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Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #601
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Phase Drei: Schweden

    Gustav II. Adolf hatte durch den Friedensschluss mit Polen nun die Möglichkeit, aktiv in den Krieg im Reich einzugreifen. Seine Motive waren stets zweierlei geleitet: Zum einen war er gläubiger Protestant, und als solcher sah er sich in der Pflicht, dem Vormarsch der Katholiken in Deutschland Einhalt zu gebieten. Zum zweiten trieben Gustav machtpolitische Erwägungen. Schweden, das war ihm klar, konnte seine Dominanz in der Ostsee nur dann bewahren, wenn seine südlichen Ufer nicht in der Hand seiner Feinde waren, oder besser noch in schwedischer Hand waren. Die Gelegenheit war günstig, einen offensiven Schritt zur Verbesserung der strategischen Defensive zu wagen.

    Am 6. Juli 1630 landete Gustav Adolf mit einer eher bescheidenen Streitmacht von 10.400 Mann Infanterie, 2.750 Reitern sowie 81 Geschützen auf der Insel Usedom. Durch seine Lage war der Brückenkopf verhältnismäßig gut zu verteidigen. Ihn abzusichern hatte erste Priorität, bevor es weitergehen konnte. Im Osten des Brückenkopf beeilte Pommern sich, seine wohlwollende Neutralität zu versichern. Und im Westen lag das perfekte Ziel, Wallensteins neuer Besitz Mecklenburg, das dieser aufgrund der neuesten Entwicklungen nicht mehr großartig verteidigen konnte. Nach der Einnahme dieser Region hielt Gustav Adolf zunächst inne, vor weiteren Schritten mussten die Versorgungsprobleme seiner Armee bewältigt sein.



    Spannend war in diesen Wochen, wie sich die Kriegsherren und Anrainerstaaten auf den neuen Akteur einstellten. Im Juni 1630 fand ein Reichstag in Regensburg statt, den Kaiser Ferdinand II. ziemlich in den Sand setzte. Er wollte, dass die Kurfürsten schon einmal seinen Sohn zum König wählen, also zum designierten Nachfolger für die Kaiserwürde ernennen. Die Kurfürsten, inklusive der katholischen, waren grundsätzlich damit einverstanden. Allerdings unter der Bedingung, dass Ferdinand etwas an seinem harten Restitutionsedikt ändert, außerdem sollte er seinen General Wallenstein aus seinen Diensten entlassen. Die Forderungen kamen wie gesagt von den katholischen Fürsten, die Wallenstein misstrauten und mit den Protestanten ein Grundlage für einen Kompromissfrieden suchten. Im Hintergrund hatte Frankreich die Haltung der katholischen Fürsten auf dem Reichstag orchestriert, ein diplomatisch guter Schachzug gegen die Habsburger. Ferdinand II. befolgte die Forderung nach Wallensteins Demission und schickte den Feldherrn nach Hause. An seinem Edikt wollte der Kaiser hingegen nichts ändern, denn das dies berührte den Kern seiner Politik. Okay, antworteten die Fürsten, Wallensteins Entlassung nehmen wir, aber so sehen wir uns trotzdem nicht in der Lage, Deinen Sohn zum König zu wählen. Der Reichstag endete also ergebnislos, abgesehen von der durchaus bedeutenden Entlassung Wallensteins, der sich in sein Herzogtum Friedland zurückzog. Richelieu konnte zufrieden sein, die katholischen Fürsten längst des Rheins hatten sich politisch vom Kaiser entfernt und auf Frankreich zubewegt.



    Auf protestantischer Seite, könnte man meinen, müsste das Eingreifen Schwedens für Begeisterung sorgen, aber das war weit gefehlt. Nur wenige Akteure wie die Stadt Magdeburg oder der Landgraf von Hessen-Kassel oder auch Weimar stellten sich unverzüglich und klar auf die Seite Gustav Adolfs. Die anderen protestantischen Fürsten agierten deutlich zurückhaltender. Vor allem Brandenburg und Sachsen waren gar nicht begeistert, dass die Schweden vor ihren Grenzen gelandet waren. Ja, die Kurfürstentümer waren protestantisch, aber sie waren auch loyale Mitglieder des Reiches. Beide Kurfürsten versuchten, sich auf eine neutrale Position zu lavieren, als Anführer einer dritten politischen Position zwischen dem Kaiser und Gustav Adolf. Es war für Brandenburg und Sachsen zu gefährlich, sich für eine Seite zu entscheiden und damit die jeweils andere Seite zum Einmarsch zu animieren. Also luden die beiden Kurfürsten die protestantischen Stände nach Leipzig ein, um mit ihnen eine gemeinsame politische Linie abzustimmen, mit der man sowohl dem Kaiser als auch Gustav Adolf diplomatisch geschlossen entgegentreten wollte. Das Problem war, dass man gar nicht über die Macht verfügte, um seine neutrale Position im Zweifel auch durchzusetzen. Allen Fürsten stand in Leipzig vielmehr der Angstschweiß auf der Stirn, und so gab es außer viel Laberei rein gar nichts Greifbares, das Sachsen und Brandenburg mit ihnen organisiert bekamen.

    So brach das Jahr 1631 an, der Krieg war nun im vierzehnten Jahr. Gustav Adolf hatte seinen Brückenkopf an der Küste gesichert und konnte aktiv werden. Ja, er musste aktiv werden, wenn er sein Heer weiter ernähren und bezahlen wollte. 11.000 Mann seines Heeres ließ er zur Sicherung in Pommern zurück, 14.000 Soldaten schickte er Richtung Schlesien, um den Oderlauf zu besetzen. Das Hauptheer mit 30.000 Mann schickte er nach Südwesten, gedacht für eine Entscheidungsschlacht mit der Liga: Tilly verfügte zu dieser Zeit vor Ort über 14.000 Bewaffnete, und hatte zu dieser Zeit noch die Möglichkeit, den Ort der Begegnung mit Gustav Adolf zu bestimmen.



    Sein draufgängerischer Kommandeur Pappenheim votierte dafür, offensiv gegen das protestantische Magdeburg zu marschieren, die Stadt einzunehmen und dann zum Stützpunkt für weitere Aktionen zu verwenden. Der vorsichtigere Tilly dagegen wollte eine Taktik der beweglichen Defensive einsetzen. Natürlich sollten die Kriegshandlungen bevorzugt in feindlichem Gebiet stattfinden, und so marschierte die Liga in Neubrandenburg ein und verwüstete das Land.



    Das schrie nach Revanche von protestantischer Seite. Gustav Adolf stieß seinerseits Richtung Frankfurt vor und nahm die Stadt im April 1631. Sein nächstes Ziel war Landsberg. Aufgrund des schwedischen Vormarschs ging Tilly auf den Wunsch von Pappenheim ein, der sich Magdeburg vornehmen wollte. Er zog 26.000 Soldaten zusammen, um die Stadt zu nehmen, denn er wusste: Mit Magdeburg in Besitz der Liga würde Gustav Adolf gezwungen zu reagieren, denn er konnte einen solchen katholischen Stützpunkt im Rücken seiner Armee nicht erlauben. Die Lage von Magdeburg war verzweifelt: Hinter den Mauern befanden sich neben den 25.000 Einwohnern nur 2.500 Verteidiger, die es mit der zehnfachen militärischen Macht der Liga aufnehmen mussten. Hilfe durch Gustav Adolf war kurzfristig nicht zu erwarten, und so diskutierten die Oberen von Magdeburg über Optionen, wie sie mit Tilly in Verhandlungen treten sollten. Dem standen die einfachen Stadtbewohner gegenüber, die abseits der Fakten auf ein göttliches Wunder setzten und fanatischen Widerstand leisten wollten. Zweimal schon hatte Magdeburg in der jüngeren Vergangenheit einer Belagerung standgehalten, das sollte auch jetzt passieren.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  2. #602
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Wie zum Hohn grüßte von den Mauern das Stadtsymbol, die Jungfrau mit zwei Kränzen (für die zwei gescheiterten Belagerungen) sowie einem dritten Kranz, den die Figur den Belagerern entgegenhielt. Für die Katholiken die provokante Herausforderung, es dieser „Jungfrau“ zu zeigen und sie zu schänden. Am 20. Mai 1631 erfolgte der Sturm der Liga auf Magdeburg, und die Soldaten schafften den Einbruch in die Stadt. Die Kämpfe und die Plünderungen tobten in außerordentlichem Maße, offenbar gerieten dabei die Feuer innerhalb der Stadt außer Kontrolle. Am Ende des Tages war Magdeburg völlig niedergebrannt, von den Einwohnern waren 80% getötet und sämtliche protestantischen Soldaten niedergemacht worden. Eine ungeheuerliche Mordtat der Katholiken, selbst Tilly zeigte sich zerknirscht über das Resultat seines Angriffs.



    Die Vernichtung von Magdeburg hatte nämlich erhebliche Auswirkungen: Der Buchdruck war inzwischen recht verbreitet, zahlreiche Flugblätter sorgten dafür, dass die deutsche Öffentlichkeit von dem Massaker erfuhr. Für die Protestanten im Reich war durch die Propaganda nun klar, dass die Katholiken ihnen an den Kragen wollten. Die öffentliche Meinung kippte, und Tillys Reputation war dahin. Bis jetzt hatte er respektvoll als der „Mönch im Harnisch“ gegolten, nach Magdeburg hatte er den Ruf eines „Jungfrauenschänders“. Auch aus militärischer Sicht war es ein Debakel, denn Tilly konnte die zerstörte Stadt nun nicht mehr als Truppenstützpunkt für weitere Aktionen nutzen. Politisch war außerdem eine Folge, dass Sachsen und Brandenburg unter dem Eindruck dieses Ereignisses zur protestantischen Seite kippten. Vor allem Sachsen konnte angesichts der Heere beider Seiten, die an seinen Grenzen standen, nicht länger neutral bleiben. Nach Magdeburg blieb Sachsen nur noch die Wahl, sich Gustav Adolf in die Arme zu werfen und sich am 12. September 1631 mit ihm zu verbünden.



    Das war nicht ungefährlich für Kurfürst Johann Georg, denn aus Süddeutschland rückten starke kaiserliche Verbände heran. Auch Gustav Adolf hatte seine Truppen inzwischen in die umstrittene Region gezogen. Alles war bereit für die entscheidende Schlacht, die einige Tage später in Breitenfeld stattfinden sollte. Es sollte die blutigste Feldschlacht des Dreißigjährigen Krieges werden.

    Die Schweden verfügten in Breitenfeld über knapp 25.000 Mann, Sachsen steuerte gut 18.000 Soldaten bei. Beide zusammen kamen also auf über 43.000 Mann, denen auf Seiten Tillys 32.000 Soldaten gegenüber standen. Der katholische Angriff erfolgte an beiden Flügeln ihrer Schlachtaufstellung gleichzeitig, das war unüblich. Vielleicht war das der Ungeduld Pappenheims geschuldet, dem das vorsichtige Agieren Tillys auf die Nerven ging. Jedoch: Dem Kanonenfeuer und den Musketensalven der Schweden war der katholische Angriff nicht gewachsen, die Attacke konnte nicht in Gustav Adolfs Formationen einbrechen. Einen Teilerfolg erzielten die Liga-Truppen, sie schlugen die Truppen der Sachsen in die Flucht. Trotzdem behielten die Schweden in Breitenfeld den Sieg in ihrer Hand. Gustav Adolf ging im richtigen Augenblick zum Gegenangriff über und zerfetzte das katholische Heer. Tilly war das erste Mal in seiner Karriere böse geschlagen worden.

    Nach diesem großartigen Sieg war der Weg für Gustav Adolf frei: Er konnte sich aussuchen, wohin er seinen nächsten Zug machen wollte, und dafür gab es drei Optionen: 1) Er konnte entweder dem fliehenden Feind nachsetzen und ihn vernichten. Die Reste des Liga-Heers hatten sich nach Nordwesten abgesetzt. Wenn der schwedische König dort mit ihnen aufräumte, waren die Küsten und die Ost- bzw. Nordsee für ihn gesichert. Das war die erste Option. 2) Alternativ konnte er das protestantische Heer Richtung Südosten marschieren lassen, und zwar in die Stammlande der Habsburger, in die Höhle des Löwen. Die erste Etappe hierbei war Böhmen, danach würde der Angriff auf Österreich und Wien folgen. Das war die riskante „Napoleon-Variante“. 3) Die dritte Möglichkeit war die Eroberung der so genannten „Pfaffengasse“ im Südwesten. Wenn man die Erzbistümer am Rhein und anschließend Bayern einnehmen würde, konnte man der katholischen Seite quasi den Geldbeutel zudrücken und die Fortsetzung der eigenen Kriegsführung gut finanzieren. Gustav Adolf entschied sich nach einigem Überlegen für die dritte Variante. Eigentlich hätte Sachsen gerne diesen Job übernommen, immerhin gab es hier die meiste Beute zu machen. Doch nach der Flucht seiner Truppen in Breitenfeld hatte Kurfürst Johann Georg nicht die Stimme, um seine Wünsche durchzusetzen. Er erhielt vom schwedischen König stattdessen die Aufgabe, sich um Böhmen zu kümmern.



    Der Siegeszug durch Deutschland, den Gustav Adolf nach dem Sieg von Breitenfeld antreten konnte, beunruhigte die katholische Seite zu Recht. Bis jetzt hatte man gedacht, dass man mit Schweden ebenso gut fertig werden würde, wie es mit Dänemark geschehen war. Nicht umsonst hatten die Fürsten den Generalissimus Wallenstein in die Abdankung gedrängt. Das änderte sich jetzt schlagartig, Wallenstein war angesichts der Not plötzlich wieder ein gefragter Mann. Mit Zustimmung seiner Fürsten bekniete Ferdinand II. ihn, doch bitte wieder den Oberbefehl über das kaiserliche Heer zu übernehmen. In ihrer Not öffnete der Habsburger seine Geldschatulle weit auf, Wallenstein bekam sogar noch mehr Vollmachten angeboten, als er zuvor ohnehin gehabt hatte. Er überlegte hin und her - eventuell spielte er gar mit dem Gedanken, sich in den Dienst der Gegenpartei zu stellen. Aber schließlich sagte er dem Kaiser zu und machte sich daran, in Böhmen ein neues Heer auf die Beine zu stellen. Damit war Wallenstein ja in seinem Element.

    Gustav Adolf nutzte die Zeit, die ihm zur Verfügung stand, bis die Gegenseite sich wieder sammeln konnte. Bis zum Dezember 1631 belagerte und eroberte er die Reichsstadt Frankfurt und das Kurfürstentum Mainz. Jetzt standen die Schweden mit beiden Beinen im Südwesten des Reiches, auch an den Grenzen zu Bayern, das ja dem öfters genannten Herzog Maximilian gehörte. Sowohl die rheinischen Fürsten als auch Maximilian bekamen es mit der Panik zu tun. Wenn der Kaiser sie nicht vor Gustav Adolfs Siegeszug bewahren konnte, mussten sie sich einen neuen Beschützer suchen. Sie klopften beim französischen König an, um sich mit seiner Hilfe in den Status der Neutralität gegenüber Schweden zu flüchten. Kardinal Richelieu gefiel es außerordentlich gut, dass die Deutschen sich an Frankreich wandten, war das doch eine weitere Schlappe für die Habsburger. Außerdem war Richelieu der schwedische König zu erfolgreich geworden. Man munkelte, dass Gustav Adolf sogar den Griff nach der Kaiserkrone des Reichs wagen könnte. Frankreich unterstützte Schweden zwar bei seinem Krieg gegen Habsburg, aber so weit sollte es nun auch wieder nicht kommen.

    Das Jahr 1632 brach an, Gustav Adolf setzte seinen Vormarsch im Südwesten fort. Im März wurde er begeistert in Nürnberg empfangen, im April besetzte das schwedische Heer Donauwörth (den Schauplatz der Tumulte um den katholischen Fahnenzug vom Beginn des Kapitels). Das protestantische Heer kam jedoch allmählich an die Grenzen seiner Stoßkraft. Clausewitz nannte den Effekt später den „Kulminationspunkt des Angriffs“, an dem sich eine kräftig begonnene Offensive allmählich verlief: Denn Gustav Adolf war gezwungen, in den von ihm eroberten katholischen Städten und Festungen Garnisonstruppen zu hinterlassen, die er von den Truppen seines Hauptheeres abziehen musste. In EU4 hat man damit nicht zu kämpfen, weil sich die Garnisonen von eroberten Festungen monatsweise von alleine auffüllen.



    Trotzdem, das nächste Ziel für Gustav Adolf lag auf der Hand: Bayern. Das wollte Herzog Maximilian natürlich vereiteln, es ging jetzt um sein eigenes Land. Gemeinsam mit Tilly stellte er das Heer der Liga an Lech und Donau auf, um den Schweden aufzuhalten. Zugleich erging der Hilferuf an Wallenstein, er solle seine Truppen zur Verstärkung heranführen. Doch Wallenstein entschied sich, vorerst in Böhmen zu bleiben. Er argumentierte, sein Heer sei noch immer im Aufbau begriffen, außerdem müsse er Böhmen gegen einen Angriff der Sachsen schützen. Das war durchaus richtig. Zur Wahrheit gehörte allerdings auch, dass Wallenstein damit auch sein eigenes Herzogtum Friedland schützen wollte – und zugleich das Herzogtum Bayern seines Rivalen Maximilian bequem dem Zugriff des Feindes preisgeben konnte. Kein Wunder, dass Maximilian über Wallenstein verärgert war, der Generalissimus spielte innerhalb der katholischen Fraktion offenbar sein eigenes Spiel.

    Die Stellung von Tilly und Maximilian bei Rain am Lech lag zwischen zwei Flussläufen und hatte die Form einer Pfeilspitze, schwer zu nehmen. Gustav Adolf konnte nicht einfach an dieser Stellung vorbeimarschieren, denn er war nicht in der Lage gewesen, Ingolstadt und Regensburg einzunehmen. Er konnte es nicht riskieren, bei einem Vormarsch zwei feindliche Festungen und dann noch das Heer der Liga im Rücken seines Heeres zu haben. Er musste Tilly und Maximilian also bei Rain schlagen.

    Das katholische Heer wurde quasi überrumpelt: Zum einen postierte Gustav Adolf seine Kanonen auf einigen leichten Anhöhen, wo sie wenige Meter Höhenmeter Vorteil hatten, und beschoss die katholische Stellung. Auf dem Schlachtfeld waberte der Pulverdampf, der den Katholiken die Sicht nahm. Gustav Adolf verstärkte diesen Vorteil, indem er grünes Holz anzünden ließ. Im Schutze des Qualmes konnten schwedische Truppen unauffällig den weiteren Flusslauf inspizieren, bis sie einen Übergang fanden. Zur Ablenkung führten die Schweden einen vorgetäuschten Frontalangriff auf die katholische Stellung durch, damit Tilly nicht sogleich merkte, dass die Schweden bereits in seinem Rücken über den Lech setzten.



    Der Brückenkopf wurde stetig erweitert, Gegenangriffe der katholischen Reiterei wurden zurückgewiesen. Nachdem Tillys Stellvertreter General Aldringen schwer verwundet aus dem Gefecht ausscheiden musste, ritt Tilly selbst heran, um die Angriffe zu koordinieren. Da traf ihn eine schwedische Doppelkugel, zerschmetterte sein Bein und warf ihn vom Pferd. Man brachte ihn zurück zum Lager. Kurfürst Maximilian musste jetzt selbst das Kommando übernehmen. Er erkannte den Ernst der Lage und musste sich schnell entscheiden: Die Schlacht unter diesen ungünstigen Umständen ausfechten, oder den Rückzug anordnen. Maximilian erkannte, dass es vernünftiger war, das katholische Heer zu retten – auch um den Preis, sein Bayern preisgeben zu müssen. Tilly, der inzwischen das Bewusstsein wiedererlangt hatte, stimmte dem Entschluss zu. Als die Schweden am Morgen des 16. April 1632 die Befestigungen der Liga stürmen wollten, waren sie leer. Die zur Verfolgung losgeschickte Kavallerie bekam nur einige Nachzügler zu fassen. Gustav Adolf war ein weiterer glänzender Flussübergang gelungen, aber sein Ziel, die Vernichtung des Liga-Heeres, hatte er verfehlt.

    Die Schweden belagerten später Ingolstadt, zogen jedoch bald wieder ab. Damit fand der schwedische Siegeszug vorläufig sein Ende. Der Krieg, der nach der Schlacht von Breitenfeld ein rasendes Tempo aufgenommen hatte, wurde nun wieder entschleunigt, und dabei verzettelte er sich immer mehr. Irgendwie verlor Gustav Adolf sein Ziel aus den Augen, er begnügte sich damit, monatelang eine weithin wehrlose Zivilbevölkerung auszuplündern, statt dem Feind nachzusetzen. Der König war ratlos, ohne einen Plan, wie die Entscheidung herbeigeführt werden sollte.

    Am 30. April, zwei Wochen nach der Schlacht, verstarb Tilly in Ingolstadt an den Folgen seiner Verwundung. Die letzten Tage seines Lebens, das für einen ständig auf Feldzügen befindlichen Soldaten sehr lange währte – er war 73 Jahre alt – beschäftigte er sich mit militärischen Anweisungen und religiösen Praktiken. Er war ein bedeutender Feldherr, für den Fortgang des Krieges indes bedeutete sein Tod keine Zäsur.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  3. #603
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Gustav Adolf verharrte also in Bayern und wartete den nächsten Zug der Gegenseite ab. Alle Blicke waren nun auf Wallenstein gerichtet, der allmählich ein gewaltiges Heer von 100.000 Mann aufstellte. Nach dem Tode Tillys gehörte übrigens auch das Regiment Pappenheims zu den Truppen, die direkt dem Kommando Wallensteins unterstanden. Dieses gewaltige Heer war der Grund, warum Gustav Adolf es nicht wagte, nach Österreich einzumarschieren – er wäre womöglich böse zwischen die Truppen der Liga und Wallensteins geraten. In Wien wurde man unruhig, wann endlich der Gegenschlag losgehen würde. Aber Wallenstein ließ sich Zeit für Sondierungen. Er sah die Chance, Sachsen aus der schwedischen Koalition herauszutrennen, weil der Kurfürst sich nämlich weiterhin der Einheit und Stabilität des Reiches mehr verpflichtet fühlte als der protestantischen Sache. Entsprechend ging er militärisch ziemlich sanft gegen Sachsen vor, das Signal wurde sowohl in Dresden wie auch in Wien bemerkt. Im Umfeld des Kaisers meldeten sich erneut diejenigen zu Wort, die Wallensteins umfassenden Vollmachten schon immer kritisch gegenübergestanden hatten. Auch Ferdinand II. wurde allmählich misstrauisch, was sein General da eigentlich für ein Spiel trieb.

    Es dauerte Monate, bis Wallenstein mit seinem Heer Richtung Bayern zog, das während dieser Zeit von den Schweden ausgiebig verwüstet wurde. Gustav Adolf erfuhr natürlich von Nahen des Gegners und bezog mit seinen Truppen Aufstellung um die Mauern von Nürnberg, sein Heerlager glich einem menschlichen Verteidigungsgürtel um die Stadt. Als Wallenstein vor Nürnberg eintraf, tat er den Protestanten nicht den Gefallen, einfach anzugreifen. Kühl taktierte er wochenlang herum, in der Hoffnung, in eine günstige Schlachtposition zu kommen, wobei er den Angriffsvorstößen der Schweden einfach auswich. Genervt bezog Gustav Adolf schließlich Position bei Naumburg und verschanzte sich erneut. Wallenstein kam zu dem Schluss, dass es im Jahre 1632 vor Wintereinbruch nicht mehr zur Entscheidungsschlacht kommen würde und marschierte mit seinem Heer in den Raum Halle-Leipzig, wo sich die Truppenteile auf verschiedene Winterquartiere verteilten. Das war ein bizarrer Fehler, denn für die Schweden war die Kriegsführung im Winter nichts Fremdes. Gustav Adolf erkannte seine Chance und setzte sein Heer am 15. November rasch in Gang.

    Auf dem Weg zu Wallenstein zerschlugen die Schweden einige kleinere Verbände, von denen Überlebende die Kunde zu Wallenstein trugen, dass das feindliche Hauptheer sich zügig nähere. Der Generalissimus war baff und auf das Höchste alarmiert. Sein Heer war über weite Flächen verstreut, die Soldaten mussten schnell zusammengezogen werden! Das erschien in der Kürze der Zeit aber nicht machbar, Wallenstein musste sich mit dem Kern seines Heeres in Unterzahl zur Schlacht stellen. Einzig Pappenheims Kavallerie konnte vielleicht noch rechtzeitig zur Verstärkung eintreffen, ihm schickte Wallenstein einen Brandbrief: „Der Feind marschiert herein, der Herr lasse alles stehen und liegen und bewege sich hierzu mit allem Volk und Stücken, auf dass er morgen früh bei uns sich befinden kann. Schnell, schnell, äußerst schnell. Lützen, den 15. November anno 1632.“



    Pappenheim war gerade in Halle eingetroffen, als ihn Wallensteins Nachricht erreichte. Er zögerte nicht und ließ umgehend die Pferde satteln, um mit der Kavallerie vorauszueilen, während die Fußtruppen mit den Kanonen folgen sollten. Sie waren naturgemäß langsamer und würden erst am späten Abend des 16. November in Lützen eintreffen. Also unternahm Pappenheim mit seinen vier Kavallerieregimentern einen Nachtmarsch, was hieß, dass seine Reiter nach 50 km Galopp erschöpft und übermüdet bei Wallenstein eintreffen würden.

    Das katholische Hauptheer blieb derweil nicht tatenlos. Wallenstein suchte eine gut zu verteidigende Stelle aus und ließ Schanzen aufwerfen. Der Kern der Aufstellung war der rechte Flügel mit der Artillerie, der durch Sumpf und Mauern gut geschützt lag. Die Schwachstelle war der linke Flügel, aber dort sollte später Pappenheim eintreffen, hoffentlich rechtzeitig. Für Gustav Adolf hingegen war klar, dass er eine Angriffsschlacht schlagen musste, bei der ihm das Überraschungsmoment verloren gegangen war. Jetzt kam alles darauf an, dass die Entscheidung gefallen war, bevor die katholischen Verstärkungen eintrafen.

    Der Morgen des 16. November 1632 zog auf, die beiden Schlachtreihen standen sich vor Lützen mit einem Kilometer Abstand gegenüber. Doch sie konnten einander nicht sehen, weil dichter Nebel auf dem Gelände lag. Gustav Adolf konnte also kaum ausmachen, welche Angriffstaktik die Richtige sein würde. Er legte seine besten Kräfte auf seinen rechten Flügel, also gegen den schwachen linken Flügel Wallensteins. Lange wartete Gustav Adolf ab, ob sich der Nebel lichtet. Erst um zehn Uhr drangen die ersten Sonnenstrahlen schwach durch die dichte Suppe, und nun hielt er es nicht länger aus: Angriff!



    Angesichts des nebeligen Wetters lief die Schlacht auf einen Abgleich von Opfermut und Kampfkraft hinaus, den taktisch war sie mangels Erkundung des Gegners uninspiriert.

    Wie geplant ging Gustav Adolfs rechter Flügel daran, ihren Gegenüber zu zertrümmern, um anschließend von dort aus Wallensteins Zentrum aufzurollen. Aber da trafen die Reiter Pappenheims auf dem Schlachtfeld ein und verhinderten buchstäblich im letzten Moment den schwedischen Triumph – das aber um den Preis, dass die erschöpften Reiter reihenweise im Kampf fielen. Pappenheim geriet nun selbst in Bedrängnis. Während der Kampf tobte, erfuhr Gustav Adolf, dass sein eigener linker Flügel vor dem Zerbrechen stand. Sein Plan, das gegnerische Zentrum von der Flanke her aufzurollen, konnte nur gelingen, wenn sein eigener Flügel standhielt.

    In der Mittagszeit entschloss sich der König deshalb, mit seinem Kavallerieregiment einen Flügelwechsel zu vollziehen. Erneut setzte dichter Nebel ein, zudem war das Feld vom Pulverqualm der Kanonen und Musketen getrübt. Da geriet der voran reitende Gustav Adolf unversehens in das zwischen den Kämpfern liegende Niemandsland und wurde von seinen Männern getrennt. Es heißt, dass er stark kurzsichtig gewesen sei und - aus Eitelkeit oder im Eifer des Gefechts – keine Brille trug. Offenbar erkannte er zunächst gar nicht, in welcher Gefahr er sich befand, bis eine Kugel in traf und aus dem Sattel warf.



    Sein Pferd zog den König wohl einige Meter hinter sich her und um den verwundeten Gustav Adolf entbrannte eine Kampf zwischen seinen Getreuen und den angreifenden Katholiken. Einer von ihnen baute sich vor dem liegenden Gustav Adolf auf und sprach ihn an, wer er sei. Dieser antwortete: „Ich bin der König von Schweden!“ Da stieß ihm der Soldat seinen Degen mit großer Wucht in die Brust und tötete Gustav Adolf.

    Die Nachricht vom Tod des Königs verbreitete sich auf dem Schlachtfeld und verunsicherte die schwedischen Soldaten. Es war die Tat seines Kommandeurs Herzog Bernhard von Weimar, den Männern neue Zuversicht einzuhauchen, indem er behauptete, der König sei gar nicht tot, er sei nur verwundet worden. Nahezu zeitgleich fand auch Feldmarschall Pappenheim den Tod. Seine Eigenart, höchstpersönlich seine waghalsigen Angriffe anzuführen, wurde ihm zum Verhängnis: Eine schwedische Kanonenkugel riss ihm die Seite heraus. Panik machte sich unter seinen Reitern breit, viele von ihnen flohen erschöpft vom Schlachtfeld. Voller Verzweiflung soll der sterbende Pappenheim, den man in eine Kutsche verfrachtet hatte, um seine Wunden zu versorgen, noch beobachtet haben, wie sich die Lage auf Wallensteins Seite weiter verschlechterte: „Ist denn keiner, der für den Kaiser treulich fechten will“, soll er gerufen haben. Kurze Zeit später erlag er seinen Verletzungen.

    Bis zum Abend wogte die Schlacht weiter hin und her, bis Wallenstein (wohl auch wegen des Gerüchts über schwedische Verstärkungen, die im Anmarsch seien) den Befehl zum Rückzug gab, womit der Sieg symbolisch den Schweden zufiel, denn sie hatten das Feld behauptet. Betrachtet man den Verlauf der Schlacht, war es allerdings ein Patt. Zwar fiel die katholische Artillerie komplett in schwedische Hände, da beim Abzug keine Pferde zur Verfügung standen. Dafür büßten die Kaiserlichen nur einige Fahnen und Standarten ein, während die Schweden etwa 60 Fahnen verloren. Das spricht dafür, dass die entsprechenden Einheiten völlig zerschlagen worden waren. Dazu passt, dass die Schweden um die 5.000 Tote und Verwundete zu beklagen hatten, während es auf Seiten Wallensteins etwa 4.000 waren.

    Es war eine kluge Vorsicht, die Wallenstein den Rückzugsbefehl geben ließ. Mit dem Tod Gustav Adolfs hatte er das unmittelbare Duell für sich entschieden. Da spielte die Siegessymbolik, die der Behauptung des Schlachtfelds zukam, für ihn keine Rolle.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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    Der Dreißigjährige Krieg

    Mit der Schlacht von Lützen ging das Kriegsjahr 1632 zu Ende, beide Seiten waren mit der Reorganisation ihrer Kräfte beschäftigt. Keiner hatte die Kraft, den Ausgang der Schlacht militärisch auszunutzen oder deren Ergebnis zu revidieren. Wallenstein zog sich mit den Überresten seines Heeres nach Böhmen und Schlesien zurück. Er ließ das Heer also entgegen seinen ursprünglichen Plänen nicht im Feindesland überwintern, sondern musste ein weiteres Mal die kaiserlichen Erblande dafür in Anspruch nehmen. Das gab seinen Kritikern Auftrieb. Auf schwedischer Seite führte Bernhard von Weimar, der noch auf dem Schlachtfeld von Lützen das Kommando übernommen hatte, die Truppen nach Naumburg zurück, wo sie neu zusammengestellt und aufgefüllt wurden. An seiner Seite wurde, was das militärische Kommando der schwedischen Truppen anging, Gustav Horn zur zweiten bestimmenden Person. Der war der Schwiegersohn des schwedischen Reichskanzlers Oxenstierna. Zunächst aber waren die Schweden mit dem Tod ihres Königs und dessen Folgen beschäftigt. Weit mehr noch als Tilly oder Pappenheim war Gustav Adolf das Idol des Heeres gewesen, und es blieb abzuwarten, wie dieses auf den Verlust reagieren würde. Der König war der Kopf und das Herz der schwedischen Kriegsführung in Deutschland gewesen, und es musste geklärt werden, wer an seine Stelle treten konnte.

    Die politische Leitung, das zeichnete sich früh ab, würde Reichskanzler Axel Oxenstierna übernehmen. Einen unmittelbaren Nachfolger auf dem Thron gab es nicht, Gustav Adolfs einzige Tochter Christina war noch unmündig. Die operative Heeresführung teilten sich Herzog Bernhard von Weimar und Gustav Horn. Trotz aller Personalien auf schwedischer Seite, das Charisma des toten Königs konnte keiner von ihnen besetzten, und so ging die Direktionsgewalt über die Entwicklungen zunehmend von Schweden auf Frankreich über. Dort zog bekanntlich Kardinal Richelieu die Fäden.



    1633 war Oxenstierna vorwiegend damit beschäftigt, die Koalition politisch zusammenzuhalten und den Ausfall des Königs institutionell zu kompensieren. Am wichtigsten für ihn war es, die wankelmütigen Fürsten von Brandenburg und Sachsen in der protestantischen Koalition zu halten. Vor allem das Kurfürstentum Sachsen neigte dazu, die Stabilität des Heiligen Römischen Reiches über die Interessen der protestantischen Sache zu stellen.

    Auf der Gegenseite nahm Wallenstein frühere Gesprächsfäden wieder auf und erkundete die Möglichkeiten für einen Separatfrieden mit Sachsen, was zum Ziel hatte, die Schweden in Deutschland politisch zu isolieren. Sie sollten in die Rolle von Fremden hineingedrängt werden, die im Bündnis mit Frankreich einen Angriffskrieg gegen das Reich führten. Wallensteins Strategie lief darauf hinaus, die Elemente des Religionskriegs zurückzunehmen, damit er den Krieg als Staatenkrieg gegen die äußeren Interventionsmächte weiterführen konnte. Nicht um Eroberungen zu machen, sondern im den Status quo wiederherzustellen. Oxenstierna hingegen musste die protestantische Solidarität herausstellen und alles dafür tun, dass sich die Wallenstein'sche Interpretation des Krieges nicht durchsetzte. Insofern war das Jahr 1633, in dem es zu keinen größeren Kampfhandlungen kam, ein indirekter Zweikampf zwischen Oxenstierna und Wallenstein, der in politischen Schachzügen und weniger in militärischen Feldzügen ausgetragen wurde. Wie mit Herzog Bernhard und Gustav Horn auf protestantischer Seite, übernahm auch auf katholischer Seite eine neue Generation von Heerführern das Kommando. Als Ersatz für die gefallenen Anführer Tilly und Pappenheim kam nun zum Beispiel der wagemutige Jan von Werth ans Ruder. Der war ein Bauernjunge, der sich in der bayrischen Armee hochgedient hatte. Allen jüngeren Militärs war gemeinsam, dass sie seit ihrer Jugend nichts anderes als Krieg kennengelernt hatten, er war ihre Lebensgewohnheit. Sie führten Krieg, ohne sich zu fragen, was daraus folgte und womit das enden sollte. Insofern steht das Jahr 1633 für eine Übergangsphase: Es begann etwas Neues, das noch viel schrecklicher war als das bisher Erlebte, weil es nicht gelang, den Krieg zu beenden. Er ging nicht bloß weiter, sondern machte eine Mutation durch, nach der er um einiges verheerender war als zuvor.



    Oxenstierna und Wallenstein waren auf ihre Weise beide mit ihrer Diplomatie erfolgreich. Die Schweden konnten den sogenannten Heilbronner Bund schmieden, bei dem vier Reichskreise Süddeutschlands mitmachten, nämlich Franken, Schwaben, Kurrhein und Ulm. Das defensive Bündnis schmälerte die Rolle Sachsens, was man in Dresden verärgert zur Kenntnis nahm. Der Kurfürst hätte es bevorzugt, wenn man sich endlich mit dem Kaiser zusammensetzt, um über einen Allgemeinfrieden zu sprechen – ein Ziel, das auch Wallenstein verfolgte. Das „Gegenteil“ des Allgemeinfriedens war der Siegfrieden, den Gustav Adolf angestrebt hatte. Aber der war nun tot. Dummerweise strebte Kaiser Ferdinand II. ebenfalls und weiterhin einen Siegfrieden an, nur eben für die katholische Seite. Wien beabsichtigte, mit den Reichsfürsten bilaterale, also einzelne Friedensverträge zu schließen. Wallenstein hielt das für einen Fehler, denn seiner Meinung nach konnte dies dem Reich keinen wirklichen Frieden bringen, weil dabei die ausländischen Interventionsmächte nicht berücksichtigt wurden: Schweden, Frankreich, Spanien und England, aber auch Dänemark und der Papst.

    Die Frage, wem bei einem Frieden die Pfalz zustehen sollte, war bei alledem sowieso weiter unbeantwortet. Der gestürzte Kurfürst Friedrich V. war inzwischen zwar gestorben (kurze Zeit nach dem gewaltsamen Tod des schwedischen Königs), aber er hatte Erben, die den Anspruch auf die Pfalz und dessen Kurstimme weiterverfolgten.



    Oxenstierna machte die Sache noch etwas komplizierter, indem er in Norddeutschland seine protestantischen Truppen mit Ländereien belohnte und sie damit bei Laune hielt. Das tat Oxenstierna, weil er nicht genügend Bargeld für die fälligen Soldzahlungen an die Soldaten hatte. Das Problem daran war, dass er diese Ländereien zuvor von ihren katholischen Besitzern beschlagnahmt hatte. Jetzt hatten beide Parteien, Katholiken und Protestanten, Besitztümer der Gegenseite eingezogen und neu vergeben. Keine guten Voraussetzungen, um das Knäuel in einem Friedensvertrag rechtlich wieder zu entzerren.

    Wallenstein hatte einen anderen Weg im Blick. Zwischen den politischen Polen Schweden und Österreich wollte er – obwohl er doch in Diensten des Kaisers stand – eine dritte Mittelpartei herstellen. Mit Sachsen an seiner Seite sollte so etwas möglich sein. Die Gerüchte um Wallensteins Absichten wurden immer wilder, selbst der Griff nach der böhmischen Krone wurde ihm zugetraut. Ferdinand II. bekam von Wallensteins eigensinnigen Aktivitäten ziemlich schnell Gehör: Am Dresdner Hof wurde viel gequatscht, die Gerüchte wurden an den Wiener Hof getragen und wurden beim Kaiser lanciert. Selbst französische Diplomaten mischten bei den Hinterzimmer-Debatten über die Bildung einer Mittelpartei mit, natürlich mit einer eigenen Nuance. Wie wäre es mit einer Koalition aus Frankreich, Schweden und Wallenstein? Auch von diesen französischen Plänen erfuhr der Kaiser, und er war nicht erfreut, welche Rolle Wallenstein offenbar anstrebte. Das war nicht weniger als Hochverrat!



    Militärisch verharrte Wallenstein im Jahre 1633 in einer defensiven Tatenlosigkeit. Okay, ihm fiel Schlesien wie ein reifer Apfel in die Hände, das Territorium konnte recht problemlos besetzt werden. Aber das besänftigte die vielen Gegner, die er am Wiener Hof hatte, nicht mehr. Auch das Vertrauen seiner Offiziere und Soldaten schwand. Die meisten von ihnen waren zur Armee gekommen, weil Wallensteins Name für regelmäßige Besoldung, reichlich Beute und Aufstiegsmöglichkeiten stand. Doch diese Erwartung konnte Wallenstein nicht mehr so bedienen wie in früheren Jahren. Erstens, weil seine Armee nicht mehr wie anfangs finanziert wurde, zweitens, weil nach dem schwedischen Siegeszug der Vorjahre große Teile Deutschlands nichrt mehr unter kaiserlicher Kontrolle standen, drittens, weil mit der weitgehenden Untätigkeit des Heeres im Jahre 1633 auch der übliche Beutemechanismus nicht mehr funktionierte. Wallenstein hatte, vielleicht wegen seiner schlechten Gesundheit, kein Gespür mehr für die Stimmung in seiner Truppe, er bekam ihren Unmut gar nicht mit.

    Einige Zeit wartete der Kaiser noch ab, bis sich die Schlinge um Wallensteins Hals zuzog. Ferdinand II. wusste Anfang 1634 schließlich genügend Gefolgsleute aus Wallensteins Umfeld heimlich auf seiner Seite, um den finalen Befehl zu geben: Wallenstein sollte beseitigt werden. Er war zu gefährlich geworden, als dass der Kaiser sich damit begnügen konnte, ihn lediglich abzusetzen. Spät, wohl zu spät, bekam Wallenstein mit, was sich gegen ihn zusammenbraute. Er reiste von Prag nach Eger, wo er sich sicherer fühlte. Ein Trugschluss, denn selbst unter seinen engsten Vertrauten befanden sich inzwischen Verschwörer, Männer wie Piccolomini und Gallas. Einige Tage zögerten die Verräter, denn sie mussten abschätzen, wie viele Regimenter im Ernstfall treu zu Wallenstein halten würden. Das Ende Wallensteins kam dann doch ohne flächendeckendes Blutvergießen: Am Abend des 25. Februar 1634 drangen Piccolomini und seine Kumpanen in das Schlafgemach Wallensteins ein und schreckten ihn wohl im Nachtgewand auf. Es heißt, der alte Generalissimus habe im Angesicht der Bewaffneten das Wort „Quartier“ ausgerufen (was bedeutete, dass er sich ergeben wollte und um sein Leben bat). In der Tat wäre es kein Problem gewesen, ihn zu verhaften, doch die Verschwörer wollten offenbar sicher gehen: Sie stießen Wallenstein einen Spieß in die Brust, er war auf der Stelle tot. Das war das unrühmliche Ende des Mannes, der zeitweise über so große Macht in Deutschland verfügt hatte, dass sie dem eines Diktators gleichkam.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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    Der Dreißigjährige Krieg

    Phase Vier: Frankreich

    1634 stand der Dreißigjährige Krieg bereits in seinem sechzehnten Jahr. Die bisherige erste Hälfte lässt sich plausibel analysieren, weil hinter den Gewaltakten ein politischer Wille der Akteure erkennbar ist. Für die zweite Kriegshälfte ist das so nicht mehr möglich. Viele der Akteure waren inzwischen tot, einige wie Kaiser Ferdinand II. lebten noch. Doch ihr Gestaltungsspielraum wurde kleiner. Das zeigt sich im Vergleich zwischen König Gustav Adolf und Oxenstierna, oder zwischen Ferdinand II. und seinem Sohn Ferdinand (III.), der im Unterschied zu seinem Vater zwar selbst den Oberbefehl über das Heer übernahm, aber nie ausschlaggebende Gestaltungsmacht erlangte. Besonders deutlich wurde die Erosion der politischen Macht an Herzog Maximilian. In der ersten Kriegshälfte war er eine der bestimmenden Figuren, danach blieb er zwar bedeutend, wurde aber zunehmend vom gestaltenden zum bloß reagierenden Akteur. Das galt in ähnlicher Weise auch für Johann Georg von Sachsen, der auf der Suche nach einer politischen Mitte zwar weiterhin seine berüchtigte Schaukelpolitik betrieb, aber keinen großartigen Einfluss mehr hatte, obwohl er zunehmend häufiger die Seiten wechselte. Vielleicht bildet Richelieu die einzige Ausnahme, obgleich sich die Dinge auch für ihn nicht so entwickelten wie er das geplant hatte. Deutschland war nach den bisherigen Kriegsjahren bereits weitgehend verwüstet, und damit endete die Zeit der großen Heerzüge. Die vielen Soldaten konnten aus dem verbrannten Land einfach nicht mehr in der Masse versorgt werden. Man verlegte sich deshalb auf kleinere Attacken mit berittenen Truppen, die zuschlagen und sich wieder zurückziehen konnten. Der Anteil der Dragoner in den Heeren wuchs entsprechend stetig an, bis ihre Mannstärke die der Infanteristen erreichte. Wenn man größere Heere zusammenzog, dann nur für begrenzte Aktionen, bei denen man ein Gebiet von feindlichen Kräften säuberte, und das Heer anschließend wieder in kleinere Einheiten aufteilte.

    Nach Wallensteins Tod übernahm, wie eben erwähnt, des Kaisers Sohn, Ferdinand III., das Kommando über das kaiserliche Heer. Der 26jährige Habsburger war bereits König von Ungarn und Böhmen, nach dem Willen seines Vaters sollte er auch nachfolgende Kaiser des Heiligen Römischen Reichs werden. An Ferdinands Seite stand ein weiterer Ferdinand, der Kardinalinfant von Spanien. Gemeinsam leiteten sie die katholischen Truppen auf recht kooperative Weise. Auf protestantischer Seite führten Bernhard von Weimar und Gustav Horn die Soldaten an, und diese beiden verstanden sich überhaupt nicht.

    Im Sommer 1634 war die Situation für die Schweden nicht rosig. Das Hauptheer hatte man aus Süddeutschland Richtung Norden zurückziehen müssen, weil die Versorgungslinien sonst womöglich gekappt werden konnten. Priorität hatte der schwedische „Brückenkopf“ in Norddeutschland, und selbst der war nach monatelangen taktischen Manövern der Kriegsparteien in Gefahr. Am 6. September mussten die Schweden die Schlacht gegen die Katholiken (die unter dem Kommando von Gallas standen) widerwillig annehmen.



    Bei Nördlingen war ihre Truppenzahl und ihre Aufstellung im Gelände wenig günstig, doch diese Position mussten sie halten: Bei einer Niederlage wäre Schwedens Position in Norddeutschland nicht mehr haltbar gewesen, bei einem Sieg in der Schlacht würden sie zumindest ein strategisches Patt erzielen, mehr aber nicht. Bernhard von Weimar musste also zwingend eine Angriffsschlacht führen, und darauf richteten sich die Katholiken ein. Der Kampf bei Nördlingen begann vielversprechend für die Schweden, endete aber in einem Debakel. Das Heer wurde vernichtet, ihr Kommandeur Gustav Horn gefangen genommen. Herzog Bernhard entkam dem Untergang seines Heeres mit knapper Not und konnte in den Wochen danach etwa 12.000 Mann sammeln. Das war alles, was ihm nach der Katastrophe von Nördlingen übrig geblieben war. Die in Norddeutschland operierende schwedische Armee hatte quasi zu bestehen aufgehört, ihr Nimbus von der Unbesiegbarkeit war dahin.

    Das hätte das Ende des Krieges bedeuten können, denn die protestantische Union, jetzt unter dem Namen Heilbronner Bund, stand vor dem Auseinanderfallen. Tatsächlich gab es Ansätze, wie ein Friedensvertrag aussehen könnte. Ferdinand II. zeigte sich inzwischen sogar bereit, vielleicht unter dem Einfluss seines weniger fanatisch katholischen Sohnes, in der Frage des Restitutionsedikts einen Schritt auf die Protestanten zuzugehen: Der Kaiser konnte sich vorstellen, dass die Besitzverteilung der strittigen Kirchengüter gemäß dem Stand des Jahres 1627 rückabgewickelt werden könnte.

    Aber es gab ja noch Frankreich, das einen Sieg der Habsburger unbedingt verhindern wollte. Richelieu erkannte, dass die Zeit der indirekten Beteiligung am Krieg zu Ende ging und Frankreich nun offen Farbe bekennen musste. Es würde fortan nicht mehr genügen, Geld aufzuwenden, um die antihabsburgerischen Kräfte in ihrem Kampf gegen den Kaiser zu unterstützen. Man war gezwungen, mit eigenen Truppen in den Krieg einzugreifen. Ein solcher Entschluss, der auf eine offene Kriegserklärung an Wien hinauslief, musste in Frankreich jedoch auf heftigen Widerstand stoßen, nicht nur bei der Mutter des Königs, die einen Krieg katholischer Mächte gegeneinander strikt ablehnte. Richelieu sammelte in Paris aber Unterstützung für seine Einschätzung, dass der Krieg gegen Habsburg unvermeidlich sei: Es ginge nur noch um die Frage, wo er geführt würde. Alleine auf sich gestellt auf französischem Territorium - oder auf dem Boden des Reichs, und zwar bevor die protestantischen Kräfte sich dem Kaiser ergeben würden.



    Das Problem war, dass Frankreich im Gegensatz zu Österreich und Spanien über keine kriegserprobten Truppen und Kommandeure verfügte. Aufgrund des geringen Wertes der französischen Militärtradition konnte Richelieu für seine Machtpunkte nur minderwertige Generäle einkaufen. Aber es gab ja noch Bernhard von Weimar, und den nahm Richelieu nun selbst unter Vertrag. Weil jetzt Frankreich direkt, und nicht mehr Schweden, über die militärischen Operationen entschied, verlegte sich der Kriegsschauplatz hin zum oberrheinischen Reichsgebiet an der französischen Grenze, namentlich Baden-Württemberg, Elsass und Baden. Hier musste Frankreich erst einmal versuchen, verloren gegangenen Boden wieder gutzumachen, denn Süddeutschland war mittlerweile weitestgehend von den kaiserlichen Truppen zurückerobert worden.

    Man könnte meinen, dass es gut für die katholische Seite stand. Die gegnerische Seite war räumlich gespalten, ein Teil der Protestanten stand noch in Norddeutschland, und in Süddeutschland musste der mutmaßlich letzte Gegner Frankreich selber ran. Den Unterschied machten jedoch die Kommandeure der beiden Kriegsparteien: Während Bernhard von Weimar einen guten Job machte, war der katholische Gallas für seinen Auftrag eine denkbar schlechte Wahl. Gallas war ein zögerlicher, defensiver Charakter, der für den geplanten Angriffskrieg nicht taugte. Er erhielt sogar den Spitznamen „Heerverderber“.

    Noch vor Jahresende 1634 fielen die Franzosen in Deutschland ein und eroberten von Mannheim aus Heidelberg und die Pfalz. Die bayrischen Verteidiger hatten sich überrumpeln lassen. Gallas Pläne für die Offensive nach Elsass und Lothringen wurden ziemlich durcheinander gebracht. Er wartete sträflich lange ab, bevor er handelte - so lange, bis der Rückzug tatsächlich klüger war, als das Risiko eines Angriffs einzugehen. Zudem stritt sich Gallas permanent mit den bayrischen Truppenteilen herum, das katholische Heer bildete keine Einheit. Besonders der draufgängerische Herzog Karl von Lothringen war wütend auf den stets skeptischen Gallas. Karl wollte halt, wen überrascht es, möglichst rasch sein von den Franzosen besetztes Herzogtum Lothringen zurückerobern. Der katholische Feldzug von 1635 wurde auf ganzer Linie ein Fehlschlag, und hätte ohne weiteres ein komplettes Desaster werden können, wenn die französischen Truppen mehr auf dem Kasten gehabt hätten. Gallas bot in Wien seinen Rücktritt an, der aber nicht angenommen wurde.

    Politisch lief es 1635 besser für den Kaiser. Ferdinand II. schaffte es, Sachsen zu einem Vertrag zu bewegen, dem Prager Frieden von Mai 1635. Das war ein Separatfrieden, den die beiden Parteien abschlossen, also kein allgemeiner Friedensvertrag für das Reich. Für Sachsen war er attraktiv, denn er sah für die Zukunft eine Sonderrolle für die Kurfürstentümer Sachsen, Brandenburg und Bayern vor. Der Prager Frieden enthielt eine Klausel, die die weiteren protestantischen Fürsten dazu einlud, ihrerseits separate Friedensverträge mit dem Kaiser abzuschließen. Das war es, was Ferdinand II. vorschwebte, denn auf diese Weise war er die zentrale Figur bei der politischen Ordnung, die auf den Krieg folgen sollte. Der Geburtsfehler dieses Vertrags war nur, dass er zum einen die Rolle der ausländischen Kriegsparteien überging. Das war durchaus Absicht, denn die politische Architektur im Reich sollte eben eine Sache der Reichsfürsten bleiben. Jedoch blieben auch weitere Punkte im Vertrag ungenannt, die auch das Reich betrafen. Was sollte zum Beispiel mit der Pfalz sowie dessen Kurfürstenstimme passieren? Blieben diese nun bei Bayern oder nicht?

    Sachsen hatte also die Seiten gewechselt und stand mit seinen Truppen nun an der Seite des Kaisers. In der EU4-Mechanik ist das meines Wissens nicht möglich. Es blieb aber dabei: Wenn Habsburg den Krieg erfolgreich beenden wollte, musste es Frankreich kleinkriegen – und Schweden. Denn Schweden meldete sich im Oktober 1636 ebenso überraschend wie eindrucksvoll ins Kriegsgeschehen zurück. Dank eines Waffenstillstands mit Polen hatte es seine Flanke gesichert und trat dem vereinigten Heer aus Kaiserlichen und Sachsen bei Wittstock zur Schlacht entgegen. Feldmarschall Baner siegte mit einem anspruchsvollen und riskanten Schlachtplan und konnte die schwedische Position in Norddeutschland wieder sichern, inklusive des Gebietes des eher wehrlosen Brandenburg. Wittstock war keine umwälzende Schlacht wie es die früheren großen Konfrontationen gewesen waren, das Ereignis zeigte aber, dass der Krieg militärisch noch lange nicht beendet werden konnte.

    Wenige Wochen vor der Schlacht bei Wittstock war in Regensburg der Kurfürstentag eröffnet worden. Allein dass dies möglich war, zeigte die gefestigte Stellung der Habsburger und Wittelsbacher in Süddeutschland. Die Kurfürsten von Köln, Mainz und Bayern reisten an, ebenso wie der Kaiser persönlich. Kursachsen und Brandenburg waren durch Delegierte vertreten. Die Stimme des Trierer Erzbischofs, der sich wegen seines Bündnisses mit Frankreich in kaiserlicher Haft befand, wurde als ruhend betrachtet. Am 22. Dezember 1636 wurde Ferdinand III., bislang der König von Ungarn und Böhmen, zum Römischen König gewählt und damit ein Interregnum verhindert, denn Ferdinand II. war gesundheitlich bereits ziemlich angeschlagen. Nachdem endlich erreicht war, was er sich für seinen Sohn wünschte, reiste Ferdinand nach Wien zurück, wo er am 16. Februar 1637 starb. Er hatte in den knapp zwanzig Jahren seiner Herrschaft fast ununterbrochen Krieg geführt, und dabei hatte er das doppelte Ziel verfolgt, die kaiserliche Macht im Reich wiederherzustellen und gleichzeitig den Einfluss der römischen Kirche in Deutschland zu erneuern. Er war diesem Ziel einige Male sehr nahe gekommen, konnte aber lediglich die Macht der Habsburger in ihren Erblanden konsolidieren.



    Ferdinand III. übernahm von seinem Vater ein schweres Erbe. Fast keines der Probleme, mit denen der verstorbene Kaiser zu tun gehabt hatte, war gelöst oder auch nur einer Lösung nahe. Die Lage war zwar nicht mehr so schlecht wie auf dem Höhepunkt des schwedischen Siegeszugs einige Jahre zuvor, aber die Anzahl der Feinde hatte sich vergrößert, und ein Ende des Krieges war trotz des Prager Friedens nicht in Sicht.

    Nach dem Zusammenbruch der schwedischen Macht im Süden war Augsburg die letzte Bastion des Protestantismus in Oberdeutschland. Sie galt es zu halten, bis sich die Verhältnisse wieder gebessert hatten. Die Bevölkerung war bewaffnet, die Stadt von ordentlichen Schanzen umgeben. Bisher hatten die Katholiken deshalb eher Abstand zu Augsburg gehalten. Warum sich die Finger verbrennen? Wenn man das Umland besaß, dann würde Augsburg über die Zeit sowieso in die Hände der Katholiken fallen. Diese Ansicht bewahrheitete sich schließlich: In Augsburg brach im Winter 1634/35 die Pest aus, die Lage wurde für die Verteidiger hoffnungslos. Ihnen ging es jetzt nur noch darum, nicht das gleiche Schicksal wie Magdeburg zu erleiden, dass von Tillys Truppen völlig niedergemacht worden war. Im Falle von Augsburg passt das Textfenster, das stets in EU4 eingeblendet wird: Die befestigte Stadt Augsburg ergab sich nach dem Abschmelzen ihres Moralbalkens den Belagerern, und die schwedische Garnison, die sich innerhalb ihrer Mauern befunden hatte, durfte mit Fahnen und klingendem Spiel Augsburg verlassen. Immerhin, ein blutiger Sturm auf DAS Symbol des Religionsfriedens, des Augsburger Religionsfriedens von 1555, war unterblieben.

    In Schweden gab es 1635 einige Stimmen, die von dem Abenteuer in Deutschland die Nase voll hatten. Sie befürworteten, die Truppen aus dem Reich abzuziehen und sie lieber gegen Polen und im Baltikum einzusetzen – hier würden die wahren Interessen Schwedens liegen. Es ist ein großes Versäumnis des Kaisers, dass er diese Stimmung im feindlichen Lager nicht aufgriff und mit Schweden nicht über einen Friedensvertrag verhandelte. Der Dreißigjährige Krieg wäre dann vermutlich vorzeitig zu einem Ende gekommen. Frankreichs Minister Richelieu handelte bezüglich der Schweden beherzter als Ferdinand III., denn er stellte ihnen weitere großzügige Subsidien und Gelder in Aussicht, wenn sie dafür weiter gegen den Kaiser im Kampf blieben. Oxenstierna hatte dabei kein gutes Gefühl, denn er dachte sich: Wenn Frankreich die Kapelle bezahlt, dann wird es auch die Musik bestimmen, und Schweden wäre dann nicht mehr als der blutende Erfüllungsgehilfe. Das wird sich Richelieu tatsächlich so vorgestellt haben, aber mit der Finanzierung von kämpfenden Marionetten ist das immer so eine Sache, das hat sich bis heute nicht geändert. Die Marionetten verfolgen mit den Waffen, die man ihnen bezahlt hat, oft ihre eigenen Ziele, weil sie es nun können.



    Wie gesagt gab es auf Seiten des Kaisers sowieso nicht die Absicht, Schweden mittels direkter Gespräche diplomatisch aus Frankreichs „Umarmung“ herauszuholen. Teile des Hofkriegsrats in Wien sowie eine Reihe hoher Offiziere vertraten stattdessen die Auffassung, man müsse die schwedische Schwäche dazu ausnutzen, Frankreich einen direkten Schlag zu verpassen. Man wollte erreichen, dass Richelieu seine Politik änderte oder aber gestürzt und durch einen Politiker ersetzt würde, der Habsburg gegenüber freundlicher war. Das war keineswegs aus der Luft gegriffen, denn es gab in Frankreich durchaus eine beachtliche Opposition gegen die Kriegspolitik Richelieus. Man hoffte in Wien, mittels militärischer Schläge die Kosten Frankreichs für Richelieus Politik derart in die Höhe zu treiben, dass er seines Amtes enthoben wird. Dazu musste man Frankreich jedoch ganz anders zusetzen als beim Feldzug von 1635, gleichzeitig musste man vermeiden, dass es im Zuge dieser Schläge zu einer nationalen Einigung unter der Führung Richelieus kam. Das war eine diffizile Aufgabe.

    Der Feldzugsplan für 1636 sah einen Zangenangriff auf Frankreich aus Osten und Norden vor. Der eine Teil sollte vom Rhein her vorstoßen. während der andere von Flandern aus in die Picardie einfallen und auf Paris marschieren sollte. Es handelte sich also um eine Operation auf der äußeren Linie, deren Gelingen von einer funktionierenden Kommunikation zwischen den beiden Angriffszangen abhing. Und das war bereits der Haken an der Sache: Die Abstimmung zwischen dem spanischen Kardinalinfant Ferdinand und dem habsburgischen Ferdinand III. klappte nicht. Sowohl zeitlich als auch räumlich mussten Truppenbewegungen gut aufeinander abgestimmt sein, immerhin galt es Frankreich in einem riskanten Streich matt zu setzen, wobei man auch Gegner im eigenen Rücken (wie das protestantische Hessen-Kessel oder die Niederlande) in Schach halten musste.

    Die spanischen Truppen drangen über die Picardie bis in die Compiegne vor, in Paris bekam man es schon mit der Angst zu tun. Für Richelieu wurde es zu diesem Zeitpunkt eng, hatte er sich mit seiner Strategie verzockt? Er trat die Flucht nach vorne an und zeigte sich auf den Straßen von Paris, um die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Spanier aufzurufen. Auch der sonst einfältige König Louis XIII. wurde aktiv und sammelte rasch tausende Bewaffnete, die Paris schützen sollten. Es kam nicht zum finalen Kampf um die Hauptstadt. Die Kräfte der Angreifer waren im August 1636 erschöpft, und der spanische Kardinalinfant fürchtete, dass seine Armee bei einem weiteren Vorstoß allzu leicht an der Flanke angegriffen und vernichtet werden könnte. Am 20. September traten seine Truppen den Rückzug an. Der kaiserliche Angriff am Rhein verlief langsamer, weil mal wieder der vorsichtige Gallas das Kommando führte. Ihm stand mit Herzog Bernhard aber auch ein ziemlich agiler Kriegsherr gegenüber, bei dem in der Tat Vorsicht geboten war. Die Offensive zielte Richtung Burgund, wurde aber in einigen Kämpfen zurückgewiesen. Das Jahr 1637 brach an und sah lediglich entlang des Rheins einige zähe Kampfhandlungen zwischen Franzosen und Kaiserlichen. Man musste in Wien einsehen, dass der tolle Plan gegen Richelieu gescheitert war. Frankreichs Gebiet war zu groß für eine solche Zangenoperation. Im übrigen Reich gab es in diesem Jahr keine nennenswerten Schlachten, das Land war zu kaputt, um größeren Truppenkontingenten Unterschlupf und Versorgung zu gewährleisten. Der Logistik des Nachschubs kam umso mehr Bedeutung zu, je mehr die Operationsgebiete im Laufe der Kriegsjahre verwüstet worden waren.

    Im Jahre 1638 konnte Frankreich dank des ihn seinen Diensten stehenden Bernhard von Weimar die Initiative in Süddeutschland zurückerlangen. Das gelang, weil er sich mit den Schweizern über ein Durchmarschrecht für sein Heer verständigte. Besonders in Basel waren sogar die Katholiken dafür zu haben, denn die Schweizer hatten traditionell ein Interesse daran, den Habsburgern eins auszuwischen. Bernhards Soldaten war es dadurch möglich, auf die rechte Rheinseite zu wechseln und sich die strategisch wichtige Festung Breisach vorzunehmen. Bei Rheinfelden kam es gleich zweimal zur Schlacht gegen die Kaiserlichen, die letztlich Bernhard für sich entschied. Nun konnte er Breisach belagern, was seine Zeit dauerte. Dreimal tauchten kaiserliche Truppen auf, um die belagerte Festung zu entsetzen, aber auch das konnte Bernhard vereiteln. Im Dezember 1638 schließlich musste Breisach schließlich kapitulieren, damit war der Schlüssel zur Kontrolle des Oberrheins in der Hand der Franzosen. Ferdinand III. und Maximilian von Bayern mussten sich erstmals seit dem Tod Gustav Adolfs wieder mit einem Gegner, der in Süddeutschland stand, beschäftigen.



    Das klingt so, als ob es 1639 wie gehabt mit der Kriegsführung weitergehen konnte, aber einige Ereignisse und Entwicklungen standen dem entgegen. Zum einen starb Bernhard von Weimar im Juli 1639 an den Blattern, und damit verlor Frankreich sein Schwert gegen den Kaiser. Der schwedische Bundesgenosse war zu dieser Zeit wirtschaftlich und militärisch schon zu erschöpft, um größeren Einfluss auf das Kriegsgeschehen zu nehmen. Es war das Glück Frankreichs, dass dasselbe auch für Spanien, den Unterstützer des Kaisers, zutraf. Spanien, das wurde offensichtlich, war eine Großmacht auf dem absteigenden Ast. Innere Unruhen in Spanien mit den Katalanen und Portugiesen – unter anderem auch von Richelieus Diplomatie befeuert – forderten die ganze Aufmerksamkeit Felipes IV. Der ausschlaggebende letzte Grund für den Rückzug Spaniens von der großen Bühne war die Versenkung der spanischen Verstärkungen durch die niederländische Flotte. Felipe IV. konnte es sich danach nicht mehr leisten, Ferdinand III. durch Subsidien zu unterstützen. Das bedeutete nicht das Ende der Aktionsfähigkeit des Kaisers, er konnte sich künftig aber keine Niederlagen mehr leisten.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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    Der Dreißigjährige Krieg

    Spanien schied also aus dem Krieg aus, Österreich hatte auf das falsche Pferd gesetzt. Frankreich ging es mit Schweden in dieser Hinsicht besser, denn dort konnte man neuen Mut schöpfen: Mit dem jetzt berufenen Befehlshaber Torstensson hatten sie wieder einen äußerst fähigen General, der seine Truppen zum Sieg motivieren und führen konnte. In Wien geriet Kaiser Ferdinand III. unter politischen Handlungsdruck, die militärische Lage verlangte es. Ein augenfälliges Anzeichen hierfür war der Umstand, dass selbst Maximilian von Bayern sich mit Frankreich ins Gespräch über einen Separatfrieden setzen musste. Das Ausscheren Bayerns konnte der Kaiser nur unterbinden, indem er Maximilian damit drohte, ihm die pfälzische Kurstimme wieder zu entziehen. Eine dauerhafte Lösung konnte das natürlich nicht sein, um die Koalition zusammenzuhalten.



    Der Kaiser begann in den 1640ern, sich ernsthafte Gedanken über die Beendigung des Kriegs zu machen. Die Bedingungen dafür wollte er natürlich weitgehend selber bestimmen, und das heißt, dass er mit den gegnerischen Parteien in- und außerhalb des Reiches separate Friedensverträge aushandeln wollte. Das war sein Selbstverständnis vom Kaisertum: Alle politischen Wege sollten über ihn laufen, die Grundlage dafür war immer noch der Prager Frieden. Ferdinand III. rang sich dazu durch, den Schweden ein Friedensangebot zu machen. Er bot ihnen das Gebiet Pommern mit seiner Ostseeküste an. Der Kurfürst von Brandenburg war davon nicht begeistert, denn er betrachtete Pommern als sein eigenes Einflussgebiet. Ein grundlegender Konstruktionsfehler der Prager Friedensordnung wurde damit sichtbar: Bei dem Versuch, den Frieden auf die Mächte außerhalb des Reichs auszudehnen, mussten einige Mächte innerhalb des Reichs Nachteile hinnehmen, und das führte dazu, dass sie sich vom Friedensvertrag distanzierten. Gleichzeitig waren weder Frankreich noch Schweden auf diese Weise in substanzielle Verhandlungen einzubinden. Der Prager Frieden hätte sich nur durchsetzen lassen, wenn man in der Lage gewesen wäre, Schweden und Frankreich mit kriegerischen Mitteln aus dem Reich herauszudrängen. Und als klar war, dass die Kräfte dazu nicht ausreichten, war auch der Prager Frieden gescheitert.

    Man konnte nicht mehr die Augen verschließen vor der Notwendigkeit, anstelle von separaten Friedensverhandlungen einen „runden Tisch“ für alle Kriegsbeteiligten einzurichten, der für Gespräche über den Abschluss eines Universalfriedens genutzt wird. Das Geflecht der verschiedenen Konflikte religiöser, machtpolitischer und reichsverfassungsrechtlicher Natur konnte nur durchschlagen werden, wenn alle Parteien am Tisch saßen. Der Kaiser verlor dadurch seine exklusive zentrale Position. Die Voraussetzung für solche Verhandlungen wurde ab 1642 geschaffen: Das Gebiet zwischen Münster (katholisch) und Osnabrück (protestantisch) wurde entmilitarisiert, um den verschiedenen Delegationen den ungehinderten Austausch ihrer diplomatischen Noten zu ermöglichen.

    Man darf sich das nicht so vorstellen, als ob zu einem bestimmten Tag alle Delegationen in Münster/Osnabrück eingetroffen seien oder eine offizielle Eröffnung der Friedensverhandlungen stattgefunden hat. Die verschiedenen Delegationen reisten zu verschiedenen Zeitpunkten an und zwischenzeitlich auch wieder ab, es war ein Kommen und Gehen, bei dem vorerst nur sondiert wurde. Einen Waffenstillstand gab es deshalb nicht, parallel zu den Verhandlungen wurde weiter gekämpft. Und die Kämpfe gewannen noch einmal an Intensität, das ist heutzutage nicht unbedingt anders. Jede Kriegspartei wollte auf den letzten Metern noch einmal seine Verhandlungsposition verbessern, bevor die Waffen schweigen. Wofür sonst hatte man all die Jahre so viele Opfer gebracht?

    Richelieu wäre bei den Verhandlungen sicher ganz in seinem Element gewesen, doch er erlebte sie nicht mehr. Vorzeitig gealtert und krank starb er am 4. Dezember 1642.



    Einige Monate später folgte ihm auch sein König Louis XIII. am 14. Mai 1643 mit nur 41 Jahren in den Tod. Zu dieser Zeit war der Thronfolger Louis XIV. erst fünf Jahre alt, deshalb musste Frankreich von seiner Mutter Anna von Österreich, sowie von Richelieus Nachfolger Kardinal Mazarin, regiert werden. Überraschend entpuppte sich die als Habsburgerin geschmähte Anna als überzeugte Französin, die weder Favoriten noch eine Schmälerung der königlichen Autorität im Staate duldete.



    Vor allem Schweden wurde in der Spätphase des Dreißigjährigen Krieges noch einmal aktiv. Dank ihres Befehlshabers Torstensson schienen jene Zeiten zurückzukommen, in denen das schwedische Heer ihre Gegner vor sich hergetrieben hatte. Torstensson marschierte im Frühjahr 1642 durch das neutrale Brandenburg nach Schlesien, wo er eine kaiserliche Armee zerschlug. Sein nächstes Ziel waren Böhmen, Mähren und Sachsen. Am 2. November 1642 trafen die Schweden dort bei Breitenfeld auf das kaiserliche Heer Piccolominis zur Schlacht. Breitenfeld als Austragungsort, das hatten wir doch schon einmal? Genau, ganz in der Nähe hatte Gustav Adolf seinerzeit Tilly geschlagen. Vielleicht war das ein Grund, warum Torstensson eben hier den Kampf austragen wollte, die Schlacht von 1642 wird deshalb auch Breitenfeld II genannt. Sie wurde eine klassische Linienschlacht, wie sie später für das 18. Jahrhundert Standard werden sollte. Auch auf kaiserlicher Seite hatte man die am spanischen Vorbild orientierte Tercio-Aufstellung aufgegeben und die Truppen nach dem oranischen Modell in flacheren Körpern formiert. Da wollte man offenbar unbedingt die neue Militärtechnologie Nummer 23 „Linieninfanterie“ ausprobieren (in EU4 ist sie allerdings an das Normjahr 1674 gekoppelt, sie ist bereits in den 1640ern also eher schwierig zu erlangen).



    Die Folge war, dass beide Seiten über dieselben Offensiv- wie Defensivoptionen verfügten, im Unterschied zu den meisten früheren Schlachten, in denen die eine Seite eine offensive und die andere eine defensive Grundaufstellung eingenommen hatte. Mit Breitenfeld II endete somit die eine taktische Ära, die einer neuen Taktik Platz machte. Die Aufstellung dürfte auch der Grund dafür sein, dass Breitenfeld II eine der blutigsten Schlachten des ganzen Krieges wurde: Die taktische Flexibilität, die den Wechsel zwischen Offensive und Defensive erlaubte, führte dazu, dass die Kräfte beider Seiten sehr viel länger und gründlicher „ausgewrungen“ wurden, als das zuvor der Fall war.

    Der Sieg war an diesem Tag auf der Seite des Schweden Torstensson, Piccolomini und Leopold Wilhelm (der Bruder des Kaisers) unterlagen ihm. Für den Habsburger Leopold Wilhelm wurde es die erste und letzte Schlacht, die er in seinem Leben führen sollte: er widmete sich fortan lieber der Förderung der Künste und anderen schönen Sachen, darin war er deutlich erfolgreicher. Das Unglück des Hauses Habsburg wollte es, dass an die Stelle von Leopold Wilhelm und Piccolomini erneut Matthias Gallas trat, der seinem Ruf als „Heerverderber“ auch in den folgenden Jahren in jeder Hinsicht gerecht wurde.

    Der große Erfolg von Breitendfeld II ließ in Stockholm einen Entschluss reifen, der im Zusammenhang mit den anstehenden Friedensgesprächen zu sehen ist: Man wollte die Ausschaltung des kaiserlichen Heeres nutzen, um mit einem schnellen und entschlossenen Militärschlag Dänemark als lästigen Konkurrenten um die Ostsee und als rückwärtige Bedrohung der eigenen, nunmehr wieder gefestigten Stellung in Deutschland auszuschalten. Christian IV. hatte sich bei den Schweden nicht nur durch seine politischen Aktivitäten, etwa sich die Anbahnung der Friedensgespräche anzumaßen, unbeliebt gemacht. Er erhob für die Schiffspassage durch den Öresund Zölle, die ordentlich Gelder von Schweden in das dänische Säckel lenkten. Dänemark musste nach schwedischer Sicht also gestutzt werden, bevor es Einfluss auf den erwarteten Friedensabschluss gewinnt. Die Gelegenheit dazu gab es nur jetzt: Schweden hatte Truppen in Deutschland stehen und hatte die Kaiserlichen auf Abstand gebracht. Man konnte also beide dänischen Landseiten beiderseits der Meerenge attackieren, in der Hoffnung, dass die überlegene dänische Flotte eine Niederlage dann nicht mehr verhindern konnte.

    Der Plan war gewagt und verlangte eine genaue zeitliche Abstimmung, wenn die Überraschung gelingen sollte. Torstensson marschierte mit seinem Heer also von Breitenfeld in Holstein, Schleswig und Jütland ein. Verwundert erkundigte sich Christian IV. bei Torstensson, was das zu bedeuten habe, denn Schweden hatte Dänemark nicht den Krieg erklärt. Torstensson log, er würde für seine Soldaten lediglich nach Winterquartieren suchen. Es dauerte einige Tage, bis Christian IV. kapierte, dass zwei weitere schwedische Armeen in Pommern und Schonen einmarschierten. Zornig aktivierte Christian IV. seine Flotte und brachte den schwedischen Kriegsplan arg ins Schleudern. Doch der Coup gelang Stockholm mit knapper Not, Dänemark konnte besiegt werden.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  7. #607
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    Der Dreißigjährige Krieg

    An den Friedensgesprächen zwischen Dänemark und Schweden nahmen auch Frankreich und die Niederlande teil. Das war für Christian IV. ein Glück, denn die Niederländer, in deren Händen nach wie vor der Hauptanteil des Ostseehandels lag, hatten lieber ein schwaches Dänemark als Türwächter am Öresund als ein starkes Schweden, das auf dem Sprung war, die lang angestrebte Ostseehegemonie zu erringen. Die Niederländer ließen sich daher nicht auf den schwedischen Vorschlag ein, Dänemark zwischen den Niederlanden und Schweden aufzuteilen. Und die Schweden wollten ihren Erfolg nicht bis zum Letzten ausreizen, denn Frankreich, das schließlich im Wesentlichen das schwedische Heer finanzierte, drängte darauf, dass Stockholm seine ganze Aufmerksamkeit wieder dem Krieg gegen den Kaiser zuwandte. Dennoch waren die Friedensbedingungen vom 23. August 1645 für Dänemark hart: Schwedische Schiffe sollten künftig zollfrei den Öresund passieren dürfen, und als Sicherheit musste Dänemark die Provinz Halland für dreißig Jahre an Schweden abtreten. Außerdem wurden die Inseln Gotland und Ösel schwedisch. Im EU4-Jargon hieß das: Abtreten einiger Provinzen, sowie (befristetes) Abtreten des Handelseinflusses an die Siegermacht.

    Torstensson konnte mit seinem Heer auf den deutschen Kriegsschauplatz zurückkehren. Seit Anfang 1645 war Schweden hier wieder die beherrschende Macht, denn der Kaiser verlor innerhalb kurzer Zeit gleich zwei Armeen. Die erste war die von Gallas geführte, denn er hatte versucht, mit seinen Soldaten auf der Höhe von Holstein einen Riegel zu bilden, der Torstensson in Dänemark festsetzen sollte. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges wäre das wohl machbar gewesen. In dem inzwischen völlig verwüsteten Gebiet war eine Versorgung der Truppen aber nicht mehr möglich, und Gallas war gezwungen, die Truppen Richtung Böhmen zurückzunehmen. Im EU4-Sprech hieß das: Das Versorgungslimit der Provinzen war durch die maximale Ausplünderung völlig runter, und das zog eine erhebliche Zermürbung der darin befindlichen Truppen nach sich.

    Auf dem Rückzug nach Böhmen wurde Gallas Heer von Torstensson verfolgt, ausmanövriert und vernichtet. Das zweite Heer, das Ferdinand III. einbüßte, ging in der Schlacht von Jankau unter. Dort erwartete Schweden nämlich das kaiserliche Heer. Torstensson war klug genug gewesen, nach seinem Sieg über Gallas nicht nach Böhmen weiter zu stürmen, er gönnte seinen Leuten bei Leipzig die notwendige Pause. Er nutzte diese Zeit, um den sächsischen Kurfürsten Johann Georg, der nach wie vor im Bündnis mit dem Kaiser stand, unter Druck zu setzen. Städte und Dörfer in Sachsen gingen in Flammen auf, und Johann Georg erwartete offenbar nicht mehr, dass Ferdinand III. ihm substanziell zur Hilfe eilen könnte. Im Sommer 1645 schloss Sachsen einen Separatfrieden mit Schweden, in dem es sich verpflichtete, die schwedischen Truppen in seinem Gebiet zuzulassen und zu versorgen. Es wurde einsam um den Kaiser, die Verbündeten fielen von ihm ab.

    Ferdinand III. musste etwas unternehmen, um das Abfallen Sachsens zu revidieren, er stellte seine zweite Armee am 6. März 1645 in Janken nahe Prag zur Schlacht gegen die Schweden. Torstensson erkannte, dass der kaiserliche Befehlshaber Hatzfeld keinen massiven Angriff im Zentrum unternehmen konnte, denn das ließ das bewaldete und vom Fluss durchkreuzte Gelände nicht zu. Der Schwede entschloss sich zu einer gewagten taktischen Umklammerung und zog seine Flügel weit auseinander. Das riskante Unternehmen gelang Torstensson wieder einmal, die gegnerischen Truppen konnten umgangen und im Zentrum eingeschlossen werden. Das Ergebnis war eine Katastrophe für Hatzfeld: Er verlor 5.000 Reiter, sämtliche Kanonen und das gesamte Fußvolk, während die Schweden nur 2.000 Mann Verluste zu verzeichnen hatten. Mit diesem Aderlass waren die Reserven der Habsburger weitgehend erschöpft, denn inzwischen stand Spanien für die Finanzierung weiterer Truppen ja nicht mehr zur Verfügung. Der Weg nach Österreich stand Torstensson nunmehr frei, und er nutze ihn. Doch die Schweden mussten die Erfahrung machen, dass sie zwar die offenen Gebiete von Österreich nach Herzenslust plündern und brandschatzen konnten. Die befestigten Städte und Festungen waren aber mehr als eine Nummer zu hart, erst recht galt das für das gut geschützte Wien.



    Das für die Katholiken schreckliche Jahr 1645 war aber noch nicht vorüber, es war noch im vollen Gange. Nach Breitenfeld II kam es bei Nördlingen zur Neuauflage einer Schlacht, dementsprechend Nördlingen II. Bis hierhin hatten sich die bayrischen Truppen vor dem gemeinsamen Vormarsch der Franzosen und Hessen zurückziehen müssen. Die Schlacht selber endete bei Einbruch der Dunkelheit mit einem militärischen Patt, auch wenn es die Bayern waren, die sich vom Schlachtfeld zurückzogen. Viel schlimmer für die bayrische Seite war, dass sie an diesem Tag ihren unersetzlichen Feldmarschall Franz von Mercy im Kampf verloren. Deshalb konnte man in Bayern nicht mehr verhindern, dass das Herzogtum im Jahre 1646 wieder zum Kriegsgebiet wurde, in dem die Franzosen – wie zuvor die Schweden in Österreich – munter Plündern und Brandschatzen konnten.



    Herzog Maximilian war am Ende: Egal, ob Ferdinand III. ihm bezüglich seiner Kurstimme mit Konsequenzen drohte – wenn der Kaiser offensichtlich nicht mehr in der Lage war, ihm zu helfen, musste er selber handeln. Bayern dachte laut darüber nach, es Sachsen gleichzutun und einen Separatfrieden, in diesem Fall mit Frankreich, abzuschließen.


    Phase Fünf: Friedensverhandlungen

    Eines musste der Kaiser im Sommer 1645 einsehen: Die militärische und politische Lage erlaubte es ihm nicht, weiterhin auf seine Sonderrolle in den Friedensverhandlungen zu bestehen. Gerne hätte Ferdinand III. mit den verschiedenen Fürsten und Nationen jeweils separate Friedensverträge ausgehandelt. Das hätte den Vorteil gehabt, dass er die zentrale Figur der gesamten Gespräche geblieben wäre. Bei den deutschen Fürsten hätte er je nach Gegenüber zudem oft die gewünschten Gesprächsthemen setzen können. Die tatsächliche Lage war für Wien inzwischen aber so kritisch, dass sie nur noch schlechter werden konnte. Ferdinand III. musste in einigen entscheidenden Fragen deshalb nachgeben. Zum einen wurden die Verhandlungen unilateral geführt, also war der Kaiser nur eine von mehreren Parteien. Zum zweiten erhielten auch die deutschen Stände das Recht, eigenständig als Partei aufzutreten.



    Das nicht zu unterschätzen, denn es bedeutete, dass die verschiedenen deutschen Fürsten und Städte das Recht erhielten, eine eigenständige Politik zu führen (sofern sie Kaiser und Reich nicht offensichtlich zuwider ausgerichtet war). Die deutschen Akteure hatten also die Befugnis, eigenständige Verträge mit ausländischen Mächten abzuschließen. Daran hingen ja auch Befugnisse wie das zum eigenständigen Aufstellen von Truppen, die nicht Teil des Reichsheeres waren. In anderen Staaten wie Frankreich wäre es nicht mehr denkbar gewesen, dass zum Beispiel die Herzöge sich eigenständig mit Mächten wie England verbünden. Dafür war der Absolutismuswert des Monarchen zu hoch, die Außenpolitik lief komplett über seine Person. Im Falle des Habsburger Kaisers wurde eben dies jetzt verneint.



    Offenbar bevorzugten die Anrainerstaaten in der Mitte Europas ein politisch schwaches Deutschland statt eines starken Zentralstaats. Deshalb war das Einverständnis Ferdinands, dass die Stände als eigenständige Stimmen an den Friedensgesprächen teilnehmen durften, eine so harte Sache. Autoritätspunkte ließen sich unter solchen Bedingungen definitiv nicht weiter aufbauen. Sollte der Habsburger das Ziel verfolgt haben, sämtliche Reichsreformen freizuschalten, konnte er das vergessen. Unsereins würde an dieser Stelle vermutlich die Österreich-Partie abbrechen, aber im RL hilft ja alles nichts, es muss weitergehen.

    Die Friedensgespräche zogen sich sogar nach 1645, da man ernsthaft zu verhandeln begann, noch drei Jahre hin. Das hatte mehrere Gründe. Einige Monate brauchte man alleine, um den Rang und den Status der verschiedenen Delegationen festzulegen. Protokollarische Fragen waren Machtfragen, sie konnten vorentscheidend sein. Viel Zeit ging natürlich dabei drauf, weil so viele Akteure ihre Interessen aushandelten und dabei auch untereinander abstimmen mussten. Ein Vorschlag des kaiserlichen Diplomaten zum Beispiel gegenüber Frankreich musste durch den französischen Unterhändler mit den Verbündeten, wie etwa den Schweden, abgestimmt werden, damit man sich nicht gegeneinander ausspielen lassen konnte. Zudem besaßen die meisten Unterhändler keine weitreichenden Vollmachten, sie mussten also ständig Berittene mit codierten Briefen losschicken, um sich von ihren Herrschern Instruktionen einzuholen. So ein Ritt von Münster nach Wien oder gar Madrid konnte sich durchaus einige Wochen hinziehen. Kein Wunder, dass so mancher Verhandlungsführer, wie Oxenstiernas Sohn, schon ab mittags betrunken war.

    Aber auch inhaltlich waren die Verhandlungen reichlich komplex, es gab ja ein Knäuel an Kriegsgründen, das man aufzulösen hatte – vom Bürgerkrieg bis zum Staatenkrieg, vom Religionskrieg bis zum Hegemonialkrieg. Deshalb gab es auch verschiedene Verhandlungsstränge, nämlich einen zu den Fragen der künftigen deutschen rechtlichen Verfassung, einen zur Schaffung eines möglichst dauerhaften europäischen Friedens, und einen dritten Verhandlungsstrang, der quasi einen Religionskongress zwischen Katholiken und Protestanten darstellte.

    Was den ersten der drei Punkte, die Reichsverfassung, anging, war das zentrale Problem das der Souveränität der einzelnen Reichsmitglieder. Sollte diese bei beim Kaiser oder bei den Kurfürsten, oder bei den einzelnen Reichsständen liegen? Es ging um nicht weniger als die Frage, ob die Reichsstände sich aus eigener Befugnis mit externen Mächten (wie vor allem Frankreich) verbünden durften, um damit womöglich die eigene Durchsetzungskraft bei reichsinternen Angelegenheiten zu erhöhen. Bislang beanspruchte der Kaiser für sich, allein über die Außenpolitik des Reiches entscheiden zu dürfen. Der Umstand, dass die Reichsstände mit eigenen Delegierten an den Friedensgesprächen in Münster-Osnabrück teilnehmen durften, war deshalb eine Vorentscheidung. Spannte man diesen Gedanken der Souveränität weiter, dann durften die Reichsstände auch eigene Truppen aufstellen, die nicht unter dem Reichskommando stehen. Die Reichsmitglieder wollten das gerne so haben, und der gleichen Meinung waren die Nachbarstaaten des Reiches: Gerade Frankreich kam es gelegen, wenn das Heilige Römische Reich ein politisch schwaches Gebilde bliebe, als dass es sich in einen zentralistisch regierten Staat wandelte. Die Friedensgespräche brachten hier ein klares Ergebnis, die Reichsstände erhielten vom Kaiser mehr Befugnisse zugestanden. Ferdinand III. (und seine Nachfolger) waren die Verlierer dieser Regelung.

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  8. #608
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  9. #609
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  10. #610
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    Der Dreißigjährige Krieg

    Blieb noch der zweite Verhandlungsstrang, die machtpolitische Neuordnung Mitteleuropas, bei der die ausländischen Kriegsteilnehmer gewichtig mitzureden hatten. Hier ging es darum, den Staaten- und Hegemonialkrieg zu beenden, was auf die Umverteilung von Einflussgebieten und Grenzverschiebungen hinauslief. Das darf man sich nicht als eine Neuordnung nationaler Grenzen vorstellen wie im 20. Jahrhundert, eher verteilte man Steuereinnahmen, Loyalitätserwartungen und die Unterhaltung von Garnisonen in einem bestimmten Gebiet um. Alle diese Fragen wurden unter den Rechtstiteln „Restitution“ und „Satisfaktion“ behandelt, unabhängig davon, dass die strittigen Gebiete im Laufe der Jahre total verwüstet und entvölkert worden waren. Eins zu Eins konnten die Territorien gar nicht zurückgegeben werden – dafür musste die „Amnestie“ hinzugenommen werden, die Straffreiheit für begangene Verwüstungen der verschiedenen Kriegsparteien. Gehen wir die Entscheidungen des Westfälischen Friedens mal durch:

    Es fing an mit Böhmen, wo sich der Kurfürst Friedrich von der Pfalz die Krone aufs Haupt hatte setzen lassen. Böhmen, da war man sich einig, sollte wieder und weiterhin den Habsburgern zustehen. Hier musste man sich lediglich über die Rückkehr einiger damals aufsässiger Adeliger aus dem Exil kümmern, aber das waren nur Schicksale von weniger bedeutenden Personen. Die wahre Brisanz hatte darin gelegen, dass der Kaiser daraufhin dem bayerischen Herzog Maximilian die Kurstimme der Pfalz zugeschlagen hatte. Wir erinnern uns: Die katholische Mehrheit im Kurfürstengremium wäre ansonsten in Gefahr gewesen, die Wahl eines protestantischen Kaisers wäre dann wahrscheinlich geworden. Die Entscheidung hierfür war, dass Bayern von dem besetzen Territorium nur eine Hälfte, die Oberpfalz, behalten durfte. Dank der Unterstützung Frankreichs erhielt Herzog Karl Ludwig von der Pfalz (sein Vorgänger Friedrich war ja schon tot) musste sich mit der Unterpfalz begnügen. Neu war aber, dass Bayern und der Pfalz nun beidermaßen eine Kurstimme zugestanden wurde, es gab nun also acht statt sieben Kurfürsten. Eine wichtige Änderung der Goldenen Bulle, in der seit 1356 die Wahl des Kaisers genau festgeschrieben gestanden hatte.

    Dann ging es an die Ansprüche, die die weiteren Kriegsteilnehmer aufgrund ihrer „Bemühungen“ in Deutschland erhoben. Schweden erhielt Vorpommern inklusive der Städte bzw. Häfen Stettin, Rügen, Bremen, Verden und Wismar. Das alles waren wichtige Flottenstützpunkte und Zollstellen für die Schweden. Ein gutes Ergebnis für die Schweden, die allerdings – wie sich noch zeigen sollte – ihre Machtbasis damit überdehnten. Brandenburg erhielt übrigens den anderen Teil des Gebietes, nämlich Hinterpommern. Für Berlin ein erster Schritt zur Bildung ihres späteren Preußen. Der Herzog von Pommern war damit aus dem Spiel. Frankreich, einer der großen Gewinner des Dreißigjährigen Krieges, nahm und annektierte sich das Elsass, eine strategisch wichtige Gegend mit mehreren Festungen. Nicht am Verhandlungstisch saß England, zumindest nicht als relevante Partei. Das Königreich war zu dieser Zeit in einen Bürgerkrieg zwischen Monarchisten und Republikaner versunken. Blieb noch Spanien, der Bündnispartner Österreichs, dem im Kampf gegen die Niederländer die Puste ausgegangen war. Spanien war der große Verlierer des Dreißigjährigen Krieges, die einstige Großmacht auf dem absteigenden Ast. Madrid musste die Unabhängigkeit der Vereinigten Niederlande anerkennen.



    Listen wir noch einmal den erwähnten Stapel der Probleme abschließend auf:

    • die entzogenen Rechte der böhmischen Stände: dabei blieb es im Wesentlichen
    • ist Ferdinand II. oder Friedrich V. der legitime König von Böhmen – Habsburg behielt die Krone
    • die Reichsacht gegen Friedrich V. - Amnestie für die Pfalz
    • die Besetzung der Lausitz durch Sachsen – Sachsen behielt das Gebiet
    • die Besetzung der Pfalz durch Bayern – Teilung des Gebietes zwischen Bayern und der Pfalz
    • der Übergang der Kurstimme von der Pfalz zu Bayern – beide erhielten eine eigene Kurstimme
    • die spanischen Interessen in den Niederlanden – die Vereinigten Niederlande wurden frei
    • die Religionsfreiheit der Protestanten im Reich – gleichgestellt, mindestens im privaten Bereich
    • die Rückführung von Kirchenbesitz in katholische Hände – es galt der Stichtag 1. Januar 1624
    • Frankreichs Angst vor dem spanischen Korridor – Frankreich annektierte das Elsass



    Man muss sich vor Augen halten, dass man in Deutschland über dreißig Jahre hinweg einen schlimmen Krieg geführt hatte, bis man sich auf diese Liste geeinigt hatte. Die Architekten des Westfälischen Friedens leisteten gleichwohl eine gute Arbeit, denn sie waren darauf bedacht, nicht alleine die aktuellen Fragestellungen abzuhandeln, sie machten sich auch Gedanken darüber, wie künftig das Wirken souveräner Staaten so reglementiert werden musste, damit es nicht wieder zu so einer Katastrophe kommt. Auch und besonders die Religionsfreiheit bescherte dem Heiligen Römischen Reich eine Befriedung.



    Nicht zuletzt berücksichtigte man in Münster-Osnabrück noch, was eigentlich mit den ganzen Heerscharen an Söldnern passieren sollte, die nichts anderes als den Krieg kannten und marodierend durch die Lande zogen. Ein bisschen „Glück“ war in diesem Punkt dabei, denn die Söldner wurden zu einem großen Teil in andere Konflikte abgezogen und unter Vertrag genommen. Zwischen Spanien und Frankreich ging ein Grenzkrieg weiter, andere Söldner wurden gegen die Osmanen in Stellung gebracht oder fanden sich in dem Krieg zwischen Polen und Russland wieder. Blieben noch die schwedischen Söldner, und hier einigten sich die Parteien darauf, gemeinsam Geld zusammenzulegen (fünf Millionen Taler!), damit diese ausgezahlt werden konnten.



    Ihre Einheiten wurden aufgelöst, die Schweden kehrten heim. Dieses Vorgehen bezüglich der Söldner hatte zwei Auswirkungen: Wie erhofft brachte es den deutschen Landen ein Ende der Plünderungen. Zugleich wandelte sich dadurch das Gesicht der bewaffneten Kräfte: Statt zeitweise auf das Anwerben von Söldnern zu setzen, bildeten die souveränen Nationalstaaten aus den stehengebliebenen Heeren jeweils „Stehende Heere“, feste Militärkräfte, die ständig unter Waffen blieben und aus den Steuereinnahmen der Staaten finanziert wurden. Der Westfälische Frieden beendete damit das Zeitalter der Religionskriege, die fortan von der Epoche der Staatskriege abgelöst wurden.


    … und wie ging es weiter?

    Im Grunde schaffte der Westfälische Frieden großenteils keine neue Ordnung, sondern stellte die alte zerrüttete wieder her. Trotzdem schaffte es das Vertragswerk, eine ungewöhnlich lange Periode des allgemeinen Friedens in Deutschland herbeizuführen. Der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten war zumindest entschärft worden. Der gewachsenen Macht der Reichsstände war Rechnung getragen worden, indem ihnen mehr Mitsprache und Souveränität zugestanden wurden. Die Hoffnung des Kaisers, aus dem Heiligen Römischen Reich einen zentral gesteuerten, katholischen Staat zu schaffen, war dagegen vom Tisch. Darin unterschied sich Deutschland weiterhin von anderen Mächten, insbesondere Frankreich, der neu aufstrebenden Supermacht des 17. Jahrhunderts mit seinem absolutistisch herrschenden König Louis XIV. - in gewisser Sicht nahm hier der „deutsche Sonderweg“ als verspätete Nation seinen Lauf.

    Während der dreißig Jahre des Krieges fielen etwa 40% der deutschen Bevölkerung den Gewalttaten und Entbehrungen zum Opfer, in den am schlimmsten betroffenen Gebieten wie Pfalz, Mecklenburg, Pommern, Thüringen und Württemberg wurden gar 50 bis 70% der Bevölkerung dahingerafft. Ein unfassbarer Blutzoll von etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland. Die Viehbestände waren fast komplett vernichtet worden, deshalb gerieten viele Leute nach dem Krieg in die wirtschaftliche Abhängigkeit des Adels, der ihren Besitz pfändete. Auch kulturell war Deutschland in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts am Boden. Es ist nicht verwunderlich, dass der Einfluss Frankreichs hier in dieser Zeit erheblich zunahm. Der Dreißigjährige Krieg blieb in der Erinnerung der Deutschen auf lange Zeit DIE Katastrophe und das Trauma schlechthin, und das blieb bis zu den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts so, erst danach rückte vor allem die Zeit von 1933-1945 in das kollektive Gedächtnis der Deutschen und verdrängte in dieser Hinsicht den Krieg von 1618-1648.

    Frankreich startete in den 1650ern in die Epoche des Sonnenkönigs Louis XIV. (er hatte bereits 1643 den Thron geerbt, war da aber noch ein Kind gewesen). Er regierte absolut und verfolgte eine expansionistische Politik, der die benachbarten Nationen nicht wirklich gewachsen sein sollten. In Schweden folgte nach dem Tod Gustav Adolfs dessen zweite Tochter Christina auf den Thron, wir kennen sie aus Civ6.



    Ironischerweise konvertierte sie später zum Katholizismus und dankte ab, das hätte Gustav Adolf wohl kaum gefallen. Für Felipe IV. von Spanien war der Krieg auch nach dem Westfälischen Frieden übrigens noch nicht vorbei, Spanien und Frankreich bekämpften sich noch bis 1659 weiter, bis Felipe IV. seine Niederlage eingestehen musste. Spanien verlor wichtige Grenzprovinzen wie Roussillon und Artois an Frankreich. Spätestens damit endete Spaniens Hegemonialstellung in Europa. England dagegen blieb vor und nach dem Westfälischen Frieden mit sich selbst beschäftigt: Seit Anfang der 1640er wütete dort ein Bürgerkrieg zwischen König und Parlament, der 1649 in der Hinrichtung von König Charles I. gipfelte. Die Macht lag anschließend in den Händen des Lordprotectors Oliver Cromwell, seine Regierung ähnelte jedoch mehr einer Diktatur als einer parlamentarischen Republik. Nach Cromwells Tod boten die Engländer daher 1650 Charles II. (dem Sohn des hingerichteten Königs) die Krone an und restaurierten die Monarchie – natürlich nicht ohne die umfassenden Rechte des Parlamentes zu zementieren. England bzw. Großbritannien schlug den Weg der konstitutionellen Monarchie ein.



    Der Westfälische Frieden war ein weitsichtiges Vertragswerk, in dem so mancher moderner Grundsatz bereits auftaucht, zum Beispiel übernahm die Haager Landkriegsordnung von 1899 einige Punkte wie den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten oder die unterschiedlichen Definitionen zwischen regulären Truppen, Söldnerheeren und Marodeuren. Mit den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts, in denen mehr Zivilisten als bewaffnete Kämpfer zum Opfer wurden, muss man allerdings sagen, dass der Westfälische Frieden uns heute nicht mehr so viel zu sagen hat. Interessanterweise gilt dies nicht für den Dreißigjährigen Krieg, wie der Politikwissenschaftler und Autor Münkler hervorhebt. Persönlich neige ich nicht zu schnellen historischen Vergleichen, schon gar nicht zu den üblichen Hitler-Vergleichen. Man kann heutzutage jedoch gewisse Parallelen zwischen dem Nahost-Konflikt und dem Dreißigjährigen Krieg ziehen. Verschiedene Konflikte verbinden sich in dieser Region derzeit zu einem großen Krieg, in dem viele fremde Mächte mitmischen. Münkler vergleicht hierbei die Rolle von Libyen und Syrien mit der damaligen Rolle Böhmens und der Pfalz. Seitdem Ägypten und der Irak ihre Rolle als ordnende Regionalmächte eingebüßt haben, mischen Russland, die Türkei, Saudi-Arabien und der Iran kräftig mit, so wie es einst Frankreich, Dänemark und Schweden in Deutschland getan haben. Was die Politik Europas angeht, zieht Münkler interessanterweise den Vergleich mit Richelieus Vorgehen: Frankreich verfügte zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges nicht über genügend eigene Militärkräfte, um sich direkt einzubringen, daher stützten sie einige der (protestantischen) Kriegsparteien auf deutschem Boden – vergleichbar mit unserer Unterstützung für die Kurden in Syrien. Im Nahen Osten bündeln sich somit verschiedene Konflikte, die sich wohl auf lange Dauer nicht mehr entwirren werden lassen: Ausländische Machtinteressen, konfessionelle Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten, innenpolitische Verfassungen zur Verteilung der Regierungsverantwortungen.

    Literatur:

    Herfried Münkler: Der Dreißigjährige Krieg – Europäische Katastrophe, deutsches Trauma
    Geo Epoche: Der Dreißigjährige Krieg
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  11. #611
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    Wow, wie immer toll geschrieben
    Ich freue mich schon wieder auf das hoffentlich bald folgende nächste Kapitel!
    Geändert von Herbert Steiner (13. April 2021 um 21:51 Uhr)

  12. #612
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    Ein großer Genuss dies alles zu lesen. Danke!
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  13. #613
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    Leviathan

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    Der Westfälische Frieden von 1648 beendete das kriegerische Wüten, das 30 Jahre lang Deutschland verwüstet hatte. Katholiken hatten gegen Protestanten gekämpft, Fürsten gegen den Kaiser, ausländische Mächte hatten in den Konflikt eingegriffen und ihre Kräfte gegeneinander gemessen. Erst nachdem alle Parteien ausgeblutet waren, fanden sich die Beteiligten bereit, einen Ausgleich zu finden, ein Fundament für eine bessere Zukunft. Das Nebeneinander der Konfessionen, Stände und politischen Institutionen wurde umfassend geregelt, jedem sein Teil an der Macht zugestanden. Das Ende der Geschichte war es nicht, auch ein ewiger Frieden wurde beileibe nicht erreicht. Neu war aber die Absicht, den Einfluss der Parteien in eine Balance zu bringen und diese nach Möglichkeit zu bewahren, um neues Blutvergießen zu verhüten.

    Für dieses Kapitel kommen mir unter diesem Gesichtspunkt zwei Länder in den Sinn, abseits von Deutschland. Da wäre zum einen Großbritannien, in dem der König und das Parlament gegeneinander in den Bürgerkrieg zogen. Und zum zweiten Frankreich, dessen König Louis XIV. das Symbol schlechthin für den absoluten Herrscher ist. Sein Streben nach territorialer Expansion brachte die Anrainerstaaten auf den Plan, die nun Frankreichs Vorherrschaft zu verhindern versuchten, nachdem die Habsburgern in dieser Hinsicht gebremst werden konnten – nicht zuletzt durch die Politik von Frankreichs Kardinal Richelieu.


    I. Großbritannien: Check and balances

    Charles I.
    König von Großbritanien, lebte 1600-1649
    Startdatum: 1. Januar 1625




    Das Kapitel beginnt zu einer Zeit, in der in Deutschland der Dreißigjährige Krieg noch im vollen Gange ist. Im letzten Kapitel hatte ich eher beiläufig erwähnt, dass England zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen sei, um als potenter Akteur in Deutschland mitzumischen. Dabei spielte König James I. durchaus eine Rolle, als der Dreißigjährige Krieg im Jahre 1618 ausbrach. Seine Tochter war nämlich die Ehefrau von Friedrich von der Pfalz, der zugegriffen hatte, als die Prager Aufständischen ihm die böhmische Krone angeboten hatten. Friedrich hatte sich nicht lange in Prag halten können, der Habsburger Kaiser hatte ihn von dort verjagt, und mehr noch, Bayern hatte im Anschluss die Pfalz besetzt. Für den englischen König James war es also eine persönliche Angelegenheit, seinem Schwiegersohn beizuspringen.



    James gehörte zur schottischen Dynastie der Stuarts, den Erben des Hauses Tudor. Auch hierzu ein kurzer Rückblick: Henry VIII. war der berühmte Tudor, der so viele Ehefrauen und Kanzler verschlissen hatte, um an einen männlichen Thronfolger zu kommen. Dafür hatte Henry VIII. sogar mit dem Papst und der katholischen Kirche gebrochen und seine Kirche, die Anglikanische, mit sich, dem König, als Oberhaupt geschaffen. Der kleine Thronfolger Edward VI. starb jedoch bald nach Henry VIII. schon in jungen Jahren, und ihm folgten seinen beiden älteren Schwestern auf den englischen Thron. Zunächst Mary, die klar katholisch war und England konfessionell zum Papst zurückführen wollte. Ihre Schwester und Nachfolgerin Elisabeth hingegen war Protestantin, und so blieb es bei der Anglikanischen Kirche. Übrigens bis heute, auch Elisabeth II. ist formelles Oberhaupt der Anglikanischen Kirche (ich frage mich gerade, ob ein Papst seitdem überhaupt einmal England besucht hat). Elisabeth I. regierte bis zu ihrem Tod im Jahre 1603 und schaffte es, der spanischen Übermacht, vor allem der zu See, zu widerstehen. Bekannt ist sie auch, weil sie sich als Jungfrau auf dem Thron inszenierte: Sie heiratete trotz allem politischen Druck nie und zeugte keinen Thronfolger. Es war also klar, dass die englische Krone nach ihrem Tod auf den schottischen Zweig der Familie übergehen würde.



    Die künftige Personalunion von England und Schottland war offenbar Elisabeths Ziel, natürlich nicht zu ihren eigenen Lebzeiten: Ihre Cousine Maria Stuart ließ sie einkerkern und schließlich 1587 hinrichten, weil sie eine ständige Bedrohung für ihren Thron darstellte. Für Marias Sohn Jakob hingegen hielt Elisabeth den Weg auf ihren Thron frei, aber eben erst für die Zeit nach ihrem Tod, als Erbe.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  14. #614
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    Leviathan

    Jakob Stuart war bereits ab 1567 als Jakob VI. der König von Schottland, im Jahre 1603 erbte er die englische Krone also hinzu und regierte als James I. (so sein englischer Name) fortan das gesamte Britannien inklusive Irland und Wales. Zum ersten Mal waren alle Kronen der Insel in einer Hand vereint, James I. bezeichnete sich entsprechend als König von Großbritannien, auch wenn dieser Begriff erst später gängig wurde. James siedelte nach London über und sollte Schottland lange nicht mehr besuchen. Die innenpolitischen Spannungen, die ich in diesem Kapitel beschreibe, traten bald zutage. Offenbar war James I. es aus Schottland gewohnt, gemäß seiner Attitüde des gottgegebenen Königtums weitgehend durchzuregieren. In England jedoch wurde er mit dem Mitspracherecht des Parlaments konfrontiert, das hier über die Jahrhunderte gegen die englischen Könige erstritten worden war.



    Im Oberhaus versammelten sich der Adel und Klerus, im Unterhaus saßen die Vertreter der Bürger. Heute würde man wohl von Oligarchen sprechen. Entscheidend war, dass der König in einigen Fragen nicht eigenmächtig entscheiden konnte, für Kriegserklärungen, für Inhaftierungen hochgestellter Personen sowie in Steuerfragen musste er das Parlament beteiligen.



    Wir kennen das aus Crusader Kings 2, wenn der nervige Rat mitsprechen möchte. Auch James I. muss ziemlich genervt gewesen sein, dass ein König nicht die absolute Macht hatte, wie er sie für sich, von Gott verliehen, beanspruchte.



    Das englische Parlament zeigte nämlich wenig Interesse daran, dem König die Truppen für einen Feldzug zu finanzieren, mit denen James I. seinem Schwiegersohn zu Hilfe kommen wollte. Der König war nicht bereit, dafür politische oder finanzielle Konzessionen zu leisten.

    So kam es, dass es bei einigen Kontingenten vor allem schottischer Söldner blieb, die auf den deutschen Kriegsschauplatz geschickt wurden. Insgesamt kann man James I. zumindest als geschickt taktierenden Politiker bezeichnen, der trotz aller Differenzen, vor allem konfessioneller, den Laden in England zusammenhielt.



    Bei seinem Sohn Charles, der den britischen Thron im Jahre 1625 erbte, war das nicht so. Im Moderieren der politischen Differenzen war er ungeschickt, er hatte eine intrigante Natur, die letztlich aber keine Probleme in England löste. Vor allem war er stark vom Gottesgnadentum seiner Krone beseelt, das sich nicht mit einer parlamentarischen Beteiligung vertrug. Damit hat er es immerhin zu einem Zitat in Civ6 geschafft, nach der eine Kritik am König einer Kritik an Gott selber gleichkomme und dementsprechend wie Blasphemie mit dem Tode zu bestrafen sei.

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  15. #615
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    Leviathan

    Immer wieder geriet er wegen geplanter Steuererhebungen und Inhaftierungen (mit erpresserischen Absichten) mit dem Parlament in Konflikt, weil er es dabei übergehen wollte und stattdessen mit Dekreten regierte. Ein uralter Streitpunkt war die Ernennung von Bischöfen durch den König, das Thema begleitet uns spätestens seit dem erbitterten Investiturstreit, den Kaiser Heinrich IV. im elften Jahrhundert mit dem Papst geführt hatte. Im Jahre 1637 zündete dann der Funke, der die Menschen zu den Waffen greifen ließ: Charles I. verfügte, dass in Schottland ein nach der englischen Liturgie geschaffenes Gebetbuch eingeführt werden sollte. Initiatorin des Aufstands war eine Marktfrau, die während der Einführung des Gebetbuchs in Edinburgh einen Stuhl nach dem Pfarrer warf. Es bildete sich eine Opposition namens National Convenant, die Convenanters, die sich gegen den König zum Erhalt des Presbyterianismus verpflichteten.



    Weil Charles I. auf die Schnelle sowieso keine Truppen zur Hand hatte, um den schottischen Aufstand niederzuschlagen, spielte er auf Zeit und berief eine Generalversammlung der schottischen Kirche zusammen. Dort zeigte man ihm die kalte Schulter, die Versammlung lehnte nicht nur das neue Gebetbuch ab, sie exkommunizierte sogar zwei von Charles' linientreuen Bischöfen. Die Aufständischen bekamen weiter Zulauf, unter anderem von kampferprobten schottischen Söldnern, die aus dem Dreißigjährigen Krieg nach Hause zurückkehrten. Charles I. hatte nicht viel Geld, aber es gelang ihm, 20.000 Soldaten zum Marsch nach Schottland zusammenzukratzen. Das war im Jahre 1639 der Beginn zunächst des Bischofskriegs, des Einstiegs zum heraufziehenden englischen Bürgerkrieg.

    Im ersten Anlauf gelang der Feldzug gegen die Convenants nicht, das englische Heer des Königs und das der schottischen Aufrührer belauerten sich gegenseitig in einer Pattsituation. Im Jahre 1640 war klar, dass Charles I. beim englischen Parlament wegen einer Kriegssteuer anklopfen musste.



    Das Parlament tagte nicht ständig, es wurde lediglich bei Bedarf durch den König einberufen. Ungewöhnlich und somit schlimm genug also für Charles, dass er diesen Schritt machen musste. Das Parlament war in den Augen des Königs dann auch noch so dreist, ihn für den Krieg gegen die Convenants zu kritisieren und Bedingungen an die Bewilligung von Geldern zu knüpfen. Sie zwangen den König, einen seiner wichtigen Berater fallen und hinrichten zu lassen, außerdem forderten sie eine härtere Politik gegen die katholischen Iren. Irland sollte endlich von den Anglikanern dominiert werden (in Irland wurden anglikanisch-englische Bürger angesiedelt).



    Die Parlamentarier waren gerne bereit, Gelder für Truppen zu genehmigen, wenn damit die Katholiken niedergehalten wurden. Allerdings argwöhnten sie, dem König das Kommando über solche Truppen zu überlassen, weil er diese auch in England einsetzen könnte. Nach einer hitzigen Debatte wurde dem König tatsächlich dieser Katalog an Bedingungen vorgelegt.



    Der König konnte dies nicht verhindern, in der Folge brachen in Irland Revolten der Katholiken aus, zudem verteuerte die instabile politische Situation die Preise in London – was hier ebenfalls zu Unruhen führte. Charles I. kriegte aber spitz, dass es im englischen Parlament durchaus eine Fraktion gab, der die eigenen Forderungen gegen den Monarchen zu weit gingen. Dadurch bestärkt, entschloss sich der Stuart, am 4. Januar 1642 persönlich das Parlament aufzusuchen (was ihm verboten war) und einige der radikalen Parlamentarier zu verhaften. Das war nicht besonders geschickt, denn durch diesen Schritt verspielte er viele Sympathien bei der royalistisch orientierten Fraktion im Haus.

    Das Ganze bekam jetzt seine eigene Dynamik. Charles I. war nicht mit den Aufständischen Schotten fertig geworden, aber dass das englische Parlament ihm an seine Autorität wollte, das war für ihn noch schlimmer. Lieber schloss er mit den Convenants einen Waffenstillstand, um sich ganz mit dem widerborstigen Parlament auseinandersetzen zu können. Der König rüstete eine Schlägertruppe mit Waffen aus, die ironisch als Chevaliers bezeichnet wurde, der Begriff stand bald für die königstreuen Truppen im allgemeinen. Auch auf Seiten des Parlaments entschloss man sich, Truppen zu rekrutieren und zu bewaffnen. Zentral für die Ausrüstung war der Tower von London, quasi die Waffenkammer Englands. Bald war London samt des Towers in der Hand des Parlaments. Solche, die es mit dem König hielten, wichen nach York, später nach Oxford aus. Die Fronten klärten sich entlang einer diagonalen Linie, die England von Südwest nach Nordost durchzog. Grob gesagt, hielten die bürgerlichen Städte eher zum Parlament, während die ländlichen Gebiete und deren Adel zum König standen. Das wirtschaftliche Zentrum des Landes war eindeutig London, und das wurde von der parlamentarischen Partei kontrolliert.

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