sogar die persische Zeit danach als möglich für den Abschluss des Pentateuch. Zumindest muss er aber in der Zeit der Schaffung der ersten Übersetzung der Juden ins Griechische fertig gewesen sein. Die Anfänge der Septuaginta werden auf 250 v. Chr datiert. Spätestens da sollte die heutige Form des Pentateuch kanonisiert gewesen sein, und unseren heutigen Text enthalten. Zumindest den bekannten Septuaginta-Text.
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Es gibt auch mehrere alte Bibel-Psalmen die ebenfalls massiv darauf hinweisen, dass JHWH nicht schon immer der höchste Gott im Pantheon war.
Z.B. der berühmte Psalm 82:
Gottes Gericht über die Götter
1 Ein Psalm Asafs. Gott steht auf in der Gottesversammlung, inmitten der Götter hält er Gericht. 2 Wie lange noch wollt ihr ungerecht richten und die Frevler begünstigen? [Sela] 3 Verhelft zum Recht den Geringen und Waisen, dem Elenden und dem Bedürftigen schafft Gerechtigkeit! 4 Befreit den Geringen und Armen, entreißt sie der Hand der Frevler! 5 Sie erkennen nicht, verstehen nichts, sie wandeln umher in Finsternis. Alle Grundfesten der Erde wanken. 6 Ich habe gesagt: Ihr seid Götter, ihr alle seid Söhne des Höchsten. 7 Doch nun sollt ihr sterben wie Menschen, sollt stürzen wie einer der Fürsten. 8 Steh auf, Gott, und richte die Erde! Denn alle Nationen werden dein Erbteil sein.Hier erklärt der Psalmschreiber/dicher dass sein Gott (JHWH) nun endlich auch die Völker der anderen Götter übernehmen soll, da diese ihre Völker nicht gerecht führen oder richten. Deren Götter (seine Brüder, als Söhne des Höchsten Gott EL) würden nichts erkennen und verstehen ...deshalb sollten sie sterben wie die bereits sterblichen Menschen. Der letzte Satz ist ein Wunsch des Schreibers an seinen Gott für die Zukunft "...alle Nationen werden dein Erbteil sein".Zitat von Fußnote zu Vers 1 aus der "Gute Nachricht Bibel"