Es ging sogar das Gerücht um, dass durch die Niederlage bei Augsburg die Deutschen den Ungarn jahrelang tributpflichtig geworden seien. Angesichts der wiederholten Raubzüge der Ungarn darf man das in das Reich der Fabeln verorten. Für lange Zeit war Augsburg ein letzter Versuch, mit gemeinsamer Kraft den gemeinsamen Feind abzuwehren. Unter der Regierung Ludwigs III. erlahmte die Zentralgewalt, unfähig die Aufgaben des Reichs zu erfüllen, die Macht des Reiches dafür einzusetzen. Was einst die Römer zur Sicherung der eroberten Gebiete, zum Schutz gegen den Einbruch der Barbaren geleistet hatten, das zu leisten war das mittelalterliche Staatswesen außerstande. So war nach der Zertrümmerung des Awarenreichs von Staats wegen nicht geschehen jene weiten und fruchtbaren Gebiete der mittleren Donau und Theiß, das Dakien der Römer, für die Zukunft und das Reich zu wahren, die Ungarn konnte die herrenlose Awarenwüste in Besitz nehmen und sich ungestört an den Reichsgrenzen festsetzen. Die einst unter den Römern starken Verteidigungswerke entlang der Donau waren verfallen. Die Reichsregierung überließ die Abwehr der Feinde dem einzelnen Stamm, dem Lande, das angegriffen wurde. Die zersplitterten Kräfte mussten einzeln unterliegen. Und wenn bei einem Angriff dann doch das Reichsheer zusammengerufen wurde, waren die Ungarn militärisch viel zu schnell unterwegs, als dass der schwerfällige Heerbann sie stellen konnte. Auf sich allein gestellt, suchten die Angegriffenen ihr Heil in der Flucht. Wer sich retten konnte, versteckte sich in den Wäldern oder auf unzugängliche Felsen. Jedes Jahr tauchten die Ungarn im Osten des Reiches auf und machten Beute. 902 plünderten sie Baiern und Schwaben, 903 verheerten die Fulda und drangen bis Thüringen und Sachsen vor, 904 tauchten sie in Franken auf, 905 zogen sie bis Basel. Schwer wog für den König der Verlust seines Parteigängers Konrad von Franken, der 905 an den Folgen einer Verwundung verstarb, die er sich in einem Gefecht mit den Ungarn zugezogen hatte. Historisch wäre diesem Charakter übrigens bestimmt gewesen, als Konrad I. der Nachfolger des amtierenden Ludwigs zu werden.
Ludwig III. konnte in dieser Zeit nur in eigener Sache einmal mit Macht auftreten, und zwar im August 903, als er das Erzbistum Trier im Handstreich besetzte und seinem westfränkischen Verwandten König Jourdain entriss. Da konnte Ludwig im Herbst des Jahres 903 mit einem großen Gefolge nach Westen, zur Maas reiten. In seiner Begleitung befanden sich die wichtigsten Würdenträger des Reiches, Bischöfe und Grafen, unter anderem der Mainzer Erzbischof Hatto (ein zwielichter Charakter und Machtmensch). Die Maas bildete die Grenze zwischen dem Deutschen Reich und Westfranken. Gegenüber am linken Ufer lagerte der französische König Jourdain.
Am 7. November des Jahres 903 begab sich Ludwig III. auf ein Schiff, auch der westfränkische König auf der anderen Seite ging an Deck seines eigenen Schiffes, die beiden Herrscher fuhren bis zur Mitte des Stroms und legten dort an einem dritten, fest verankerten Schiff an. Ihr stattliches Gefolge von geistlichen und weltlichen Fürsten begleitete sie zu den Verhandlungen. Die Könige begrüßten sich mit Umarmung und Kuss, das war feste Tradition bei den Herrscherbegegnungen, sie tauschten kostbare Geschenke aus. Die Mitte von Grenzflüssen war von jeher ein besonders beliebter Ort für Verhandlungen. Ursprünglich wurde er aus Sicherheitsgründen bevorzugt, weil er sich exakt in derselben Entfernung von den an den Ufern lagernden Heeren befand. Dieser Grund wurde auch in der Urkunde vom November 903 genannt, denn beide Könige führten miteinander Krieg.
Ludwig und Jourdain trafen sich, um den Streit und die Kämpfe, die wegen Trier ausgebrochen waren, beizulegen. Der westfränkische König hatte in den vergangenen Jahren versucht, Lothringen für sich zurück zu gewinnen. Doch der lothringische Adel betrachtete seine Zugehörigkeit zum Deutschen Reich nur als ersten Schritt zur eigenen Unabhängigkeit. Mit Waffengewalt war nun um die Neubesetzung des Erzbistums Trier gestritten worden, beide Könige beanspruchten das Recht der Kandidatenkür für sich. Die Tatsache, dass sie sich in der Mitte der Maas trafen, lässt bereits darauf schließen, dass sie sich in Vorverhandlungen auf eine Einigung verständigt hatten. Jourdain akzeptierte die De-jure-Zugehörigkeit von Trier zum Deutschen Reich und erhielt von Ludwig dafür eine Garantie der bestehenden Maas-Grenze.
An diesem Tag kam es zur Unterzeichnung eines Vertrags der Einmündigkeit und der gemeinschaftlichen Freundschaft (amicitia). Beide Könige legten einen Eid ab, gefolgt von ihren Großen im Gefolge. Mit dem Abkommen war Lothringen im Osten eingegliedert. Jourdain akzeptierte diese Situation vorläufig. Der Vertrag vom 7. November besiegelte die Trennung des karolingischen Regnum Francorum in zwei eigene Reiche und bedeutete rückblickend den Auftakt zur Entwicklung zweier selbstständiger Staaten, des deutschen und des französischen.
Innerhalb des Deutschen Reiches sah Ludwigs Situation viel düsterer aus. Je mehr die Zentralmacht erschlaffte, je unfähiger sie sich erwies, das Reich nach außen zu schirmen, im Inneren Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, desto mehr mussten im Reich die Sondergewalten erstarken. Die Notwendigkeit der Selbsthilfe, des stärksten Hebel der Selbstständigkeit, stellte Männer an die Spitze der einzelnen Stämme, welche, den edelsten Familien ihres Landes entstammend, durch ihre amtliche Stellung hervorragend oder mit reichem Besitz ausgestattet, die Tatkraft und Macht hatten, dem wehrlosen Volk Schutz zu gewähren, den die Reichsregierung nicht zu geben vermochte. In den deutschen Stämmen lebte immer ein starkes Sondergefühl. Es erstanden wieder die Stammesherzöge, die sich ihr Anrecht selbst schafften. Je mehr sie ihre Befugnisse ausdehnten, desto mehr drängten sie die Zentralmacht zurück. Die Krone suchte als Reaktion eine Stütze in der Geistlichkeit.
In Sachsen hatten die Liudolfinger längst eine wahrhaft herzogliche Stellung inne und sie unter der Regierung der letzten Karolinger, die den Sachsen fremd blieben und das Land kaum noch betraten, mehr und mehr befestigt. In Franken waren die Konradiner an die Macht gelangt und führten den Herzogtitel. In Lothringen führten die Welfen die Regierungsgewalt usw. - im Inneren wurde es für den König ein steter und erfolgloser Kampf gegen die territorialen Herren, deren Macht sich nicht mehr zurückdrängen ließ.
Unter diesen Umständen wird klar, dass die Herzöge nicht mehr die Auffassung der Karolinger teilten, die das Reich als ihr Privateigentum betrachteten, das unter den ehelichen Söhnen vererbt wurde. Oder, wenn diese fehlten, unter den erbberechtigten Verwandten gleichmäßig aufgeteilt wurde. Dieses Teilungsprinzip, dessen unselige Wirkung das Frankenreich schon unter den Merowingern zur Genüge erfahren hatte, führte auch dessen Zersplitterung und Auflösung unter den Karolingern herbei. In der Einheit des Kaisertums war ein mächtiger Anstoß auch zur Wahrung der Einheit des Reiches gegeben. Die Karolinger selbst waren nicht dazu in der Lage, diese Einheit durch ein Staatsgrundgesetz sicherzustellen.
Das Erbrecht der Karolinger wurde 886 durch die Erhebung Arnulfs durchbrochen, aber nur zum Teil. Er selbst betrachtete sich trotz der Illegitimität seiner Geburt als den berechtigten Erben. Den Mangel seines Anrechts hatte die Wahl ergänzt. Sein ehelich geborener Cousin wurde wieder der Erbe des Reichs. Da er der einzig verbliebene Karolinger war, konnte eine Teilung nicht in Frage kommen. Aber auch Ludwig III. wurde durch einen Wahlakt auf den Thron erhoben, dafür sorgte die gewachsene Macht der Fürsten. So trat das Wahlrecht an die Stelle des Erbrechts – es wurde eine Persönlichkeit, nicht auch dessen Geschlecht auf den Thron gehoben. War früher die Person des Herrschers, nicht das Reich und sein Interesse sein Angelpunkt gewesen, so war jetzt das Reich das Feststehende, das Wechselnde der Herrscher, wenn auch durch die Wahl das Reich bei derselben Familie blieb. Der Gewählte war nicht mehr Erbherr des Reichs, das Reich nicht mehr sein teilbarer persönlicher Besitz, in der Wahl lag auch die Unteilbarkeit des ihm nur zur Regierung übertragenen Reichs.
Dadurch wurde auch das Kaisertum von der Höhe seiner Idee herabgedrückt. Es repräsentierte nicht mehr die Universalmonarchie, die Kaiserkrone fiel nur einem Teilreich zu, ohne die anderen gleichberechtigten Teilreiche ihm unterzuordnen. Die Verleihung der Kaiserwürde war nicht mehr Sache zwischen Vorgänger und Nachfolger innerhalb der Familie, die Verleihung wurde ein päpstliches Recht, die Krönung in Rom zu einer Notwendigkeit.
In der Konsequenz vollzog sich eine bedeutsame Entwicklung in der Stellung der Grafen. Die Grafschaft, früher nur ein persönliches Amt, begann zum vererbbaren Lehen zu werden. Hatte noch Karl der Große ein uneingeschränktes Ernennungsrecht geübt, so war es schon unter seinen Nachfolgern Regel geworden, nur Männer aus den angesehensten und reich begüterten Familien zu Grafen zu bestellen. Das Grafenamt mit seinen ergiebigen Einkünften und bedeutenden Machtbefugnissen wurde für den Adel und durch den Adel monopolisiert. Die Grafen trachteten danach, die Grafschaft für ihre Familien zu erhalten. Schon wurden die Bezeichnungen für Amt (honor) und Lehen (beneficium) als gleichbedeutend nebeneinander gebraucht. An die eher geographische Bezeichnung des Gaues trat die Verwaltungseinheit der Grafschaft. Nicht selten wurden mehrere Grafschaften in einer Hand geführt, zunächst aus militärischen Gründen zur besseren Überwachung der Grenzen in den Marken. Durch die Vererblichkeit der Grafschaft bildete sich in der Folge eine fest geschlossene Aristokratie, die Besitz und Ämter an sich zog. Es begann die Zeit der Dynastien des Hochadels.
Die schwache Zentralmacht des Königs und der äußere Druck durch die Ungarn zwangen die deutschen Fürsten dazu, selbstständig Maßnahmen zum Schutz ihrer Ländereien zu ergreifen. Als Baiern im Frühjahr 912 zum wiederholten Male das Ziel eines ungarischen Raubzugs wurde, suchte Herzog Arnulf von Baiern den Ausgleich mit ihnen.
Er vereinbarte mit dem Fürst Arpad, dass seine Horden jederzeit ungehindert durch Baiern ziehen dürften, solange sie sich hier friedlich verhielten wie in ihrem eigenen Land, sich keinerlei Übergriffe zuschulden kommen ließen und insbesondere nicht plünderten. Dass sich Arnulf mit dieser Politik den Ungarn fast freundschaftlich annäherte, betrachteten die anderen Herzöge als Verrat. Unter dem Gesichtspunkt der Sorge um sein Herzogtum und seine Untertanen waren Arnulfs Bemühungen verständlich, die Baiern quittierten es mit Genugtuung, dass für ihr Land die unmittelbare Ungarngefahr gebannt war. Doch ebenso offenkundig war, dass Arnulfs Vereinbarungen fast ausschließlich zu Lasten der anderen deutschen Stämme gingen, denn Baiern bildete nunmehr kein Bollwerk mehr gegen die Ungarn. Der magyarische Staatsverband besaß aufgrund des Rechts auf freien Durchzug seiner Reiterheere durch Baiern seit 912 militärisch eine gemeinsame Grenze mit den Schwaben und Sachsen – und sie setzten es darauf an, die Fähigkeit zur Selbstverteidigung dieser Stämme auszutesten. Die Ungarn zogen den richtigen Schluss, dass sie gerade jetzt ihre Unternehmungen in deutsches Gebiet nicht einstellen durften, sondern sie intensivieren mussten, um den Zerfall des deutschen Reiches zu fördern. Den Tiefpunkt der Zwietracht folgte 916, als König Ludwig gegen das bairische Regensburg zog und Arnulf sich mit seiner Familie und einem größeren Gefolge zu den Ungarn absetzte.
Die Ungarn hätten sich keine bessere Entwicklung wünschen können. Herzog Arnulf war aufgrund seiner Feindschaft mit dem König nunmehr geradezu ihr Verbündeter, Süddeutschland für sie ein offenes Feld für ihre Unternehmungen. König Ludwig III. hatte viel zu viel zu tun, die innere Zerrissenheit in seinen Gebieten zu bändigen, um den Magyaren entgegen zu treten. Sie konnten folgern, dass sie es in absehbarer Zeit nicht mehr mit einem Reichsheer aus den Aufgeboten aller deutschen Fürsten zu tun haben würden. Getrennt voneinander waren diese aber nicht in der Lage, den Ungarn die Stirn zu bieten. Herzog Arnulf stand auf magyarischer Seite, die Schwaben befanden sich in Aufruhr, Lothringen war aus dem Reichsverband quasi abgesprungen. Der einzige Fürst mit Gewicht herrschte in Sachsen, das war auch den Ungarn bekannt. Und genau dorthin zogen sie durch Thüringen, um die Machtprobe zu suchen. Der sächsische Herzog Heinrich war zwischen ihnen und den Normannen aus Dänemark eingeklemmt. Die Schnelligkeit und Wucht der Ungarn wirkte in Sachsen wie ein Schock. Die deutsche Kriegsführung mit leichten Fußsoldaten erwies sich als weit unterlegen gegen die Reiterheere der Magyaren. Heinrich hatte kein Zutrauen zu seinen Kriegern, denn sie waren wenig geübt und an eine offene Feldschlacht mit einem so wilden Volk nicht gewöhnt. Es schien, dass das deutsche Königreich vor dem Zerfall stand.