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Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #586
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Die erste Belastungsprobe für den Frieden im Reich war, nach der Bildung der Union und der Liga, der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg im Jahre 1613. Seit langem war absehbar gewesen, dass Herzog Johann Wilhelm kinderlos sterben würde. Schon 1610 schlitterte Westeuropa wegen dieses Herzogtums nur knapp an einem großen Krieg vorbei. Jeder regionale Konflikt hatte das Zeug, zum Anlass eines ganz Europa erfassenden Konfliktes zu werden. Andererseits verstrichen viele Ereignisse, die den großen Krieg hätten entzünden können, oder sie blieben auf einen lokal geführten Krieg begrenzt. Das absehbar ledig werdende Herzogtum war wegen seiner zentralen Lage zwischen den Staaten sowie wegen seines Wohlstands strategisch attraktiv.



    Die Nachfolgefrage war kompliziert, weil das Herzogtum konfessionell zersplittert war, der Herrscher hatte auf eine Konfessionalisierungspolitik verzichtet. Das war nach den Vorgaben des Augsburger Religionsfriedens nämlich möglich – die Konfession des Herrschers galt eigentlich für sein gesamtes Territorium. Deshalb gab es im Reich nebeneinander liegende Gebiete, die hier katholisch, dort lutherisch oder reformiert waren. Vor allem gab es in Jülich-Kleve-Berg einen ganzen Stapel an möglichen Anspruchstellern der verschiedenen Konfessionen, was die Sache spannend machte. Als Herzog Johann Wilhelm im März 1609 in Düsseldorf starb, standen alle Prätendenten bereits in den Startlöchern, und sie hatten jeweils eine Schutzmacht hinter sich. Spanien und die südlichen Niederlande waren an einer katholischen, die nördlichen Niederlande dagegen an einer protestantischen Lösung interessiert. Der Kaiser war Katholik, er musste sich jedoch zurückhalten, damit sich nicht eine in- und ausländische Koalition gegen seine Parteinahme bildet.

    Andere schufen vollendete Tatsachen und marschierten kurzerhand in das Herzogtum ein: Sachsen und Pfalz-Neuburg für die protestantische Seite, spanisch-niederländische Truppen sowie ein Heer des österreichischen Erzherzogs Leopold für die katholische Seite. Dort bekämpften sie einander und riefen die Union und die Liga um Unterstützung für ihre jeweilige Seite.

    Es war in dieser Situation, da der französische König Henri IV. seinen eigenen Einmarsch in das Herzogtum plante. Beide Seiten hofften auf seine Unterstützung. Frankreich war katholisch, aber Henri IV. wollte sich auf die Seite der Protestanten schlagen, um Spanien zu treffen. Es sollte nach seinem sogenannten „Großen Plan“ die entscheidende Auseinandersetzung Frankreichs mit Spanien um die Vorherrschaft werden. Nur der Zufall vereitelte den Kampf der Titanen: Henri IV. wurde am 14. Mai 1610 durch einen Attentäter getötet. Weil sein Erbe, der neue König Louis XIII. zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig war, brach Frankreich den Einmarsch ab. Im November 1614 einigte man sich auf politischem Weg auf die vorläufige Teilung des Herzogtums, im Wesentlichen gemäß der faktischen militärischen Lage. Diese Krise war damit nicht gelöst, doch zumindest entschärft.

    Eine zweite erwähnenswerte Krise war die um die Prozessionen im schwäbischen Donauwörth. Hier lebten damals etwa viertausend Menschen, zum allergrößten Teil Protestanten. Es gab nur noch sechzehn katholische Haushalte, aber die wollten ihren Prozessionsmarsch mitsamt entrollten Fahnen auch durch die protestantischen Stadtteile hindurch durchführen. Eine riesige Provokation für die radikalen Protestanten, doch die Katholiken hatten dafür die Unterstützung des Bischofs von Augsburg. Es kam bei der Prozession zu den vorhersehbaren Tumulten und Schlägereien, was dem Bischof den Anlass gab, die Beeinträchtigung der freien Religionsausübung anzuprangern und den Reichshofrat einzuschalten. Der verurteilte den Pöbel von Donauwörth als Landfriedensbrecher und der Kaiser verhängte schließlich die Reichsacht, was die protestantischen Gemüter aber nicht beruhigte. Die Angelegenheit zog weiter größere Kreise: Für den erzkatholischen Herzog Maximilian von Bayern war das der willkommene Anlass, mit Truppen in das schwäbische Territorium einzudringen und Donauwörth zu besetzen.



    Die Militärmacht war nicht gering, Maximilian schickte 6.000 Fußsoldaten und 500 Berittene, um für Ruhe zu sorgen. Das abgekartete an der Sache war, dass Maximilian vom Kaiser die Erstattung der ihm dabei entstandenen Kosten verlangte, immerhin hatte er ja eine Reichsacht des Kaisers vollstreckt. Das Geld brachte natürlich nicht der Kaiser auf, er erlegte die Kosten der Stadt Donauwörth auf, indem er sie an Maximilian verpfändete. Bayern hatte sich damit des schwäbischen Donauwörth bemächtigt. Man kann sich denken, dass dies von vornherein der Plan von Maximilian und Kaiser Rudolf II. gewesen war. Donauwörth wurde einer Rekatholisierung unterworfen.

    „Maximilian, Maximilian, ihr kennt nicht die Folgen eures Tuns“, soll Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg geklagt haben, als er von der Besetzung Donauwörths durch bayerische Truppen erfuhr.



    Jetzt also der Fenstersturz in Prag und der protestantische Aufstand in Böhmen. Der katholische Landesherr, den sie konsequenterweise für abgesetzt erklärten, war nicht irgendwer: Es war kein geringerer als der Habsburger Erzherzog Ferdinand, ein radikaler Katholik – und der voraussichtliche Nachfolger von Kaiser Matthias. Den Böhmen war klar, dass Ferdinand seine Absetzung nicht einfach hinnehmen würde, die Aufständischen brauchten Verbündete, um sich gegen seinen Zorn zu wappnen. Dazu gehörte die Überlegung, wem sie eigentlich die böhmische Krone nun anbieten sollten. Am besten einem protestantischen Fürsten, der über genügend Truppen verfügen würde. Ein erster Schritt zur Verteidigung war, die eigenen Reihen zu schließen. Das böhmische Ständeheer wurde aufgeboten und solche Städte, die sich dem Aufstand nicht angeschlossen hatten, wurden niedergeworfen.



    Im Gegensatz zum böhmischen Adel hatten die Bürger nämlich keine große Lust darauf, sich mit den Habsburgern anzulegen. Dann richtete man Bündnisangebote an die unmittelbaren Nachbarn. Die reagierten zunächst zögerlich, im Herbst 1618 war lediglich Schlesien mit von der Partie. Das änderte sich dann aber im März 1619, als Kaiser Matthias starb. Da wagten sich auch Mähren und die Lausitz in das Bündnis mit Böhmen, womit sie den Habsburgern ihre Gefolgschaft aufkündigten. So fühlte man sich in Prag gut vorbereitet auf die Verteidigung. Die Aufständischen unterschätzten den Ernst der Lage grob.

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  2. #587
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Nach Matthias' Tod war Ferdinand auch offiziell das Oberhaupt der Habsburger. Eigentlich war er vorher schon die bestimmende Person in Wien gewesen. In der Tat musste Ferdinand auf einige Sachen achtgeben, bevor er sich womöglich blind auf Böhmen stürzte. In seinen eigenen Landen konnte er nicht mit nennenswerter Unterstützung rechnen, weder in Form von Truppen oder als Geldmittel. Denn die österreichischen Stände verweisen zu Recht darauf, dass ein Krieg gegen Böhmen eine Familienangelegenheit der Habsburger war. Außerdem musste er die antihabsburgerischen Kräfte in Ungarn im Auge behalten, damit dort nicht die Stimmung gegen ihn kippte. Doch Ferdinand tat drei gewichtige Unterstützer seiner Sache auf: Spanien, den Kirchenstaat und Bayern. Spanien hatte ein Interesse daran, seine Ländereien in den Niederlanden durch einen Landkorridor am Rhein besser unter Kontrolle zu bekommen – etwas, woran die nördlichen (protestantischen) Niederlande sowie Frankreich dagegen kein Interesse haben konnten.



    Spanien war zu dieser Zeit eine europäische Großmacht, die sich umfangreiche Finanz- und Militärhilfe weitab ihrer Kernlande leisten konnte, obwohl Spanien eigentlich eine längere Friedensperiode gebrauchen konnte. Außerdem gab es ja noch die Verwandtschaft zwischen spanischen und österreichischen Habsburgern.



    Der Papst konnte ebenfalls ordentliche Geldmittel zur Verfügung stellen, er verfolgte das Ziel der Gegenreformation, der Protestantismus im Reich sollte zurückgedrängt, oder am besten, beseitigt werden.



    Schließlich Bayern mit seinem gerissenen Herzog Maximilian, der zuvor bereits Donauwörth besetzt hatte. Auch er signalisierte Ferdinand, dass er die katholische Liga aktivieren und mitmarschieren würde, wenn er seinen Anteil der Beute erhalten würde.

    Zunächst einmal musste Ferdinand die anstehende Kaiserwahl erfolgreich hinter sich bringen. Dass die Kurstimme Böhmen nicht durch die rebellischen Vertreter aus Prag abgegeben werden durfte, war nicht nur für Ferdinand ausgemachte Sache. Auch die anderen Kurfürsten, eingeschlossen der protestantischen, mochten die Kurfürstenstimme in der Hand des „Pöbels“ sehen. Wenn es um die Exklusivität ihres Standes ging, war sich der Hochadel über die Konfessionsgrenzen hinweg einig. Selbst Martin Luther persönlich hatte 1525 die harte Bestrafung jener Bauern verlangt, die sich – sozusagen in Luthers Namen – gegen ihre Herren aufgelehnt hatten. Vor diesem Hintergrund einigten sich die versammelten Kurfürsten im August 1619 auf die einstimmige Wahl Ferdinands zum neuen Kaiser des Reichs.



    Die böhmischen Stände erkannten langsam, dass es dem Habsburger gelingen würde, ein Heer gegen sie zusammenstellen zu lassen und nach Prag zu marschieren. Böhmen musste jemanden die Krone geben, der sie beschützen konnte. Einer aus ihren Reihen schied damit aus, es musste ein potenter protestantischer Herrscher sein. England? König James I. war weit weg und hatte genug im eigenen Reich mit Konfessionsspannungen zu tun. Dänemark und Schweden waren beide protestantisch, lagen miteinander aber im Hader um die Vorherrschaft über die Ostsee. Außerdem sollte ein Reichsfürst die böhmische Krone tragen, da schied der Schwede Gustav Adolf aus. Der dänische König war durch seinen holsteinischen Herzogstitel immerhin ein Reichsfürst, aber vermutlich wollte man Schweden nicht verprellen, indem man Dänemark bevorzugte (meine persönliche Interpretation). Schweden musste zudem ein Auge auf Polen werfen, mit dem es ständig im Clinch lag. Ein geeigneter Kandidat wäre durchaus Savoyen gewesen, Herzog Karl Emanuel war ein politischer Draufgänger. Aber – leider war Savoyen auch zu weit weg, um Böhmen zu verteidigen. Perfekt wäre Sachsen gewesen, das protestantisches Herzogtum in der Nachbarschaft. Doch Kurfürst Johann Georg war charakterlich das Gegenteil von Karl Emanuel: Der Sachse war politisch zwar erfahren, scheute jedoch ein Risiko. Es hieß über ihn, er sei zu Entscheidungen überhaupt erst ab der Mittagszeit in der Lage, nachdem er einige Kannen Bier geleert habe. Johann Georg gefiel einerseits der Gedanke, sich zum Anführer der protestantischen Seite aufzuschwingen. Doch offenbar schätzte er die Stärke der katholischen Kontrahenten realistischer ein als die Böhmen: Er winkte bezüglich der böhmischen Krone schließlich dankend ab. Für den Sachsen war erkennbar, dass sich dieser Konflikt noch zu einem ausgewachsenen internationalen Krieg ausweiten konnte, der ihn hinwegfegen würde.

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  3. #588
    Sie/Er/Whatever Avatar von Fimi
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    Ich weiß schon, wer es wird!
    "La majestueuse égalité des lois, qui interdit au riche comme au pauvre de coucher sous les ponts, de mendier dans les rues et de voler du pain." - Anatole France

    Zitat Zitat von Fonte Randa Beitrag anzeigen
    Manchmal kann ich Fimi verstehen...
    Zitat Zitat von Kaiserin Uschi Beitrag anzeigen
    Ja, aber das ist nur ein Grundgesetzbruch, aber kein Verfassungsbrauch. Bring das mal vors Bundesgrundgericht ;)

  4. #589
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    Böhmen sucht den Superstar, bisher viermal Nein.
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  5. #590
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Es blieb ein Kandidat zweiter Wahl, der wagemutig und naiv genug war, sich auf das böhmische Abenteuer einzulassen: Die Pfalz unter Kurfürst Friedrich V. Er war von seinen Fähigkeiten überzeugt und von dem Angebot der böhmischen Krone geschmeichelt. Auf seiner Seite wähnte er mächtige Verbündete: Immerhin gab es die protestantische Union, zum zweiten war er durch seine Ehefrau Elisabeth der Schwiegersohn des englischen Königs James. Außerdem hatte Friedrich V. die vormals in Diensten von Savoyen stehende Söldnertruppe des Ernst von Manstein in seinen Sold übernommen. Ab September 1618 operierte sie in Böhmen und bildete dort einen wichtigen Faktor im militärischen Kräfteverhältnis.



    Als Friedrich in Prag zu seiner Krönung eintraf, brachte er keineswegs die Bündniszusagen mit, auf die man bei seiner Wahl gesetzt hatte. König James war wütend auf seinen Schwiegersohn, als er von dessen Abreise aus Heidelberg erfahren hatte. Wie konnte er als Kurfürst sich bloß auf eine Krone aus den Händen von Aufrührern einlassen? Das widersprach James' Auffassung von Gottesgnadentum und der absoluten Staatsgewalt, die er für England anstrebte. Nein, der Stuart wollte sich keinesfalls in einen potentiellen deutschen Bürgerkrieg reinziehen lassen. Und die protestantische Union zeigte sich ebenfalls distanziert, hier war man angesichts der katholischen Macht vorsichtig geworden. Man wies Friedrich V. darauf hin, dass die defensiv ausgerichtete Union natürlich helfen würde, wenn er in seinen pfälzischen Erblanden angegriffen würde. In Böhmen aber war er auf sich gestellt, Böhmen war kein Mitglied der Union, ergo war das kein Bündnisfall für die Union.

    Innerhalb der katholischen Liga sah man das für die eigene Seite eigentlich ähnlich. Auch hier hatten die Fürsten wenig Lust darauf, für die Sache eines anderen zu kämpfen. Es gab für die kleineren Mächte hierbei nun einmal wenig zu gewinnen und viel zu verlieren. Doch eines unterschied ihre Perspektive von der der Union: Eine dauerhafte Inbesitznahme Böhmens durch Friedrich würde die konfessionellen Machtverhältnisse im Reich grundlegend verändern, alleine durch die dann protestantische Mehrheit im Kurfürstenkollegium. Die böhmische Stimme konnte bei einer künftigen Kaiserwahl die entscheidende Stimme für einen protestantischen Kandidaten sein. Wie sollte man sich das denn vorstellen, ein protestantischer Kaiser? Das war ein Widerspruch in sich.



    Als Kaiser musste sich Ferdinand II. aus Gründen der Staatsräson eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Für die grobe Arbeit gegen die Protestanten hatte er den überzeugten Katholiken Maximilian von Bayern, er sollte die Führung der Liga übernehmen. Der besaß im Gegensatz zu seinem Kontrahenten Friedrich V. strategischen Weitblick. Maximilian schloss mit dem Kaiser einen Vertrag, in dem unter anderem die Finanzierung des Feldzugs geregelt wurde. Brisant - wirklich brisant! - an dem Vertrag war der geheime Zusatz, in dem Ferdinand Maximilian versprach, dass der Bayer nach der erfolgreichen Wiedereinsetzung des Habsburgers in Böhmen sich Friedrich Stammland, die Pfalz, vorknöpfen dürfe – und danach durch den Kaiser auch die pfälzische Kurwürde übertragen bekommt.



    Das bedeutete, dass die Wahlstimme an die katholischen Wittelsbacher übergehen sollte. Der Pfälzer Friedrich war ebenfalls ein Wittelsbacher. Seit dem Hausvertrag von Pavia von 1329 war geregelt worden, dass beide Linien der Wittelsbacher abwechselnd die Kurstimme innehaben. Doch seit der Goldenen Bulle von 1356 übte definitiv die Pfalz alleinig die Kur aus. Das Versprechen von Ferdinand II. war also ein veritabler Eingriff in das Grundgesetz des Reichs, zu dem er im Alleingang gar nicht berechtigt war. Maximilian nutzte die Notlage des Kaisers mit diesem Vertrag also optimal aus.

    Es gab noch einen weiteren im Bunde mit Ferdinand, den man wohl nicht erwartet hatte: den Sachsen Johann Georg mit den Bierkannen. Der hatte die böhmische Krone zwar abgelehnt, war nun aber trotzdem beleidigt. Er hatte damit gerechnet, dass er trotzdem zum böhmischen König gewählt wird und sich dann als Anführer und Vermittler der protestantischen Sache mit dem Kaiser an einen Tisch setzen könnte. Dass Friedrich V. jetzt die Krone hatte, passte dem Sachsen nicht, da wuchs womöglich an starker Konkurrent in seiner Nachbarschaft heran. Also klopfte Johann Georg beim Kaiser an: Sächsische Truppen könnten auf kaiserlicher Seite helfen, indem sie die abtrünnige Lausitz besetzen. Natürlich mit dem Ansinnen, dort zu bleiben. Was Böhmen für Ferdinand war, war die Lausitz für Johann Georg. Der Sachse wollte nicht soweit gehen, öffentlich gegen seinen protestantischen Kollegen Friedrich vorzugehen (indem er die kaiserliche Acht gegen die Pfalz unterstützt), aber ein Stück vom Kuchen war ja wohl gestattet, zumal, wenn sich Johann Georg dafür nicht an Kaiser und Reich versündigen musste. Friedrich V. konnte nur noch auf die Calvinisten in den Niederlande als Alliierte zählen.

    Alles war nun bereit für die entscheidende Schlacht um Böhmen. Ferdinand hatte über Maximilian das Heer der katholischen Liga aufstellen lassen, 21.000 Mann Fußvolk und 4.000 Reiter. In Maximilians Auftrag führt General Johann Tilly diese Truppen. Der kampferprobte Brabanter Tilly war bereits 60 Jahre alt und konnte als ein „Mönch im Harnisch“ charakterisiert werden, ein glühender Jesuit und Katholik. Auf der protestantischen Seite kämpfte das böhmische Bündnis aus Böhmen, Lausitz und Schlesien gemeinsam mit und unter Friedrichs Pfalz. Die Calvinisten der Niederlande waren Alliierte, doch die wussten, dass sie mit Spanien eine Weltmacht herausforderten. Dementsprechend stellten sie sich defensiv auf. Böhmen hatte dazu noch zwei unzuverlässige Waffenbrüder auf seiner Seite: Der ungarische Adelige Bethlen Gabor führte die antihabsburgerischen Kräfte Ungarns an, jedoch bestand sein Heer hauptsächlich aus leichter Reiterei. In Westeuropa hatte man die Waffentechnologie weiterentwickelt und arbeitete mit professionellen Söldnerheeren. In Osteuropa hielt man an den leichten Reiterverbänden fest, die schwarmartig in ein Gebiet einfielen und es verwüsteten. Also nichts, womit man eine Entscheidungsschlacht führte.



    Ungarn fiel also die Rolle des Störenfrieds an der östlichen Grenze des Habsburgerreichs zu. Bis Wien ritten die Verbände und plünderten, sie zogen sich mit ihrer Beute genauso schnell wieder zurück. Den harten Kern der Truppen, mit dem die Böhmen vor Prag zur Entscheidung antreten wollten, fiel dem Söldnerheer Mansteins zu. Das Dumme daran war, dass die böhmischen Adeligen zu geizig waren, sich die Verteidigung ihrer Ländereien etwas kosten zu lassen. Sie hielten ihren Warlord Manstein finanziell kurz, so dass er mangels Sold alle überflüssigen Truppenteile auflösen und wegschicken musste.

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  6. #591
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Während die spanischen Truppen ab August 1620 mit 22.000 Soldaten gegen die Niederlande und die Pfalz marschierten und erste Festungen belagerten, und die Sachsen in die Lausitz einrückten, fielen die Liga-Truppen unter Tilly in Böhmen ein.



    Am 8. November 1620 kam es am Weißen Berg bei Prag zur Entscheidung. Dort traten 21.000 Protestanten den 28.000 Soldaten auf kaiserlich-katholischer Seite gegenüber. Die Protestanten wählten eine kompakte, defensive Aufstellung auf dem Berg, vor sich ein Tal mit einem sumpfigen Bachlauf. Eine direkte Attacke des katholischen Zentrums durch den tiefen Boden war weder mit Fußtruppen noch mit Kavallerie taktisch ratsam. Im Nebel rückten die Kaiserlichen mit Reitern vom Flügel der Aufstellung vor und überfielen ein Dorf am Rande des Weißen Bergs, wo sie schlafende Ungarn niedermetzelten. Friedrich V. ließ Verstärkungen dorthin führen und ritt anschließend in den rückwärtigen Raum seines Heeres, um weitere Anweisungen zu geben. In dieser Situation setzte sich Tillys Zentrum in Marsch, eine Wand aus Piken und Musketen. Durch den Bachlauf mussten sie sich den Weg bergauf erkämpfen, stets von dem Schlachtruf „Maria!“ begleitet. Die protestantischen Linien gerieten unter Druck, waren ohne klare Befehle und beunruhigt durch die Kämpfe an ihren Flügeln. Nach nur zwei Stunden Kampf zerfielen die protestantischen Kampfreihen, die Soldaten wandten sich rückwärts zur Flucht nach Prag. Der Sieg war eindeutig bei den Katholiken.



    Friedrich V. musste Hals über Kopf nach Prag reiten, um dort das allernötigste einzupacken, seine Frau Elizabeth zu schnappen und die Stadt verlassen, bevor die Feinde eintreffen. Selbst seine böhmische Krone ließ er in Prag liegen. Am 9. November 1620 war die Regierung Friedrichs nach nur einem Jahr Geschichte, der glücklose Pfälzer erhielt dafür den Spottnamen „Winterkönig“.

    Wenige Stunden später waren die Katholiken in Prag und gingen sofort daran, die alte Herrschaft wiederzuerrichten. Am 13. November, noch während die Liga-Truppen Prag plünderten, mussten die böhmischen Stände Maximilian huldigen und sich vor ihm niederknien. Der Fürstenstaat hat ganz offensichtlich über die protestantischen Stände gesiegt. Kaiser Ferdinand II. machte keine halben Sachen: Er widerrief den Majestätsbrief mit all seinen Rechten und Freiheiten, die seine Vorgänger den Böhmen zugestanden hatten. Es heißt, Ferdinand habe dieses Edikt der Toleranz eigenhändig mit einer Schere zerschnitten. Die Bevölkerung Böhmens stellte er vor die Wahl, zum Katholizismus zu konvertieren oder enteignet und vertrieben zu werden. Und die Anführer der Rebellion, rund zwanzig Adelige und einige Bürger, ließ er in einem Schauprozess verurteilen und mit großem Trommelwirbel öffentlich enthaupten. Also, zumindest die Adeligen. Den verurteilten Bürgern wurde für ihre Hinrichtung nur der ehrlose Galgen gestattet. Die Köpfe der Hingerichteten pfählte man zur Abschreckung auf einen Brückenturm. Zehn Jahre sollten sie dort schließlich stecken bleiben.



    Der Sieg der Liga und die strenge Rekatholisierung, die der Kaiser den Böhmen aufzwang, beunruhigte verständlicherweise die anderen Protestanten im Reich. Was, wenn auch in ihren Ländern die „böhmische Lösung“ drohte? Das war keine Paranoia, denn die Pfalz wurde sowohl von spanischen Truppen als auch ihren katholischen Reichsverbündeten der Liga besetzt. Spanien griff 1623 anschließend verstärkt die nördlichen Niederlande an. Dorthin, nach Den Haag, hatte sich der vertriebene Winterkönig Friedrich hin geflüchtet. Das war natürlich weniger der Grund für den spanischen Einmarsch, hierfür gab es handfestere Territorialinteressen. Seit Ende 1622 war Heidelberg, das pfälzische Zentrum des deutschen Calvinismus, in der Hand von Tilly bzw. dessen Herzog Maximilian. Der Bayer war der große Profiteur, er gewann die Oberpfalz für sich, und vom Kaiser, gemäß ihrer Abmachung, die pfälzische Kurwürde. Die Protestanten waren außer sich, dass der Kaiser und der Herzog gemeinsame Sache mit der ausländischen Macht machten, um ihre Allmacht im Reich zu zementieren.



    Die Union rief wegen der Besetzung der Pfalz den Bündnisfall aus und stellte sich den Liga-Truppen im Münsterland zur Schlacht entgegen. Vergebens: Am 6. August 1623 wurde die Union bei Stadtlohn geschlagen, der protestantische politische Bund löste sich danach faktisch auf. Für die Katholiken war der Weg nach Norddeutschland nun frei. Die Protestanten waren mehrfach besiegt worden, der Krieg war gelaufen. Oder doch nicht?

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    Der Dreißigjährige Krieg

    Die Protestanten hatten in den bisher fünf Kriegsjahren zwischen 1618 und 1623 eigentlich nur Niederlagen einstecken müssen, Böhmen und die Pfalz waren an die Katholiken verloren. Militärisch am Ende waren sie noch nicht. Okay, die Söldnertruppen des notorisch unzuverlässigen Mansfeld waren nicht das Gelbe vom Ei, um die protestantische Seite doch noch voranzubringen. Der hatte sich zwischen Elsass und Pfalz eingenistet und warb fleißig neue Soldaten an. Mansfeld war dafür bekannt, eigenwillig zu agieren und den Sold nur unregelmäßig auszuzahlen. Seine Truppen schätzten aber, dass man unter seinem Kommando ungehemmt rauben und plündern konnte, das verschaffte ihm Zulauf, bis er stattliche 35.000 Mann zusammenhatte – wenn auch von ziemlich unterschiedlicher Kampfkraft. Gegen eine straff geführte Armee wie die des Katholiken Tilly hatte Mansfeld alleine keine Chance. Zumal die Katholiken ja auch die Spanier unter ihrem Heerführer Cordoba ins Land geholt hatten. Insgesamt hatten die Katholiken so rund 100.000 Soldaten unter ihrer Führung. Mansfeld blieb also nur, einer Schlacht stets auszuweichen.

    Wäre es dabei geblieben, hätte Mansfeld sich nicht halten können. Aber im Kriegsjahr 1622 tauchten zwei Männer auf, die auf eigene Faust und eigene Rechnung Truppen anwarben und auf der Seite der Pfalz in den Krieg zogen. Der eine war der Markgraf Georg Friedrich von Baden, ein kämpferischer Protestant, den die Selbstauflösung der Union tief beschämte. Sein Glauben und seine Ehre ließen es nicht zu, Friedrich V. im Stich zu lassen. Der Badener war ein belesener Kriegstheoretiker, der sein Wissen aus Büchern bezogen hatte. Er wollte seine Kenntnisse jetzt dem Praxistest unterziehen. Der andere der beiden war Christian von Braunschweig, das genaue Gegenteil des Badeners. Er war ein noch junger Mann, der stark den alten Ritteridealen anhing. Religiöse Fragen waren nicht seine Sache. Als nachgeborener Sohn hatte Christian keine Aussicht darauf, das Erbe in Braunschweig einmal persönlich antreten zu können. Geld hatte er genug, und er dürstete nach Abenteuern. Sein Steckenpferd war die Idee, die Ehre von Friedrichs Frau Elisabeth Stuart wiederherzustellen, die nach der Niederlage am Weißen Berg so schmachvoll aus Prag ins niederländische Exil hatte fliehen müssen. Im Gefecht trug Christian stets einen Handschuh der Dame an seinem Hut befestigt. Die merkwürdige Romanze interessierte seine Truppen herzlich wenig, aber Christian war schon ein tollkühner Typ, wie sie nur ein Krieg in dieser Form hochzuspülen vermag. Er machte sein eigenes Ding.



    Mansfeld und der Badener dagegen stimmten ihre Operationen aufeinander ab. Heidelberg in der Pfalz musste von Tillys Truppen entsetzt werden. Und tatsächlich gelang es Mansfeld, dessen katholische Truppen in einen Hinterhalt zu locken und zu schlagen. Dabei wechselten so einige zurückgelassene Kanonen den Besitzer. Tilly gelang mit seinem Heer dafür der Rückzug Richtung Osten. Die Protestanten ließen die Gelegenheit zur Verfolgung und Vernichtung des Liga-Heeres verstreichen, sei es aus Ritterlichkeit oder Vorsicht. Das sollte sich rächen. Die beiden protestantischen Heere trennten sich - wegen Streitigkeiten untereinander - nämlich wieder, während Tilly sich bei Wimpfen zur Schlacht aufstellte und die Spanier zu seiner Verstärkung anrückten. Der Badener Georg Friedrich musste sich deshalb alleine der Übermacht stellen. Aber das war seine Gelegenheit, seine Kriegstheorien endlich einmal auszuprobieren. Er wählte eine defensive Aufstellung, indem er nach hussitischer Art eine halbkreisförmige Wagenburg bildete. Auf diesen Wagen waren die leichten Kanonen montiert, mittels der Wagen konnten sie nach Bedarf also gedreht werden. Das ganze garniert mit den Haufen aus Musketieren und Pikenieren. Die Wagenburg wurde bei der Schlacht von Wimpfen am 6. Mai 1622 von den Katholiken hart bestürmt, da explodierten in der Nähe der Kanonenwagen platzierte Pulverfässer und rissen eine breite Lücke in den Abwehrring. Die Badener Truppen flohen und die Schlacht war entschieden. Es war eine vernichtende Niederlage für den Kriegstheoretiker, denn er hatte bei der Schlacht nicht nur eine Menge Männer verloren, auch die gesamte Artillerie und die Kriegskasse waren futsch. Zwar konnte Georg Friedrich anschließend noch einmal 6.000 Männer aufstellen, als eigenständiger Akteur spielte er im Krieg aber keine Rolle mehr.

    Blieb neben Mansfeld das Heer des Draufgängers Christian von Braunschweig. Er hatte die Zeit genutzt, um in aller Ruhe Westfalen auszuplündern und damit den Aufbau seiner Truppen zu finanzieren. Besonders Paderborn brachte ihm reiche Beute ein. Aus dem Schrein ließ er dort Münzen mit der Aufschrift „Gottes Freund, der Pfaffen Feind“ prägen. Über die vergoldeten Apostelfiguren des Schreins soll er gesagt haben, Jesus habe sie aufgefordert, hinauszugehen in alle Welt, und er, Christian, sorge nun dafür, dass sie das auch tatsächlich täten. Der Kaiser erkannte die Gefahr, die von den Braunschweiger Truppen ausging und bot Christian eine gut dotierte Amnestie an. Aber wie gesagt, der Braunschweiger war ein romantischer Abenteurer, ein ruhiges Leben in Wohlstand interessierte ihn nicht.

    Das unvermeidliche Aufeinandertreffen der beiden Parteien erfolgte bei Frankfurt, auf der einen Seite Mansfeld und Christian von Braunschweig, auf der anderen Seite Tilly mit der katholischen Liga. Der Umstand, dass Tillys bzw. seine Kanoniere Meister der Artillerie waren, entschied die Schlacht. Im konzentrischen Feuer erlitt Christians Kavallerie schwere Verluste. Dadurch war der Weg frei für Tillys Infanterie, die dann die Schlacht vollendete. Der erfahrene Taktiker Tilly hatte über den Draufgänger Christian von Braunschweig gesiegt. Die flüchtenden Truppen des Braunschweigers erwartete oft der Tod, denn die Bauern, die sie vorher ausgeplündert und gequält hatten, machten kurzen Prozess mit den versprengten Söldnern, die sie aufgreifen konnten.

    Mansfeld und Braunschweig mussten nach der Niederlage bei Frankfurt zusehen, dass sie sich mit ihren restlichen Truppen in die sichere Niederlande zurückziehen – nur, dafür mussten sie durch das von den spanischen Truppen besetzte Gebiet um Jülich hindurch brechen. Die Protestanten ließen alles schwere Gerät vernichtet zurück und setzten alles auf eine Karte. Der waghalsige Angriff war offenbar das Element des Braunschweigers, nach sechs Stunden wütender Attacken mussten die spanischen Tercios tatsächlich zurückweichen und den Weg nach Nordosten freigeben. Der Durchbruch erlaubte es Christian, seine Niederlage bei Frankfurt propagandistisch in einen Sieg umzumünzen. Sein persönlicher Ruhm wuchs, auch durch folgende Episode: Bei einer von ihm geführten Kavallerieattacke hatte Christian einen Durchschuss in seinen linken Arm erlitten, der wegen des dringenden Rückzugs durch die spanischen Linien vorerst nicht behandelt werden konnte. Als der Braunschweiger in Sicherheit war, hatte sich der Wundbrand bereits über seinen Arm ausgebreitet, die Gliedmaße musste amputiert werden. Das ließ der Abenteurer auf seine Art erledigen: Unter Trommelwirbel vor seinen versammelten Truppen ließ er sich den Arm absägen.

    Trotzdem: Der Krieg als gesamtes war für die Protestanten wahrlich nicht gut gelaufen. Normalerweise hätte man sich, vielleicht unter Vermittlung Englands, in dieser Situation auf eine Rückkehr zum Status quo ante geeinigt. Friedrich V. hätte seine Pfalz zurückbekommen, dafür hätte Ferdinand II. für Böhmen die Anerkennung seiner Herrschaft und seiner Politik der Rekatholisierung erhalten. Aber da gab es das Problem, dass Bayerns Maximilian gar nicht daran dachte, die Pfalz mit der daran hängenden Kurwürde wieder herauszurücken. Der Kaiser selbst wollte und konnte sich in dieser Frage nicht gegen den Wittelsbacher stellen. Außerdem war ein diplomatischer Frieden ohne Beteiligung der im Land stehenden Spanier nicht realistisch. Alle ungeklärten Probleme, die sich seit 1618 angesammelt hatten, waren auf diese Weise zu einem untrennbaren Knäuel verwoben. Wer den Frieden wollte, musste sie alle zugleich auflösen. Und das war 1623 für die verfeindeten Parteien zu viel verlangt. So lange eine Partei die Aussicht hatte, sich durch eine Fortsetzung des Krieges in eine bessere Position zu bringen, konnte er weitergehen. Im Gegensatz zu früheren Konflikten sorgte der Umstand, dass sich die Söldnerheere durch Geldzuschüsse ausländischer Mächte, sowie durch das Plündern der Kriegsgebiete finanzierten, dafür, dass der Krieg nicht einfach ausbrannte. Von daher stammte die Rede vom Krieg, der den Krieg ernährt. Der Krieg ging über 1623 hinaus weiter.



    Der Stapel an ungelösten Problemen:
    • die entzogenen Rechte der böhmischen Stände
    • ist Ferdinand II. oder Friedrich V. der legitime König von Böhmen
    • die Reichsacht gegen Friedrich V.
    • die Besetzung der Lausitz durch Sachsen
    • die Besetzung der Pfalz durch Bayern
    • der Übergang der Kurstimme von der Pfalz zu Bayern
    • die spanischen Interessen in den Niederlanden
    • die Religionsfreiheit der Protestanten im Reich
    • die Rückführung von Kirchenbesitz in katholische Hände
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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    Der Dreißigjährige Krieg

    Phase Zwei: Niedersachsen und Dänemark

    Die Protagonisten verschoben ihre Truppen: Mansfeld und Christian von Braunschweig gingen getrennte Wege. Während Mansfeld sich mit seinem Heer in Ostfriesland festsetzte, kehrte Christian zu seinem Bruder heim nach Braunschweig zurück. Beiden Heerführern war gemein, dass sie neue Truppen aushoben. Geld dafür erhielten sie auch aus dem Ausland: Die protestantischen Könige Englands und Dänemarks sahen die gestiegene Macht der Habsburger. Dass Ferdinand II. den Reichsprotestanten nicht die Hand zu einem ausgeglichenen Friedensvertrag anbieten wollte, zeigte Tillys Vormarsch nach Norddeutschland. Dort sollte der General nach dem Willen des Kaisers den Protestantismus weiter aus dem Reich hinaus fegen. Englands James I. war mit seinem diplomatischen Vorstoß, gemeinsam mit Spanien ein Bündnis gegen Frankreich zu bilden, abgeblitzt. Er konnte sich diplomatisch nun voll hinter seinen Schwiegersohn Friedrich V. stellen, dessen Wiedereinsetzung als Kurfürst der Pfalz er forderte. Dazu mussten die spanischen Truppen aus dieser Region abziehen – was wiederum ganz im Interesse von Frankreich lag. Frankreich hatte sich in den vergangenen Jahren außenpolitisch wenig betätigt. Seit dem Tod König Henris IV. regierte die Königinwitwe Medici für ihren minderjährigen Sohn Louis. Ihr Augenmerk galt der Innenpolitik, vor allem der Bekämpfung der Hugenotten in Frankreich. Allmählich aber stieg ein anderer Mann zum Taktgeber der französischen Politik auf: Der Kardinal Richelieu.



    Er war es, der dafür sorgte, dass Frankreich die protestantische Sache im Reich unterstützte. Das war nur vordergründig paradox, denn wichtiger als konfessionelle Fragen war für Richelieu die Machttektonik. Frankreich sollte der Schiedsrichter der europäischen Staaten werden, ganz so, wie es bereits Henri IV. in seinem großen Plan skizziert hatte. Voraussetzung dafür war, die Habsburger sowohl in Spanien als auch in Österreich zu schwächen. Wenn man dazu deren Gegner, die Protestanten im Reich, unterstützte, während man die Protestanten im eigenen Land bekämpfte, war das also nur vordergründig paradox.

    Tilly war auch in Norddeutschland recht erfolgreich: Er konnte das Heer Christians von Braunschweig so vernichtend schlagen, dass der Abenteurer im Krieg keine weitere Rolle mehr spielen sollte (Christian starb einige Zeit später an einer Krankheit, game over). Gegen das Söldnerheer von Mansfeld konnte er nicht marschieren, weil dieser Ostfriesland unter Wasser setzte. Die Katholiken hatten aber gezeigt, dass sie bereit waren, bis zur Nord- und Ostseeküste zu marschieren. Vorerst musste sich Ferdinand II. um ein Problem an seiner südöstlichen Grenze kümmern, denn hier war erneut der ungarische Bethlen mit seinen zahllosen leichten Reitern aufgetaucht. Jemand musste sich darum kümmern.

    Das war der Augenblick, da ein neuer Protagonist auf der Bühne des Dreißigjährigen Kriegs auftrat:

    Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, genannt Wallenstein. Der war ein gänzlich anderer Charakter als der fromme Idealist Tilly. Wallenstein glaubte weniger an den Katholizismus als an seine Horoskope, er war völlig den Vorhersagen der Astrologie ergeben. Und Wallenstein war getrieben von dem Wunsch nach persönlicher Macht. Erstmals hatte Wallenstein ironischerweise von sich Reden gemacht, weil er bei der Schlacht auf dem Weißen Berg vor Prag mitgekämpft hatte, aber auf Seiten der Protestanten. Er verstand es aber, die Umwälzungen in Böhmen für sich zu nutzen, nachdem die katholische Seite gesiegt hatte: Wallenstein veruntreute Gelder der böhmischen Stände und kam so zu Reichtum.



    Im Jahre 1623 hatte es Wallenstein so weit gebracht, dass der Kaiser ihn als seinen Heerführer in den ungarischen Teil des Habsburgerreiches schickte, von wo er Bethlen Gabor mit seinen plündernden Reitern verscheuchen sollte. Der Feldzug wäre beinahe zu einem Fiasko geworden, denn die leichten Reiter waren dank ihrer Beweglichkeit den Fußtruppen Wallenstein taktisch überlegen. Blieben Wallensteins Soldaten eng beisammen, fanden sie nicht genügend Nahrung in ihrer Umgebung. Trennten sie ihre Marschrouten, wurden die Teilheere zur leichten Beute für die flink umgruppierten Kavallerie der ungarischen Rebellen. Schließlich fand sich Wallenstein mit seinem Heer in einer Festung wieder, belagert und in auswegloser Situation. Bethlen Gabor befahl seinen Leuten den Sturm der Burg, was seinen Kommandeuren nicht passte: Sie waren es nicht gewohnt, zum Kampf von ihren Pferden abzusitzen und eine Feste im Sturm zu nehmen. Es war Wallensteins Rettung, dass in dieser Situation Polen in Siebenbürgen einmarschierte und Bethlen zwang, sich darum zu kümmern. Wallenstein war knapp der Vernichtung entgangen.



    Er lernte daraus, dass ein Heer sich in seiner Zusammensetzung ständig der Taktik seines aktuellen Gegners, dem Gelände und dem Zweck des Feldzugs anpassen musste, wenn es erfolgreich sein sollte. Dazu musste Wallenstein ein Heer „aus einem Guss“ haben. Das Kommando musste komplett in seinen Händen liegen, ungestört vom Kompetenzgerangel mit anderen adeligen Kommandeuren, womöglich ranghöheren, die ihm reinreden konnten. Und die Art der Truppen musste gemäß seinen Vorgaben zusammengesetzt, organisiert und versorgt werden. Das war Wallenstein wahres Talent: Er war keiner, der an der Seite seiner Männer kämpfte, Wallenstein war ein logistisches Genie, dem die - in diesem Krieg herausragende - Bedeutung des Nachschubs für die Truppen bewusst war. Um eine solche uneingeschränkte Befehlsgewalt zu erlangen, musste Wallenstein sein eigenes Heer auf die Beine stellen. Er brachte den Kaiser dazu, ihn zum Herzog zu erheben (womit Wallenstein ein höheren Rang besaß als der Graf Tilly und ein Lehen zu geben.

    Das machte Ferdinand II. natürlich nicht aus Sympathie zu Wallenstein, denn der war eh nicht für ein freundliches Gemüt bekannt. Nein, im Frühjahr 1625 war absehbar, dass der König von Dänemark in den Krieg gegen Kaiser und Liga eintreten würde, um die Protestanten des Reiches zu beschützen. Die Streitkräfte der Liga allein waren der neuen Herausforderung nicht gewachsen, also nahm der Kaiser Wallensteins Angebot, ein Heer aufzustellen, an. Wallenstein verwendete sein gesamtes Vermögen, um ein Heer zu mustern, das er in den Dienst der katholischen Sache stellte – natürlich für eine ordentliche Entlohnung. Wallenstein war also kein adeliger Heerführer alter Schule, er war vielmehr ein Warlord, ein Kriegsunternehmer.

    Wallensteins Rangerhebung hatte also sein Grund darin, dass einige weitere ausländische Mächte in den deutschen Krieg eingriffen – einige, um den Habsburgern etwas entgegen zu setzen, andere, weil sie sich der protestantischen Sache verpflichtet fühlte. Außer den unzuverlässigen Heerführern Mansfeld und Bethlen gab es keine organisierte Macht mehr, die im Reich noch die Waffen gegen die Katholiken hochhielt. Die nördlichen Niederlande, Frankreich sowie England mussten 1624 überlegen, wie sie entweder Dänemark oder Schweden zum Kriegseintritt bewegen könnten. Das war nicht einfach zu bewerkstelligen, auch nicht mit Geld. Denn Dänemark und Schweden waren Konkurrenten um die Vorherrschaft in der Ostsee, weder Christian von Dänemark noch Gustav Adolf von Schweden konnten es sich erlauben, dem jeweils anderen den Rücken zuzukehren. Ein Krieg im Reich war ein Risiko. Immerhin war gegenwärtig Polen, das ebenfalls in der Ostsee mitmischen wollte, in die Schranken gewiesen. Gustav Adolf war militärisch der wohl kompetentere der beiden Könige, dafür gehörte Christian über sein Herzogtum Holstein zu den Ständen des Reiches, er war aus Sicht der reichsrechtlichen Legitimität die bessere Wahl. Christian bezog zudem den Großteil seiner Einnahmen nicht aus Steuern, sondern aus den Handelszöllen, die ihm unmittelbar zuflossen. Er musste für die Finanzierung eines Krieges also nicht seine Fürsten zu Rate ziehen. Zudem fürchtete der Däne, dass – wenn er den Kriegseintritt ablehnt – Gustav Adolf den Job übernehmen würde. Und wenn er im Reich dann erfolgreich sein würde, wäre Schweden fortan eine Nummer zu groß für Dänemark. Christian IV. ging das hohe politische Risiko nach einigem Überlegen ein. Um erfolgreich zu sein, musste er seine bewährte Strategie einsetzen: Vorfinanzierung der Armee aus eigenen Mitteln, den Krieg in das Gebiet des Gegners tragen und so die Truppen durch Plünderungen unterhalten, dann Refinanzierung der vorgeschossenen Kriegskosten durch Entschädigungen von Seiten des Kriegsgegners im Rahmen eines Friedensvertrags. Halte ich in EU4 auch gerne so, ich nehme immer gerne die Geldforderungen und zehnprozentigen Reparationen mit rein.



    Christian IV. ging die Haager Allianz mit den Niederlanden und England ein, betonte dabei aber, dass er dabei keinesfalls gegen spanische Truppen kämpfen würde. Den Job hatten indirekt die beiden anderen Allianzmitglieder zu übernehmen, und zwar, indem sie die Manöver der spanischen Flotte in der Nordsee blockieren würden. Der neue englische König Charles I. (sein Vater James war kürzlich gestorben) war ein Gegner Spaniens und gerne bereit, diesen Part beizutragen. Klar war Christian IV. sicher auch, dass die dänische Flotte trotzdem spätestens dann gefragt sein würde, wenn die Spanier ihre Schiffe bis zur Ostsee schicken würden. Der sächsische Kurfürst war nur am Rande beteiligt. Auch wenn mit Dänemark seiner Forderung nach einer reichsrechtlich legitimen Weise entsprochen worden war, stellte Georg Wilhelm statt der versprochenen Truppen lieber nur Subsidien. Der Kurfürst wollte gegen die Liga, aber nicht gegen den Kaiser kämpfen – eine unrealistische Vorstellung, so wie die Dinge lagen. Ein Paradebeispiel für die zögerliche Haltung der protestantischen Fürsten im Reich.

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    Der Dreißigjährige Krieg

    Neben den niedersächsischen Kreisen gab es nur einen Protestanten im Reich, der sich vorbehaltlos der Allianz anschloss, nämlich den Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel. Der wollte den Protestantismus auch in der Region Hessen-Marburg einführen, was ihm gar nicht zustand. Kein Wunder, dass sich Moritz etwas von seinem Beitritt zur Allianz versprach. Das aber machte ihn zu einem ersten militärischen Ziel der katholischen Liga, als 1625 die zwischenzeitlich geführten Friedenssondierungen im Reich für gescheitert erklärt wurden.



    Unter diesen Umständen ist es nicht überraschend, dass Wallenstein zügig die Unterschrift des Kaisers erhielt, eigenständig ein Heer aus dem Boden zu stampfen und Ferdinand II. zur Verfügung zu stellen. Herzog Maximilian war eifersüchtig auf Wallenstein, er war jedoch auf dessen militärischen Beistand angewiesen, nun, da Dänemark in Norddeutschland auf dem Kriegsschauplatz erschien. Und man kann nur vermuten, was sich der ebenso stramme Katholik Tilly, der bisher verlässlich alle Schlachten gewonnen hatte, gedacht haben mag, als ihm Wallenstein vor die Nase gesetzt wurde. Tilly selbst hatte den Rang eines Grafen, und jetzt war der wenig religiöse Wallenstein vom Kaiser kurzerhand zum Herzog erhoben worden. Im standesbewussten Adel war damit klar, wer von den beiden in der Heerführung künftig Koch und wer Kellner sein würde.

    Der Krieg kam 1625 in Norddeutschland noch nicht richtig in Gang. Tilly war mit dem Heer der Liga zwar nach Niedersachsen eingerückt, aber dann hatten Versorgungsprobleme und gegnerischer Widerstand ihn am weiteren Vormarsch gehindert. Der Feldzug erstarrte zu einem Positionskrieg, bei dem feste Plätze und Schlösser belagert und erobert, gehalten und zurückerobert wurden. Einen wirklichen Fortschritt machte dabei keine der beiden Seiten. Tilly musste auf Wallensteins Heer warten. Der war das Jahr über aber damit beschäftigt, Truppen zu mustern, sowie während dieser Zeit die südöstliche Flanke gegen einen möglichen Einfall Bethlens aus Ungarn zu sichern.



    Und Christian IV. wartete ab, ob es zu der erhofften Allianz mit England, den niederländischen Generalstaaten und Frankreich kommen würde. Jedoch sortierte in England der neue König Charles I. erst seine Regierungsgeschäfte, waren die Niederländer mit den Spaniern im Kampf gebunden, und in Frankreich war ein Hugenottenaufstand losgebrochen, der Richelieus Aufmerksamkeit beanspruchte. Für die Protestanten blieb vorläufig lediglich die Entscheidung offen, wie sie das Söldnerheer von Mansfeld einsetzen sollten. Sie schickten es nach Schlesien.

    Das war ein taktischer Zug. Mansfeld sollte sich in dieser Gegend nämlich mit den ungarischen Truppen von Bethlen vereinigen, der ihm entgegenritt. Gemeinsam planten sie, in Österreich einzumarschieren, auf den ersten Blick ein waghalsiges Unterfangen. Die Gelegenheit war aber günstig, denn in den Stammlanden des Kaisers war just ein heftiger Aufstand protestantischer Bauern ausgebrochen, den es nach Kräften zu fördern galt.



    Was den Bauernaufstand selbst betraf, setzte Ferdinand II. die Kürassiere unter dem Befehl des Grafen Pappenheim gegen die Aufständischen ein. Die Pappenheimer, wie sie genannt wurden, gingen derart brutal gegen die Bevölkerung vor, dass wir „unsere Pappenheimer“ bis heute sprichwörtlich nicht vergessen haben.



    Mit dem Befehl, den Zusammenschluss von Mansfeld und Bethlen zu vereiteln, wurde Wallenstein beauftragt, und damit war der geniale Logistiker in seinem Element. Dank seines enormen Manöverwert sowie durch Einsatz des Buttons Gewaltmarsch stellte er Mansfelds Heer im April 1626 beim Elbübergang an der Dessauer Brücke zwischen Magdeburg und Leipzig - und zerschlug es triumphal! Mansfeld musste sich nach Norden zurückziehen und seine Wunden lecken. Keine Sorge, auch Mansfeld war ein guter Logistiker, und so hatte er nach wenigen Wochen bereits wieder mehrere tausend Söldner um sich gescharrt. Er schaffte es sogar, anschließend durch Schlesien und Mähren nach Ungarn vorzustoßen, wo ihn Bethlen erwartete. Bei diesem zweiten Versuch zögerte Wallenstein nämlich, einzugreifen, weil das Gerücht aufgekommen war, der schwedische König würde in den Krieg eingreifen und mit einem Heer in Pommern landen. Es stellte sich aber heraus, dass Gustav Adolf stattdessen in Ostpreußen an Land ging, um gegen seinen polnischen Vetter Sigismund III. Krieg zu führen. Immerhin ermöglichte die unsichere Nachrichtenlage, dass Mansfeld und Bethlen sich treffen konnten. Natürlich hatte Mansfeld Heer nicht mehr die Schlagkraft wie vor Dessau, aber es genügte, um Wallensteins Truppe zu binden.

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  10. #595
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    Der Dreißigjährige Krieg

    (Habe seit September nicht mehr an der Story weitergemacht, deshalb die Unterbrechung - zunächst war da die CK3-Story im September, dann RL, sprich viel Arbeit und so....)

    Strategisch war dieser Erfolg jedoch bedeutungslos, weil zeitgleich am 26. August 1626 nicht Christian IV. Tilly, sondern umgekehrt Tilly Christian besiegte. Der Sieg Tillys über den Dänen beruhte nicht zuletzt darauf, dass Wallenstein bei seinem Aufbruch 12.000 Fußsoldaten und 5.000 Reiter zurückgelassen hatte, auf die Tilly im entscheidenden Moment zurückgreifen konnte. Wallenstein war Mansfeld also nicht mit dem gesamten Heer gefolgt, sondern nur mit 14.000 Mann. Und erneut gelang es Wallenstein, sich mit seinen Truppen zwischen die Heere von Mansfeld und Bethlen zu stellen. Er positionierte sich nämlich direkt vor die Nase des Ungarn und zwang ihm so eine Schlacht auf, bevor Mansfeld eintreffen konnte. Bethlens Truppe hatte zwar türkische Unterstützung erhalten und war zahlenmäßig klar überlegen, aber Mansfeld war nicht zur Stelle. Und mit seiner hauptsächlich aus leichten Reitern bestehenden Armee mochten der Ungar nicht ausprobieren, ob er Wallensteins in offener Feldschlacht besiegen kann. Bethlen zog es vor, in der Nacht vor der Schlacht, im Schutze der Dunkelheit, samt seiner Reiter schlicht abzuhauen. Wallenstein dürfte düpiert geguckt haben, als er im Morgengrauen bemerkte, dass ihm der Gegner abhanden gekommen war. Die Verfolgung der Berittenen mit Fußtruppen war natürlich sinnlos, in Ungarn hätte es sowieso nicht genügend zum Plündern und Fressen für seine Soldaten gegeben. Wallenstein zog sich nach Böhmen zurück, wofür er in Wien kritisiert wurde, aber es war die einzig logische Konsequenz. Die weitere Entwicklung gab ihm da Recht: In Ungarn hatten die Magnaten die Schnauze voll von Bethlen, dem der Rückzug einiges an Prestige gekostet hatte. Sie entzogen ihm die Unterstützung, das ungarische Reiterheer löste sich auf. Mansfeld stand alleine da in Ungarn, jetzt waren es seine Männer, die in der öden Gegend nicht genug zum Plündern fanden. Durch Krankheiten und Desertionen zerfiel auch Mansfelds Heer. Der Söldnerführer musste zusehen, an frisches Geld für neue Truppen zu kommen. Dazu wollte sich Mansfeld nach Venedig durchschlagen, doch er starb auf dem Weg dorthin, vermutlich an der Tuberkulose, in der Nähe von Sarajevo.

    Und damit traten auf protestantischer Seite die Protagonisten der ersten Phase ab: Mansfelds Tod ereignete sich am 30. November 1626, bereits im Juni zuvor war der tollkühne Christian von Braunschweig gestorben, und Bethlen spielte ab 1626 im Dreißigjährigen Krieg keine Rolle mehr und starb drei Jahre später. Der Däne Christian IV. war jetzt im Wesentlichen der einzige Heerführer auf protestantischer Seite.



    Seit Mai 1626 sah sich Christian IV. einem Belagerungskrieg ausgesetzt, den Tilly gegen ihn führte. Eine Festungsstadt nach der anderen fiel an die Katholiken. Am wichtigsten war der Fall der befestigten Stadt Münden, weil sie strategisch wichtig am Zusammenfluss von Fulda und Werra lag. Als Tilly Münden hatte, lag ihm der Raum Nordhessen-Südniedersachen komplett offen für Operationen. Die Bevölkerung von Münden, die sich gegen die Einnahme ihrer Stadt zur Wehr gesetzt hatte, ließ Tilly übrigens mit einem Massaker bestrafen, bei dem eintausend Menschen niedergemacht wurden. Tilly tat dies nicht aus Blutdurst heraus, er setzte den Terror strategisch ein. Jede weitere Stadtbevölkerung und Festungsgarnison, die von Tillys Heer belagert wurde, sollte wissen, was folgt, wenn man sich der Aufforderung zur Kapitulation widersetzt.

    Nach Münden hatte Tilly die Möglichkeit, den protestantischen Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel militärisch-politisch aus dem Spiel zu nehmen. Moritz war derjenige mit dem Wunsch, Hessen-Darmstadt den Protestantismus aufzudrücken. Kassel wurde durch die Truppen der Liga besetzt, den Vergleich zwischen Kassel und Darmstadt schlossen die Vertreter der neuen Generation: Moritz von Hessen-Kassel dankte Anfang 1627 zugunsten seines Sohnes Wilhelm ab, in Hessen-Darmstadt trat nach dem Tod des alten Landgrafen dessen Sohn Georg II. das Amt an. Wilhelm musste Katzenelnbogen an Georg abtreten und aus der antikaiserlichen Koalition austreten. Damit war Hessen raus, Tilly konnte ungestört nach Norden weitermarschieren, wo ihn Christian IV. erwartete.



    Der dänische König hatte bereits erkannt, dass es inzwischen nicht mehr genügen würde, sich hinter einem Ring von Festungen zu verschanzen. Er konnte den Krieg nur noch drehen, wenn er die Initiative ergriff, und das bedeutete, dass er sich Tilly stellen musste. Taktisch war ihm der Katholik überlegen, Christian IV. gelang es weder, ihn während der verwundbaren Phase des Belagerns zu stellen, er wurde durch kluge Truppenbewegungen auch noch ausmanövriert und musste sich nach Wolfenbüttel zurückfallen lassen. Tilly drehte den Spieß um und verfolgte das dänische Heer während dessen Rückzugs. Christian IV. musste sich unter diesen ungünstigen Voraussetzungen zum Kampf stellen, wenn er nicht den Tross und seine Artillerie zurücklassen und verlieren wollte. Er stellte sich nahe dem Dorf Lutter auf und bot Tilly die Stirn. Christian IV. versagte und verlor an diesem Tag im August 1626 nicht nur seine gesamte Artillerie, es fielen auf dänischer Seite auch noch 4.000 Mann, weitere 4.000 Soldaten gingen in Gefangenschaft oder desertierten. Der König selbst entkam nur mit Not dem Schlachtfeld. Auf katholischer Seite gab es, so hieß es, lediglich einige hundert Mann Verluste.



    Damit brach das zehnte Kriegsjahr an, 1627. Dänemark war endgültig in die Defensive geraten und agierte entsprechend. Christian musste sich wieder hinter seinen Festungsring verschanzen. Tilly klapperte eine Festung nach der anderen ab, belagerte sie bis zur Kapitulation oder Erstürmung. Eine zähe Angelegenheit, die wenig öffentlichen Ruhm einbrachte. Währenddessen marschierte Wallenstein von Ungarn aus recht zügig durch Schlesien nach Norden. Das gelang ihm, weil er in zangenförmigen Umfassungsoperationen seine Gegner permanent zum Rückzug zwang, wenn sie nicht abgeschnitten werden wollten. Wallenstein verstand es dabei, Flussläufe taktisch klug zu besetzen, über die der Feind seinen Nachschub erhielt. Der Generalissimus wurde durch seine Siege jetzt so populär, dass Soldaten des dänischen Heeres, selbst die fähigen Kommandeure aus Tillys Heer, zu dem neuen Star wechselten: Auf der Seite des Siegers gab es mehr Ruhm und Geld zu verdienen.

    Die Belagerungen in Norddeutschland prägten das gesamte Jahr 1627, erst im Dezember fiel die bedeutendste Festung Wolfenbüttel in die Hände der Liga. Tilly hatte sich ziemlich an den zahlreichen feindlichen Mauern abgekämpft, Wallenstein dagegen befahl nun über 40.000 Mann samt gewaltigem Geschützpark. Christian IV. musste zusehen, dass er abhaute. Er wich in sein Königreich zurück. Im Handstreich fielen Holstein und Jütland in katholische Hände. Was Christian IV. rettete, war seine dänische Flotte, die jede feindliche Invasion über das Wasser hinweg unterbinden konnte. Jede Partei saß auf seiner Seite des Ostseestrandes fest und konnte sich nicht hinüber wagen. Der dänische König war damit vom deutschen Kriegsschauplatz rausgeworfen worden.



    Zu seiner persönlichen Belohnung für die bisher erbrachten Aufwendungen sackte sich Wallenstein, mit Billigung des Kaisers, das Herzogtum Mecklenburg ein. Der bisherige protestantische Fürst Johann Albrecht II. musste zusehen, wo er bleibt – nämlich im Exil. Militärisch war es in den zehn Jahren für Wallenstein und die katholische Seite glänzend gelaufen, sie waren von einem Sieg zum nächsten geeilt. Der Kriegsunternehmer beurteilte jedoch die politische Situation für das kaiserliche Lager weniger positiv. Um Christian IV. endgültig zu schlagen, benötigte Wallenstein eine ordentliche Flotte, aber er musste 1628 erkennen, dass Kriegsschiffe produktionstechnisch bedingt nicht in einem solchen Tempo gebaut werden konnten, wie er es vom Aufstellen tausender Fußtruppen gewohnt war. Das brauchte einfach seine Zeit, auch in EU4 kann man mit wenigen läppischen Häfen nur einzelne Großschiffe binnen eines Jahres vom Stapel laufen lassen.



    Jemand anderes musste also die Schiffe stellen. Die Hanse zeigte sich auf Anfrage spröde, und als Wallenstein sie zwingen wollte, holte er sich bei der Belagerung von Stralsund eine blutige Nase. Die Hafenstadt war von der Landseite aus nicht einzunehmen, und bekam über das Meer einen steten Nachschub an Material und Soldaten. Es war Wallenstein klar, dass nur die spanische Flotte eine Invasion des restlichen Dänemarks zur See decken konnte. Spanien konnte mit dem Argument gelockt werden, dass ihre niederländischen Feinde stark auf den Ostseehandel angewiesen waren, um sich zu Lande der spanischen Übermacht zu erwehren. Kaiser Ferdinand II. gefiel die Vorstellung, gemeinsam mit seinen spanischen Verbündeten die Ostsee mit ihren fetten Handelsrouten zu beherrschen. Aber da machten die Flotten der Niederlande und Englands einen Strich durch die Rechnung. Sie blockierten den Ärmelkanal und drängten die spanischen Schiffe zurück. Der Traum vom großen Griff nach Dänemark und dem lukrativen Ostseehandel erwies sich als eine Nummer zu groß.

    Wallenstein machte das Anfang 1629 nachdenklich. Er sah nämlich voraus, dass Frankreich und Schweden auf protestantischer Seite eingreifen würden, und das würde die katholischen Kräfte im Reich überfordern. Wallenstein glaubte nicht an den Erfolg der Verhandlungen, die kaiserliche Diplomaten mit Frankreich führten, mit dem Ziel, einen katholischen Block aus Reich, Spanien und Frankreich zu bilden. Dazu lagen die französischen und spanischen Interessen zu sehr über Kreuz. Spanien strebte ja einen territorialen Korridor zu seinen Besitzungen in den südlichen Niederlanden an, mit dem Frankreich empfindlich eingekreist und abgewürgt werden würde. Maria de Medici, die Mutter des minderjährigen Königs Louis XIII., wäre für ein solches Bündnis vielleicht zu haben gewesen, doch in den vergangenen Jahren hatte Kardinal Richelieu die Kontrolle über die französische Politik übernommen – und der entwarf seine Strategien nicht nach konfessionellen Linien, sondern nach machtpolitischen Gesichtspunkten. Richelieu war klar: Habsburg und Spanien durften nicht stärker werden.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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  13. #598
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  14. #599
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Es wäre also eigentlich an der Zeit gewesen, den Krieg im Reich an dieser Stelle zu beenden und Frieden mit Dänemark und den Protestanten im Reich zu schließen. Wallenstein hatte zugleich aber das Problem, dass er sein Truppenlimit deutlich überschritten hatte. Rumstehen lassen konnte er sein Heer also nicht, dafür war der Unterhalt einfach zu teuer. Es musste ein anderer Krieg her. Wie wäre es, schlug er Kaiser Ferdinand II. für die Zeit nach einem Friedensschluss vor, wenn er mit seinem Heer gegen die Türken marschiert? Immerhin hatte der Sultan gerade Probleme mit Persien, die Situation war günstig. Der Habsburger winkte ab, er hatte eben erst einen langen Waffenstillstand mit dem Osmanischen Reich geschlossen - eben, um mit den Protestanten im Reich aufräumen zu können. Okay, maulte Wallenstein, dann sollten wir Polen im Krieg gegen Schweden stützen, damit Gustav Adolf dort beschäftigt bleibt. Das wurde zwar unternommen, aber die polnischen Adeligen empfingen Wallensteins Kontingente missmutig. Sie hatten keine Lust, ihre Ländereien zum Schauplatz ewiger Kämpfe mit Schweden zu machen. Frankreichs Richelieu betrieb nämlich das entgegengesetzte Konzept und vermittelte einen Frieden zwischen Polen und Schweden, nämlich damit Gustav Adolf als Schwert gegen das Reich gerichtet werden konnte.



    Immerhin, Wallenstein setzte sich mit dem Vorschlag durch, dass der Kaiser einen maßvollen Frieden mit Dänemark schließen sollte. Ferdinand II. ließ seine bislang überzogenen Forderungen fallen, so dass Christian IV. ohne Gesichtsverlust unterschreiben konnte. Damit war Dänemark raus aus dem Spiel. Das hätte das Ende des Krieges in Deutschland bedeuten können.

    Doch Ferdinand II. folgte den Einflüsterungen seines fanatischen Beichtvaters, der für ein hartes Vorgehen gegen die Protestanten war. Er mahnte, der Kaiser würde sich vor Gott versündigen, wenn er die ihm geschenkten Siege nun nicht nutzen würde, die Ketzerei im Reich zu beseitigen. Ferdinand II. folgte seiner Ansicht und erließ das sogenannte Restitutionsedikt. Im Klartext bedeutete dieses Edikt: Scheiß auf die Bestimmungen des Religionsfriedens von 1555, das Reich muss wieder rein katholisch werden. Selbst die Mitglieder der Liga mochten diese harte Linie nicht mehr mitgehen, und die Protestanten im Reich sahen sich sowieso existenziell bedroht. Der Kaiser überspannte politisch den Bogen, und Wallenstein ahnte das.



    Im katholischen Lager des Reiches brodelte es inzwischen merklich. Hört sich überraschend an nach den vielen Siegen, die Wallenstein für den Kaiser eingefahren hatte. Doch die katholischen Fürsten neideten dem Generalissimus den Erfolg, zugleich fürchteten sie seine Macht. Der Kaiser hatte dem Emporkömmling zur Kriegsführung so viele Vollmachten übertragen, dass Wallenstein als heimlicher Herrscher des Reiches galt. Er war sozusagen der erste neuzeitliche Militärdiktator, in seiner Rolle ein wenig vergleichbar mit der Rolle, die Erich Ludendorff im Ersten Weltkrieg unter Kaiser Wilhelm II. innehatte. Es hieß, selbst Ferdinand II. würde Wallenstein fürchten. Die protestantischen Fürsten hatten sowieso allen Grund dazu, ihn zu hassen. Die katholischen Fürsten fragten sich inzwischen aber auch, wann sie unter die Räder von Wallensteins Kriegsmaschinerie geraten würden. Vor allem der bayerische Herzog Maximilian erkannte, dass der Generalissimus entmachtet werden musste.

    Der Stapel an ungelösten Problemen:
    • die entzogenen Rechte der böhmischen Stände
    • ist Ferdinand II. oder Friedrich V. der legitime König von Böhmen
    • die Reichsacht gegen Friedrich V.
    • die Besetzung der Lausitz durch Sachsen
    • die Besetzung der Pfalz durch Bayern
    • der Übergang der Kurstimme von der Pfalz zu Bayern
    • die spanischen Interessen in den Niederlanden
    • die Religionsfreiheit der Protestanten im Reich
    • die Rückführung von Kirchenbesitz in katholische Hände
    • Frankreichs Angst vor dem spanischen Korridor
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  15. #600
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Zwischenphase: Italien und Polen

    Militärisch betrachtet verlagerte sich der Konflikt nun an die Peripherie des Reiches. Wallenstein hatte, wie erwähnt, erfolglos die Polen gegen Schweden zu stützen. Zugleich tat sich ein neuer Schauplatz auf, nämlich das strategisch wichtig gelegene Herzogtum Mantua. Dessen Herzog hatte keine eigenen Kinder und stand in hohem Alter. Über die Frage, welchem seiner Verwandten die Nachfolge zustehe, stritten sich Spanien und Frankreich. Wer die Gegend von Montferrat beherrschte, hatte den Schlüssel zur Herrschaft über Italien. Spanien konnte Frankreich damit einen territorialen Riegel vorschieben und zugleich seinen Korridor zu den Niederlanden ergänzen. Kein Wunder, dass Richelieu energisch den Erbfolge-Kandidaten Karl von Nevers mit allen Mitteln unterstützte, während Spanien einen Kandidaten mit einem schwächeren Anspruch auf Mantua vorschob. Das Problem für Ferdinand II. war, dass das Herzogtum Mantua zu Reichsitalien gehörte, er als Kaiser war hier traditionell als Schiedsrichter gefragt. Und das taten die Spanier auf ihre Weise: Felipe IV. ließ Ferdinand unmissverständlich ausrichten, dass er von ihm nun eine Gegenleistung für den spanischen Kriegsbeitrag im Reich erwartete. Der Kaiser konnte sich unmöglich aus der Angelegenheit heraushalten, ohne Prestige zu verlieren.

    Ferdinand entschied sich dazu, eigene Truppen nach Mantua zu schicken, um anschließend seine Rolle als Schiedsrichter wahrzunehmen. Wallenstein folgte dem Befehl zähneknirschend, und es kam, wie er befürchtete. In Montferrat tobten bereits die Kämpfe zwischen Frankreich und Spanien, da konnte man sich nur die Finger verbrennen. Zwar gelang es, die stark befestigte Stadt Mantua einzunehmen – nicht durch einen Angriff, sondern weil eine Seuche die Verteidiger in Mantua auslöschte – aber im wichtigeren Montferrat schlugen die Franzosen die Spanier in die Flucht. Ferdinand II. konnte jetzt nur noch zwischen den schlechten Alternativen wählen, es entweder direkt mit Frankreich aufzunehmen, oder Karl von Nevers als Herzog von Mantua anzuerkennen. Der Kaiser hatte das Spiel überzogen, selbst der Papst Urban VIII. forderte ihn zum Nachgeben auf, weil er keinen Krieg auf italienischen Boden wünschte.



    Ferdinand II. musste den Krieg um Mantua im Frühjahr 1631 verloren geben und schloss einen demütigenden Frieden. Seine Autorität und die von Spanien wurde damit schwer beschädigt. Hatte er ein Jahr zuvor mit Dänemark noch einen triumphalen Frieden mit Dänemark geschlossen, befand sich der Kaiser nun in einer Position der Schwäche und des Rückzugs aus Italien. Für die katholische Sache war das nicht nur ein Dämpfer, die ganze Aktion um Mantua war ein totales Desaster. Felipe IV. bezeichnete seinen Einmarsch in Montferrat später als seinen schwersten politischen Fehler.

    Wallensteins Truppen kehrten zu dieser Zeit ebenso erfolglos aus Polen zurück. Die Polen hatten, dem Wunsch des Kaisers zum Trotz, Frieden mit Gustav Adolf geschlossen. Schweden konnte nun aktiv in die Angelegenheiten des Reichs eingreifen. Zunächst hatte Wallenstein gedacht, dass die schwedische Armee eher rückständig sei. Da gibt es die Anekdote von der erbeuteten schwedischen Lederkanone, die Wallenstein in Güstrow vorgeführt wurde. Es handelte sich um ein leichtes Geschütz, dessen dünnwandiges Kanonenrohr mit Leder umkleidet war, um bei Erhitzung das Zerspringen des Laufs zu verhindern. Auf die Bedeutung dieser Kanone konnte man sich keinen rechten Reim machen, bis Tilly bei Breitenfeld mit ihrem taktischen Einsatz konfrontiert wurde. Zunächst sah man darin eher ein Zeugnis schwedischer Rückständigkeit. In Wahrheit hatte Gustav Adolf als erster die militärische Technologie Nr. 18 entdeckt.



    Auch in den Niederlanden lief der Krieg jetzt schlecht für die katholische Seite, sprich die Spanier. Der Abzug großer Truppenteile nach Italien machte sich hier dramatisch bemerkbar. Und dann fiel der niederländischen Flotte auch noch die spanische Silberflotte des Jahres 1628 in die Hände – Geld, das Felipe IV. schmerzlich fehlte und gleichzeitig seinen Gegnern nun zugute kam. Der Oranierprinz Friedrich Heinrich nahm die strategisch wichtige Festung Wesel ein und zwang die Spanier dazu, ihre Truppen bis zum Raum Jülich und Berg zurückzunehmen. Damit war auch der dritte Feldzug außerhalb Deutschlands gescheitert, alle um das Jahr 1630 herum.

    Die kaiserliche Macht, eben noch auf ihrem Höhepunkt, hatte in Norditalien und den Niederlanden einen erheblichen Prestigeverlust erlitten, und in Polen war es ihr nicht gelungen, den schwedischen König weiter in einen lange währenden Krieg außerhalb des Reichs zu verwickeln.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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