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Thema: Fragen zur Geschichte

  1. #826
    Ignoriert Mauern Avatar von Argonir
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    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Das ist halt einfach falsch. Zum einen sorgte Hannibals ungestörtes Herumziehen für zunehmende Unzufriedenheit (freundlich formuliert) bis Panik bei den Römern, zum anderen begann er systematisch Rom versorgungstechnisch in die Mangel zu nehmen.

    Die Initiative lag vollständig bei Hannibal. Interessanterweise begann sich gerade nach Cannae das Blatt zu wenden und die Römer begannen, den Krieg zu ihm zu tragen (Initiative ). Das war der Wendepunkt. Hannibal konnte seinen Vorteil nicht entscheidend genug nutzen. Und genau das war ja nun mein Kriterium.


    Ich möchte hier keinen Nebenschauplatz aufmachen, sondern mir fiel halt gerade sein Feldzug ein, weil Cannae zum geflügelten Wort bzw Doktrin des deutschen Generalsstab war. Quasi jeder Eroberungsplan bis 1945 fusste auf der Entscheidungsschlacht durch Einkesselung. Dass man jedoch gleichzeitig die "richtigen" Ziele und strategischen Nutzen daraus ziehen sollte, entging den Herren bei ihren feuchten Träumereien.
    Ach ich bin für den Nebenschauplatz ganz dankbar. Da bin ich auf sicherem Terrain, habe die wichtigsten Quellen und ein bisschen was an Sekundärliteratur gelesen. Zunächst würde mich interessieren, woher du dein Wissen über den Versorgungsmangel nimmst? Dafür haben wir keinerlei Anhaltspunkte, im Gegenteil, Hannibal hatte Probleme seine Truppen zu versorgen. Die Römer hatten die Seeherrschaft und konnten nach belieben Nahrungsmittel überall her schiffen. Hannibal konnte immer nur in einem recht kleinen Gebiet Zerstörungen anrichten, so dass der Verlust locker durch den Rest Italiens ausgeglichen werden konnte. Unzufriedenheit gab es natürlich, insbesondere weil Q. Fabius Maximus sich auf keine Schlacht einließ. Aber die Unzufriedenheit war in keinster Weise bedrohend, sprich die Bundesgenossen standen nach wie vor fest zu Rom. Und Q. Fabius Maximus konnte durch die Präsenz seines Heeres in der Nähe der Truppen Hannibals dessen Soldaten vom großflächigen Plündern abhalten, wodurch dessen Versorgung gefährdet war. Dazu konnte er Pässe verlegen und Hannibals Marschwege blockieren.
    Das Ergebnis war, das Hannibal nicht sonderlich gut darstand, als es zur Schlacht von Cannae kam. Diese war zwar von Hannibal gewünscht, aber die römische Seite hätte nie die Schlacht annehmen müssen. Hier allein eine Initative Hannibals zu sehen ist Unsinn. Die Schlacht bei Cannae drehte dann aber die Situation. Rom geriet in Panik und Verbündete vielen ab und wandten sich Hannibal zu.

    Das danach die Römer in die Initiative gingen und erst dadurch Hannibal schlugen ist Unsinn. Die Römer hatten ein unglaubliches Potential an Soldaten, auf das sie zurückgreifen konnten. Es war ihnen also leicht möglich an verschiedenen Orten gleichzeitig Krieg zu führen. Römische Truppen opperierten im kathagischen Spanien bereits seit Beginn des Krieges. Ein Krieg in Sizilien war vor dem Abfall von Syrakus schlicht nicht notwendig. Die Situation in Spanien und Sizilien hatte wiederum wenig Einfluss auf die Operationen Hannibals, die so oder so vom Nachschub abgeschnitten war. Erst als Africa selbst zum Kriegsschauplatz wurde, musste er abrücken.

    Die römische Strategie hatte wenig mit Initiative zu tun, sondern vielmehr mit der Erkenntnis, dass eine Feldschlacht gegen Hannibal immer riskant ist und das man dabei in Italien mehr riskiert, als wenn man sie wo anders schlägt. Dies wiederum lag daran, dass sich eine verlorene Feldschlacht in Italien stärker auf die Moral und die Treue der Bundesgenossen auswirkte, als wo anders.

    Hannibals Plan, jedenfalls soweit wir das heute rekonstruieren können, war nach Italien vorzudringen, die Bundesgenossen der Römer auf seine Seite zu ziehen und Rom zu einer Regionalmacht zu degradieren. Er ist damit grandios gescheitert und sein Übergang über die Alpen hat ihm nicht mehr gebracht als ein kleiner Überraschungserfolg. Die erst relativ frisch von Rom bezwungenen Kelten stellten sich zwar auf seine Seite, aber nicht die römischen Bundesgenossen.



    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Fehlende Aufklärung bzw Mittel dazu, schrieb ich ja. Übrigens gab entweder Jellicoe oder Beatty an, dass die deutsche Aufklärung der britischen hochüberlegen war (Zeppeline) und die so viel wert sei - leistungsmäßig - wie 5-6 Kreuzer. Diesen Vorteil besaßen die Deutschen durchgehend. Von daher ist deine Behauptung, hier hätten die Briten aufgeholt zu beweisen. Du schreibst halt einfach Käse, Dude Ebenso wurde die Hochseeflotte nach der Schlacht technisch grundüberholt bzw die neuen Schiffe der Bayernklasse waren einsatzbereit. Die deutschen Schiffe waren unterhalb der Wasserlinie grundsätzlich stärker gepanzert, ebenso die Decks. Hinzu kam, dass die britischen Granaten ohnehin nicht so durchschlagskräftig waren bzw dazu neigten, nicht erst nach dem Aufschlag zu detonieren, sondern beim Aufschlag. Das Kaliber ist nicht alles. Hier besaßen die Deutschen massive Vorteile. Gleichzeitig war auch die Feuerleittechnik der Hochseeflotte besser, sodass sie wesentlich weniger Zeit benötigten, um deckend zu schießen. Das sind alles so Faktoren, die man leider nicht bei ner rein mathematischen Vergleichsrechnung einbeziehen kann, sondern die sich erst beim tatsächlichen Einsatz zeigen. Und die Skagerakschlacht ging halt für die Briten nicht so toll aus. Es war auch kein Glück, wie du schreibst, sondern eine "Gefechtskehrtwendung". Dh die Hochseeflotte fuhr dieses Manöver 2 oder 3 mal. Das ist Können der Besatzungen.

    Ich schrieb nie, dass die Briten an die deutsche Seeaufklärung herankamen. Kamen sie nicht. Dafür konnten sie die deutschen Funksprüche lesen, was auch nicht ganz wertlos war. Und natürlich haben die Briten die Skagerrakschlacht analysiert und versucht Fehler auszumerzen. Beispielsweise hatten sie zu viel Munition an ungeschützten Orten gelagert, um eine hohe Feuerfrequenz der Geschütze sicher zu stellen. Das war ein Grund, warum die Deutsche Seite relativ große Wirkungstreffer erzielen konnte. Dies wurde im Anschluss an die Schlacht abgestellt.
    Klar hatten die deutschen ein leicht überlegenes Feuerleitsystem, bessere Durchschlagskraft und auch eine bessere Panzerung. Die Dreadnoughts der neuesten Generation waren aber nicht schlechter gepanzert. Dazu hatten die Britten die höhere Reichweite und vor allem viel, viel mehr Schiffe und sicher nicht die schlechteren Seeleute und sie wurden gegen Ende des Krieges von amerikanischen Verbänden unterstützt. Das Problem der Deutschen Flotte war, dass sie am Schluss feindliche Schlachtkreuzer im Verhältnis von fast 3:1 versenken hätten müssen, um wenigstens den Status quo zu wahren. Dazu hätte es dann doch äußerst günstige Bedingungen gebraucht. Klar hatten sie eine Chance, aber die war ziemlich gering.


    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Nicht ich, sondern Scheer redet davon. Du kannst kein englisch, dann brauchen wir das wohl auch nicht weiter zu diskutieren.
    Du schreibst das. Scheer redet nicht von einem günstigen Ausgang der Verhandlungen für das Reich, jedenfalls nicht in dem von dir zitierten Teil. Er war der Meinung, dass der Flottenverlust das Reich nicht sonderlich viel schlechter gestellt hätte, unter der Voraussetzung, dass man genügend feindliche Schiffe dabei mit versenkt hätte.
    Bitte weitergehen, es gibt hier nichts mehr zu lesen!

    Immortals sterben nicht

  2. #827
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    Zitat Zitat von Menelor Beitrag anzeigen
    Ich habe den Text abfotografiert und versuche mal so gut es geht die Argumente zusammenzufassen.

    Im Bezug auf die Äußerungen von Scheer: "Die Hervorhebung des moralischen Motivs der geplanten Operation bedeutete nicht, dass sie ohne strategisches Ziel gewesen wäre. Auch die Feststellung, dass der Flottenvorstoß keine kriegsentscheidende Wendung herbeiführen könne, schloss das strategische Ziel, die Entlastung der Landstreitkräfte, nicht aus. Eben wegen diesem Ziel stimmte die Oberste Heeresleitung dem geplanten Vorstoß zu."

    Im Bezug auf den Einsatzbefehl: "Der Angriff der Linienschiffe auf die flandrische Küste sollte die Engländer zum Auslaufen zwingen. Bis die Engländer die Deutschen stellen können, sollen sie von Minen und U-Booten angegriffen werden. Für den Fall, dass die englische Marine nicht angreift, war ein Nachstoßen nicht beabsichtigt. Für den Rückmarsch der deutschen Flotte in die verminte deutsche Bucht lag ein minenfreier Weg vor. -> Der Plan zielte also nicht auf ein Zusammenstoßen um jeden Preis und einen "ehrenvollen Untergang", vielmehr lag ein Plan für eine gesicherte Rückkehr vor."

    Im Bezug auf die Bewertung des Plans als Todesfahrt/ Fahrt zur Ehrenrettung: "Diese Ansicht stützt sich auf eine Meinungsäußerung, die außerhalb des Befehlsbereich gefallen ist. [Nach Meinung des Autors] stand bei dem Unternehmen zwei Bewegpunkte auf selber Stufe: Der strategische Gedanke sowie der Ehrenpunkt."

    Im Anschluss arbeitet er sich noch an der Meinung anderer Autoren ab, die bspw sagen, dass dieser die "äußerste Zuspitzung des preußischen Militarismus" sei. Außerdem stellt er fest, dass der Vorgang verfassungskonform gewesen sei, obwohl man sich in Waffenstillstandsverhandlungen befand.
    Ein interessanter und bedenkenswerter Standpunkt. Gibt der Autor auch Quellen an, denen man entnehmen kann, auf welche Weise der Angriff das Landheer hätte entlasten können? Und geht er irgendwie auf die von Flottenstabschef Adolf von Trotha verfassten "Überlegungen in ernster Stunde" vom 6. Oktober ein, in denen der Vorstoß ja vorgeschlagen worden ist?

    Zwei Thesen scheinen mir allerdings auf jeden Fall nur schwer haltbar: Erstens war der deutsche Angriff so konzipiert, dass die britisch-amerikanische Flotte sich auf jeden Fall zum Kampf stellen musste (ein Einfahren in die Themse konnte man ja nicht einfach akzeptieren) und zweitens hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit nicht direkt mit den Waffenstillstandsverhandlungen zu tun (da diese natürlich nicht in der Reichsverfassung niedergelegt waren). Es geht vielmehr darum, dass das Flottenoberkommando die Schlacht suchte, ohne die Reichsregierung um Erlaubnis zu bitten oder (soweit wir es aus den Quellen wissen) auch nur zu informieren.

  3. #828
    Moltkefan Avatar von Menelor
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    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Ein interessanter und bedenkenswerter Standpunkt. Gibt der Autor auch Quellen an, denen man entnehmen kann, auf welche Weise der Angriff das Landheer hätte entlasten können? Und geht er irgendwie auf die von Flottenstabschef Adolf von Trotha verfassten "Überlegungen in ernster Stunde" vom 6. Oktober ein, in denen der Vorstoß ja vorgeschlagen worden ist?
    Die Quellenangaben hab ich nicht fotografiert, ich muss also nochmal in die Uni dafür Kann ich aber morgen machen.

    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Zwei Thesen scheinen mir allerdings auf jeden Fall nur schwer haltbar: Erstens war der deutsche Angriff so konzipiert, dass die britisch-amerikanische Flotte sich auf jeden Fall zum Kampf stellen musste (ein Einfahren in die Themse konnte man ja nicht einfach akzeptieren) und zweitens hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit nicht direkt mit den Waffenstillstandsverhandlungen zu tun (da diese natürlich nicht in der Reichsverfassung niedergelegt waren). Es geht vielmehr darum, dass das Flottenoberkommando die Schlacht suchte, ohne die Reichsregierung um Erlaubnis zu bitten oder (soweit wir es aus den Quellen wissen) auch nur zu informieren.
    In der Tat, wenn man die Themsemündung attackiert hätte, wäre es wohl zwangsweise zum Kampf gekommen Noch mal ne kurze Nachfrage zu deiner Quelle, dem Befehl. Da steht, dass Themsemündung und die flanderische Küste attackiert werden sollen. Wie hab ich mir das denn vorzustellen? Sollte sich die Flotte aufteilen und beides gleichzeitg beschießen?
    Die Abhandlungen zur Verfassungsmäßigkeit habe ich ehrlich gesagt nicht wirklich genau gelesen, eher überflogen. Der Autor spricht dort über verschiedenste Generäle, Minister usw, die ich nicht kenne Da ist mein Erkenntnisgewinn eher gering

    Mein vorläufiges Fazit zur Beurteilung der Situation wäre dann wie folgt: Die deutschen Admiräle wollten ihre Flotte nochmal vor Kriegsende nutzen. Dies taten sie, um die Ehre der Marine zu erhalten (+ evtl vernünftige taktische Erwägungen). Der Begriff "Todesfahrt" ist aber unangebracht, da 1. eine Rückzugsroute für die Flotte vorhanden war, 2. in dem Befehl nicht davon die Rede ist, auf jeden Fall den Feindkontakt zu suchen, 3. der Schlachtplan nicht komplett unsinnig war.

    Kann man sich darauf einigen?

  4. #829
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Zitat Zitat von Menelor Beitrag anzeigen
    In der Tat, wenn man die Themsemündung attackiert hätte, wäre es wohl zwangsweise zum Kampf gekommen Noch mal ne kurze Nachfrage zu deiner Quelle, dem Befehl. Da steht, dass Themsemündung und die flanderische Küste attackiert werden sollen. Wie hab ich mir das denn vorzustellen? Sollte sich die Flotte aufteilen und beides gleichzeitg beschießen?
    Beschreibt er doch dezidiert: Zwei Kreuzerverbände lösen sich und erfüllen jeweils die Angriffe auf die Landziele, während die Schlachtflotte das deckt. Zur Schlacht mit den Briten sollte es dann dem Zeitplan nach vor der niederländischen Küste kommen. Scheer nahm es somit in Kauf, dass die Briten den Rückzug abschnitten. Die Gefahr sah er.

    3. der Schlachtplan nicht komplett unsinnig war.
    War er nicht. Er hatte klare Ziele, jedoch gab es in materieller Hinsicht zumindest auch nichts mehr zu verlieren. Von daher ist es sehr wohl wichtig, auch wenn Jon meint, es sei spekulativ, wie hoch die Chancen waren. Scheer schätzte sie als annehmbar bis gut ein. Wie er dazu kommt, dafür müsste man sowohl Vergleichsabläufe (Skagerak* bzw die Folgegefechte mit kombinierten Unter- und Überwassereinheiten) als auch die technischen Lehren und Nachbesserungen eruieren. Scheer war kein Verrückter und ich weiß auch nicht, ob Jon mit seiner Einschätzung, ihn im Zusammenhang mit der Dolchstoßlegende zu sehen, so konkret zu belegen ist.
    *) Ihr argumentiert nach wie vor viel zu sehr mit dem reinen Tonnagevergleich. Die Skagerakschlacht war für die Deutschen extrem ungünstig, was das Kräfteverhältnis auf dem Papier angeht. Trotzdem war sie am Ende für die Grandfleet eine Enttäuschung.

    @Argonir: Ich zitiere noch ein mal für dich und hebe den Zusammenhang mit den Wsffenstillstandverhandlungen für dich hervor:
    If the Fleet suffered losses, it was to be assumed that the enemy's injuries would be in proportion, and that we should still have sufficient forces to protect the U-boat campaign in the North Sea, which would have to be resumed if the negotiations should make imperative a continuation of the struggle with all the means at our disposal
    Wichtige Vokabeln:
    Negotiations: Verhandlungen, Struggle: Kampf, Continuation: Fortsetzung, Imperative: (zwingend) notwendig

    Wichtige Grammatik:
    If-Clauses
    Geändert von Des Pudels Kern (27. Juli 2017 um 00:54 Uhr)
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  5. #830
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    DPK: Scheer schätzte die Chancen des Vorstoßes keineswegs als hoch ein. Das ist eine Behauptung, die er erst zwei Jahre nach dem Krieg aufstellte, als es für seine politischen Zwecke dienlich war - insbesondere, weil er so der Lüge der Heeresleitung Futter zu geben hoffte, die Revolution habe die Niederlage ausgelöst (also die Dolchstoßlegende unterstützen konnte). Deshalb ist es eher entscheidend, Quellen heranzuziehen, welche im Krieg entstanden sind. Und ja, ich halte es tatsächlich für Zeitverschwendung, darüber zu phantasieren, wie eine solche Schlacht ausgegangen wäre. Deine (aus meiner Sicht) übertriebene Einschätzung der Leistungsfähigkeit deutscher Streitkräfte macht das Ganze zudem relativ sinnlos, weil du jede numerische Unterlegenheit - und sei sie noch so groß - in deiner Argumentation dadurch ausgleichst.

  6. #831
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Deshalb ist es eher entscheidend, Quellen heranzuziehen, welche im Krieg entstanden sind. Und ja, ich halte es tatsächlich für Zeitverschwendung, darüber zu phantasieren, wie eine solche Schlacht ausgegangen wäre. Deine (aus meiner Sicht) übertriebene Einschätzung der Leistungsfähigkeit deutscher Streitkräfte macht das Ganze zudem relativ sinnlos, weil du jede numerische Unterlegenheit - und sei sie noch so groß - in deiner Argumentation dadurch ausgleichst.
    Deine Argumentation ist doch quasi genauso, lediglich diametral gegenübergestellt. Du siehst die Gesamtlage und schließt daraus, dass man eine Todesfahrt machen wollte, weil sie - richtig - wohl keinen Effekt auf den Ausgang des Krieges gehabt hätte.
    Trotzdem kann man diese geplante Operation isoliert betrachten, natürlich im Kontext der Gesamtlage, aber eben isoliert hinsichtlich der Chancen und Einschätzungen - insbesondere der Zeitgenossen.

    Wie kommst du zu der Einschätzung, dass ich die Leistungsfähigkeit überschätze. Betrachtet man die Kräfteverhältnisse im Vorfeld, ists halt so, dass die Deutschen in allen Konflikten seit 1871 ziemlich effizient waren.
    Eine grobe Draufsicht lässt verwundern und gibt keine Antworten darauf. Von daher muss man ins Detail gehen, wenn man der Frage nachgehen möchte, wie eine ressourcenarme "Mittelmacht" eine so große Bedrohung für den Rest der Welt darstellen konnte in der ersten Hälfte des 20. Jh.
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  7. #832
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    Zitat Zitat von Menelor Beitrag anzeigen
    Die Quellenangaben hab ich nicht fotografiert, ich muss also nochmal in die Uni dafür Kann ich aber morgen machen.



    In der Tat, wenn man die Themsemündung attackiert hätte, wäre es wohl zwangsweise zum Kampf gekommen Noch mal ne kurze Nachfrage zu deiner Quelle, dem Befehl. Da steht, dass Themsemündung und die flanderische Küste attackiert werden sollen. Wie hab ich mir das denn vorzustellen? Sollte sich die Flotte aufteilen und beides gleichzeitg beschießen?
    Die Abhandlungen zur Verfassungsmäßigkeit habe ich ehrlich gesagt nicht wirklich genau gelesen, eher überflogen. Der Autor spricht dort über verschiedenste Generäle, Minister usw, die ich nicht kenne Da ist mein Erkenntnisgewinn eher gering

    Mein vorläufiges Fazit zur Beurteilung der Situation wäre dann wie folgt: Die deutschen Admiräle wollten ihre Flotte nochmal vor Kriegsende nutzen. Dies taten sie, um die Ehre der Marine zu erhalten (+ evtl vernünftige taktische Erwägungen). Der Begriff "Todesfahrt" ist aber unangebracht, da 1. eine Rückzugsroute für die Flotte vorhanden war, 2. in dem Befehl nicht davon die Rede ist, auf jeden Fall den Feindkontakt zu suchen, 3. der Schlachtplan nicht komplett unsinnig war.

    Kann man sich darauf einigen?
    Den Schlachtplan hat DPK ja schon kursorisch dargestellt. Im Grunde ging es darum, die britisch-amerikanische Flotte durch den Vorstoß an die englische Küste zum Auslaufen zu zwingen und so auf jeden Fall noch einen Kampf bestreiten zu können, möglichst an der als günstig angesehenen flandrischen Küste. Die Alternative, einen Vorstoß in Richtung Schottland und auf Meer hinaus zu wagen, wurde verworfen, weil die offene See die numerische Unterlegenheit möglicherweise noch verstärkt zur Geltung gebracht hätte.

    Natürlich ging es Reinhard Scheer (dem Oberbefehlshaber der Seekriegsleitung), Franz von Hipper (dem Oberbefehlshaber der Hochseeflotte) und Adolf von Trotha (dem Chef des Marinekabinetts) nicht darum, die deutsche Flotte zu versenken bzw. von den Briten versenken zu lassen. Insofern hast du völlig recht, wenn du den Begriff der "Todesfahrt" in historiographischer Sicht ablehnst.

    Worum es den Flottenkommandanten eigentlich ging, hat von Trotha schon Anfang Oktober in seinen "Überlegungen in ernster Stunde" erläutert, die am 8. 10. durch Scheer und von Hipper gebilligt wurden. Ich zitiere auszugsweise:

    3). So ist die Flotte durch den Ubootskrieg gebunden; ein Vorstoß der gesamten Hochseestreitkräfte, um einen Erfolg auf dem Wasser zu suchen, auch auf das Risiko des vollen Einsatzes hin, würde das Aufgeben der Grundlage für den U-Krieg bedeuten.

    4). Ein solcher Einsatz kommt daher nur in Frage:
    a. wenn der Gegner in die Deutsche Bucht oder in die Belte einbricht.
    b. wenn der Ubootskrieg völlig aufgegeben wird.
    c. wenn eine schwere Schädigung der englischen Seemacht mehr Vorteil für uns verspricht als die Weiterführung des U-Krieges oder
    d. unsere Flotte sonst einem schmachvollen Ende entgegengeht.

    5). Der Flotte steht ein solcher Schlußkampf als höchstes Ziel vor Augen, um nicht diesen Krieg beschließen zu müssen, ohne daß die in ihr steckende nationale Kraft voll zur schlagenden Wirkung gekommen ist.

    6). Aus einem ehrenvollen Kampf der Flotte, auch wenn er ein Todeskampf in diesem Kriege wird — wenn unser Volk nicht überhaupt national versagt — eine neue deutsche Zukunfts-Flotte hervorwachsen; einer durch schmachvollen Frieden gefesselten Flotte ist die Zukunft gebrochen.
    (Hervorhebung im Original)

    Um seine Gedankengänge zu verstehen, muss man die Vorkriegspolitik berücksichtigen. Die Flottenbaupolitik der Marineleitung, die auf große, den britischen Einheiten ebenbürtige Schlachtschiffe setzte, verursachte sehr hohe Kosten. Diese wurden teilweise durch den allgemeinen Reichsetat (neue Steuern und Schuldenaufnahme) aufgefangen, gingen zu einem guten Teil aber auch zu Lasten des preußischen Heeres, das deshalb nicht in einer ähnlichen Weise aufgerüstet werden konnte (erst 1912/13 bekam auch das Heer die geforderte Etaterhöhung, die von Moltke für unerlässlich hielt, um Russland begegnen zu können). Der Schlachtschiffbau war also auch innerhalb der "nationalen" Parteien nicht unumstritten. Zahlreiche Generale und auch einige Flottenoffiziere plädierten (ohne Erfolg) eher für den Bau von Kreuzern und anderen Einheiten, die einen Kaperkrieg führen konnten.

    Nun hatte das Heer im Krieg zweifellos seine Aufgabe erfüllt, auch wenn es im Herbst 1918 vor der Niederlage stand. Zahlreiche militärische Erfolge hatten insbesondere Hindenburg und Ludendorff zu regelrechten Volkshelden werden lassen und die Bedeutung des Heeres allen Deutschen vor Augen gestellt. Bei der Flotte war das völlig anders. Sie hatte eine einzige Schlacht geschlagen, die aber vor einer echten Entscheidung abgebrochen worden war. Die britische Blockade hatte sich als schwere Hypothek für die Kriegsführung des Reiches erwiesen, und die Schlachtflotte war nicht imstande gewesen, sie zu brechen. Größere Erfolge hatten einige Kreuzer und leichte Einheiten und vor allen Dingen die U-Boote verbuchen können. Damit hatte sich der Kaperkrieg als relativ wirksam erwiesen, während die Schlachtflotte bislang in strategischer Hinsicht wenig Nutzen gebracht hatte. Aus Sicht der Marineleitung bestand daher die Gefahr, dass die Reichsregierung in Zukunft ganz auf das Landheer und eine nur unterstützende Flotte leichter Einheiten setzen könnte. Wegen des Wertes der Flotte bei möglichen Friedensverhandlungen wollte insbesondere der Kaiser aber die Flotte nicht riskieren, bevor es nicht unbedingt erforderlich war. Da die Briten nicht versuchten, eine Blockade der Deutschen Bucht durchzuführen oder deutsche Häfen zu beschießen, kam dieser Zeitpunkt während des Krieges aber nicht, zumal man seit der (zweiten) Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges die Flotte brauchte, um eine Verminung der Häfen zu verhindern.

    Im Oktober 1918 war aber eine Gefahr aufgetaucht, mit der sich von Trotha in Punkt 4-6 auseinandergesetzt hatte: Ein Kriegsende ohne echten Einsatz der Schlachtflotte. Noch drängender wurde dies dadurch, dass in den Waffenstillstandsbedingungen der Entente und der USA vom 21. Oktober ausdrücklich die Auslieferung der Hochseeschiffe gefordert wurde. Zudem hatte die Regierung Max von Baden angekündigt, die Flotte und das Heer ziviler Kontrolle (also der Regierung statt dem Kaiser) zu unterstellen. Die Abstimmung im Reichstag war für den 29. 10. angesetzt und galt als Formsache, weil sie die meisten Fraktionen klar dafür ausgesprochen hatten (an diesem Tag wurden die Streitkräfte schließlich auch wie geplant der Regierung unterstellt). Es blieb also nicht mehr viel Zeit, weil allen drei führenden Marineoffizieren klar war, dass eine zivile Regierung eine solche "letzte Fahrt" niemals genehmigen würde. Soweit wir wissen, wurde aber auch der Kaiser nicht in den Plan eingeweiht (an der Stelle wird eben diskutiert, ob das ein kalkulierter Verfassungsbruch der Seekriegsleitung gewesen ist).

    Grund für den Flottenbefehl vom 24. 10. war also nicht, dass die SKL plötzlich eine Chance sah, die britische Flotte zu besiegen, die sie mehr als vier Jahre lang nicht erkannt hatte (was ja auch einigermaßen absurd wäre ), sondern dass es sich um die politisch letzte Chance handelte, die Flotte noch in dem Kampf zu führen. Natürlich hat von Hipper den aus seiner Sicht bestmöglichen Plan erarbeitet, der damals möglich war, aber die Entscheidung, die Schlacht zu suchen, war eben politisch und nicht militärisch bedingt. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass Scheer und seine Kameraden damals wirklich an einen Sieg glaubten. Alle diesbezüglichen Behauptungen stellten sie nach dem Kriegsende auf. In den bekannten Quellen aus dem Oktober wird immer nur darauf verwiesen, dass die Ehre der Flotte eine Schlacht erfordere.

    Nun kommen wir nochmals zum Begriff der "Todesfahrt". Wie gesagt, in der Geschichtsschreibung vermeidet man ihn eher, weil dies eine wertende Bezeichnung ist, die auch nicht der eigentlichen Intention der SKL entsprach. Man wollte die Flotte in ein letztes Gefecht und eben nicht in den Tod schicken. Die Matrosen - die den Begriff ursprünglich prägten - sahen das aber in ihrer Situation anders. Deutschland hatte bereits um einen Waffenstillstand gebeten und das Heer zog sich ständig zurück, zudem war Hindenburg entlassen worden. Trotz aller Geheimhaltungsversuche wurden Teile des Flottenbefehles auch den Matrosen bekannt. Anders als im Heer war das Verhältnis zwischen Offizieren und Mannschaften recht angespannt, zudem kursierten Gerüchte, einige Offiziere hätten sich unter Angabe fadenscheiniger Gründe von ihren Schiffen abgesetzt. Aus Sicht der Matrosen war also sehr wohl eine "Todesfahrt" geplant, also eine Fahrt, die den militärisch bedeutungslosen Tod vieler von ihnen zur Folge haben würde. Das war der Grund für die Meutereien auf einigen Schiffen, die schließlich das Auslaufen der Flotte um etwa eine Woche verzögerten. Da inzwischen die zivile Kontrolle über die Marine hergestellt worden war und die SKL bezweifelte, dass die Matrosen einen Befehl von Hippers oder Scheers ausführen würden, der von der Reichsregierung aufgehoben werden würde, brachen sie das geplante Unternehmen schließlich ab. Aus Sicht der Matrosen war der Begriff der "Todesfahrt" also nicht falsch, da zweifellos viele von ihnen den Tod gefunden hätten, ohne dass mit der Operation noch ein militärisches Ziel verbunden gewesen wäre.
    Geändert von Jon Snow (27. Juli 2017 um 16:48 Uhr)

  8. #833
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    Dazu muss man aber sagen, dass das Deutsche Reich im 1. WK nur ohne den Eintritt der USA überhaupt eine geringe Chance auf einen Sieg hatte. Weiterhin hatte das Deutsche Reich vor dem 1. WK das mit Abstand höchste BIP pro Kopf, was natürlich trotz der geringen Größe eine große Wirtschaftskraft bedeutete. Außerdem konnte man früh im Krieg die wichtigen Industreizentren mit Stahl- und Kohlevorkommen Belgiens und Frankreichs besetzen und so mehr Industriepotenzial zu besitzen. Auch das Eisenbahnnetz in Dutschland war sehr gut ausgebaut und man genoss deswegen (trotz der häufigen Fehlannahme, dass ein Zweifrontenkrieg nachteilig wäre) entscheidende Vorteile durch die Mittellage (schnelle Frontverlegungen; geschlossene Kommunikationsleitungen, die damals noch sehr wichtig waren mit dem unausgereiften Funk; wenige für U-Boote anfällige Konvois). Außerdem erwies sich der Fokus auf schwere Artillerie der deutschen Heeresleitung als richtig, da diese beinahe jede Schlacht entschied und für rund 75% der Gesamtverluste des Krieges verantwortlich war (Das Reich hatte zu Kriegsbeginn mehr schwere Artillerie als die gesmate Entente zusammen). Außerdem konnte das Reich erst durch die von Fritz Haber entwickelte Ammoniaksynthese überhauot erst seinen Nahrungsverbracuh im Winter 1914 erfüllen, ohne hätte es warscheinlich schon Hungersnöte gegeben. Das Zarenreich war außerdem infrastrukturell und technologisch zu Kriegsbeginn nicht auf der Höhe Frankreichs, Englands und Deutschlands. Außerdem konnte es seine massive Überlegenheit an Männern wegen der Revolutionsgefahr nur beschränkt einsetzen. Weiterhin haben die Technologien des ersten Weltkrieges massiv den Verteidiger begünstigt, dies änderte sich erst schrittweise mit der Artillerietaktik der Creeping Barrage, den Panzern und Sturmtruppen und dem besseren Einsatz von Lufteinheiten. Bezogen auf Lufteinheiten hatte das Reich auch wegen der Fokker, die als erste duch den Propeller schießen konnte, über ein Jahr eine deutlcihe Lufthoheit. Außerdem hatte man mit Mackensen und auf österreichischer Seite mit von Bonjar wohl die zwei besten Generäle des Krieges, die wichtige Siege bei der Offensive 1915 in Russland, bei den Unterwerfungen Serbiens und Rumäniens und den vielen Isonzoschlachten gegen die haushoch überlegenen Italienern errangen. Dies sind kurz zusammengefasst viele der Gründe, die dem Deutschen Reich derart gute Chancen gegen materiell, personell und an Landgebieten haushoch überlegene ( zu Beginn des Krieges war das Verhältinis bei Männern und Material 3:5 und es verschlechterte sich im Lauf des Krieges mit Beitritt anderer Nationen immer weiter.) Gegner verliehen. Letzendlich konnte aber all dies die absehbare Niederlage nur verzögern, die Chancen auf einen sieg waren selbst ohne die USA verschwindend gering.

  9. #834
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    Zitat Zitat von Des Pudels Kern Beitrag anzeigen
    Deine Argumentation ist doch quasi genauso, lediglich diametral gegenübergestellt. Du siehst die Gesamtlage und schließt daraus, dass man eine Todesfahrt machen wollte, weil sie - richtig - wohl keinen Effekt auf den Ausgang des Krieges gehabt hätte.
    Trotzdem kann man diese geplante Operation isoliert betrachten, natürlich im Kontext der Gesamtlage, aber eben isoliert hinsichtlich der Chancen und Einschätzungen - insbesondere der Zeitgenossen.

    Wie kommst du zu der Einschätzung, dass ich die Leistungsfähigkeit überschätze. Betrachtet man die Kräfteverhältnisse im Vorfeld, ists halt so, dass die Deutschen in allen Konflikten seit 1871 ziemlich effizient waren.
    Eine grobe Draufsicht lässt verwundern und gibt keine Antworten darauf. Von daher muss man ins Detail gehen, wenn man der Frage nachgehen möchte, wie eine ressourcenarme "Mittelmacht" eine so große Bedrohung für den Rest der Welt darstellen konnte in der ersten Hälfte des 20. Jh.
    Der Unterschied ist nicht, dass ich für den Begriff der "Todesfahrt" plädiere (im Gegenteil) und du nicht. Der Unterschied ist, welche Quellen wir verwenden. Du ziehst offenbar vor allen Dingen die Memoiren und öffentlichen Aussagen Scheers heran, die er nach dem Krieg verfasst hat. Ich neige eher dazu, die militärischen Quellen für glaubwürdig zu halten, die direkt im Umfeld des Vorstoßes entstanden sind, weil sie nicht durch spätere Interessen überformt sind. Im Nachhinein behaupten Generale und Admirale häufig, dass sie einen großartigen Siegesplan gehabt hätten, wenn man sie nur hätte entscheiden lassen. Wenn du all diese Rechtfertigungsschriften für bare Münze nimmst, kommst du natürlich zu dem Ergebnis, dass die deutsche Armee und Flotte nur durch politische Unvernunft und Einflussnahme an ihren kurz bevorstehenden Siegen gehindert worden ist...

  10. #835
    schwarz weiß Avatar von Rorschach
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    Mal eine kurze Zwischenfrage, hätte das deutsche Reich nach '39 die Möglichkeit eines "vorteilhaften" Friedens gehabt, und wenn, bis wann ungefähr?

  11. #836
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    Es ist echt immer wieder eine Freude Jons Beiträge zu lesen.
    Weiter so!

  12. #837
    Moltkefan Avatar von Menelor
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    So, ich hab mir mal die Quellen angesehen.
    - Der Konteradmiral Brüninghaus bezeichnet das Unternehmen als strategisches Unterfangen. Die politische Zersetzung der Flotte, 1926
    - Der USPD/ KPD/ SPD Mitglied, Historiker und Sachverständiger Arthur Rosenberg des Untersuchungsausschusses des Reichstag erkennt die strategischen Ziele bedingungslos an. Die Entstehung der deutschen Republik, 1928 (Das finde ich eigentlich am interessantesten bei den ganzen Quellen. Als Linker hätte er ja eigentlich zu einem anderen Schluss kommen sollen.)
    - Der französische Historiker Charles Vidil erkennt auch den strategischen Sinn des Flottenunternehmens an. Les mutineries de la marine allemande 1917/18, 1931

    Natürlich führt er auch andere Meinungen an, die hab ich jetzt aber nicht rausgeschrieben.
    Einen konkreten Beleg dafür, dass der Beschuss der flanderischen Küste sinnvoll gewesen wäre, habe ich aber so konkret nicht gefunden. Vermutlich steht dazu was in den gennanten Quellen. Die will ich jetzt aber nicht raussuchen

    Vielen Dank für die ausführliche Einordnung Jon Das war mir so nicht alles klar. Was machst du eigentlich nochmal beruflich? Warst du nicht Geschichtslehrer? Wenn ja, dann Meine Geschichtslehrer wussten da deutlich weniger.

  13. #838
    Rebellenschreck Avatar von Großadmiral Thrawn
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    Zitat Zitat von Rorschach Beitrag anzeigen
    Mal eine kurze Zwischenfrage, hätte das deutsche Reich nach '39 die Möglichkeit eines "vorteilhaften" Friedens gehabt, und wenn, bis wann ungefähr?
    Ich habe mal irgendwo gelesen, dass die britische Regierung 40/41 die Kapitulation erwägt hat, da die Luftwaffe die britische (Militär)Infrastruktur und Industrie hart getroffen hat. Hätte man den Luftkrieg gegen GB weitergeführt anstatt die Ressourcen an Barbarossa zu delegieren wäre GB sicherlich irgendwann eingeknickt. Da aber 1941 der Krieg auf Russland und die USA ausgedehnt wurde durch Hitler war mMn ab dem Jahreswechsel zu 1942 kein für Deutschland vorteilhafter Frieden mehr möglich, weder die USA noch die UdSSR hätten sich darauf eingelassen (insb. Russland). Im Wesentlichen ist Barbarossa der Wendepunkt, da damit die UdSSR in die Alliierten inkludiert werden; Japans Überfall auf Pear Harbour und Hitlers (wahnsinnige) Kriegserklärung gegen die USA machen aus den vorher separierten Kriegen (D & I gegen F & GB sowie J gegen C und J gegen F & GB) einen großen Krieg. Ob 1942 noch ein Frieden möglich gewesen wäre (angesichts der Erfolge von Barbarossa '41) weiß ich nicht, denke aber eher nein; und ab der Casablanca-Konferenz '43 wurde so oder so die totale Kapitulation eingefordert.

    Man könnte natürlich spekulieren, ob nicht 1942 oder 1943 die Briten eingeknickt wäre, wenn Hitler Barbarossa nicht durchgezogen oder auf einen späteren Termin verlegt hätte und die dafür aufgewendeten Ressourcen der der Westfront zu gute gekommen wären.
    PBEM[296]Der letzte Kaiser
    PBEM[295] Im Osten nichts Neues

    PBEM[294] Ich einfach unerschrecklich

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    Oder auch nicht


  14. #839
    Herzog von Arrakis Avatar von Azrael
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    Ja, das hätte schon ein Aufgeben der Briten vorausgesetzt und das war unter Churchills Führung schwer vorstellbar. Hypothetische Szenarien, in denen Dünkirchen erfolgreicher verlaufen wäre oder man das Vereinigte Königreich gegenüber Barbarossa priorisiert hätte mal aussen vor. Und in der Sitzkrieg-Phase wohl sowieso nicht. War die Appeasement-Politik nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei nicht schon so diskreditiert, dass Frankreich und Grossbritannien keinen Friedensvertrag geschlossen hätten, bei dem das 3. Reich seine bisherigen Eroberungen hätte behalten können? Oder was du verstehst du unter einem vorteilhaften Frieden, einer bei dem nur an einem Teil der 'Erwerbungen' (z.B. Österreich) festgehalten worden wäre? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Führungsriege der Nazis gewillt gewesen wäre bereits ohne Widerstand besetzte Gebiete aufzugeben.
    Ich könnt singen vor Freude, wenn das nicht die Tiger anlocken würde.

  15. #840
    schwarz weiß Avatar von Rorschach
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    Vorteilhaft in dem Sinne, dass es weder Kapitulation noch weißer Frieden ist. Also um es es platt zu formulieren nicht unbedingt ganz Polen zu behalten, aber zumindest die Hälfte oder so
    Nicht-kriegerische 'Erwerbungen' nehme ich mal davon aus.

    @Thrawn: Also im Prinzip ein kleines Zeitfenster gegen Ende '40?

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